Geschichte der Russlanddeutschen
Die Geschichte der Russlanddeutschen lässt sich bis in
das Mittelalter zurückverfolgen. Damals richteten
Lübecker Kaufleute ein Handelskontor in Nowgorod ein.
Iwan II. beorderte im 15. Jahrhundert weitere Fachleute
aus Deutschland nach
Moskau. Von Zar Alexej Michajlowitsch stammt ein Erlass, wonach Aussiedler sich
außerhalb der Stadtgrenzen Moskaus niederzulassen
hatten. Die “Deutsche Vorstadt” wurde Mitte des 17.
Jahrhunderts von mehr als 1.000 Menschen bewohnt, welche
sich auf 206 Höfe
aufteilten. Zahlreiche von den russischen Zaren
angeworbene deutsche Fachkräfte ließen sich in der von
Peter I. im Jahre 1703 gegründeten neuen Hauptstadt
Sankt Petersburg nieder.
Der Einfluss der Russlanddeutschen im Lande wuchs. Viele
Ratgeber und Minister der Zarenfamilie stammten aus
Deutschland. Katharina II., die deutschstämmige
Prinzessin von Anhalt-Zerbst-Dornburg, strebte mit ihrem
aufgeklärten Absolutismus eine Kolonisation der dünn
besiedelten Gebiete Russlands an. Den ausländischen
Siedlern wurden zahlreiche Privilegien zugebilligt. Dies
war ein weiterer Anreiz für deutsche Auswanderer, welche
mit den Folgen des Siebenjährigen Krieges zu kämpfen
hatten, der besonders der Pfalz, Baden oder der
Rheinprovinz stark zugesetzt hatte. Mitte des 18.
Jahrhunderts traten 30.000 deutsche Auswanderer die
beschwerliche Reise nach
Russland an. Ihre Vorstellungen
von der neuen Heimat wurden nicht erfüllt. Sie durften
sich nicht in den Städten niederlassen und wurden in das
Wolgagebiet abgeschoben, wo keine Chance bestand, in den
erlernten Berufen eine Arbeit zu finden. Es bestand
lediglich die Möglichkeit, sich mit landwirtschaftlichen
Tätigkeiten über Wasser zu halten.
Ende des 18. Jahrhunderts siedelten etwa 165.000
Russlanddeutsche im Wolgagebiet. Neben dem
Wolgagebiet war auch das Schwarzmeergebiet ein
bevorzugter Ort für die Ansiedlung von
Russlanddeutschen.
Ende des 18. Jahrhunderts kamen aus
dem heutigen Polen die ersten Siedler. Die
landwirtschaftlich erfahrenen mennonitischen
Glaubensflüchtlinge hatten Vieh und Gerätschaften im
Gepäck und fassten schnell Fuß. Ende des 19.
Jahrhunderts lebten 270.000 Russlanddeutsche im
Schwarzmeergebiet in Wohlstand. Es entstanden
Tochterkolonien in Sibirien und Kasachstan. Die
Zuwanderung der Menschen aus dem früheren polnischen
Grenzgebiet hielt an und der Unmut unter der russischen
Bevölkerung über die wohlhabenden Einwanderer wuchs. Im
I. Weltkrieg wurden Russlanddeutsche als Verräter und
Feinde bekämpft. Diese negative Entwicklung wurde durch
die Februarrevolution 1917 gestoppt. Dennoch wurden
200.000 Russlanddeutsche vertrieben und wirtschaftlich
ruiniert.
Mit der Oktoberrevolution 1917 begann der Umbruch im
Land. Die Russlanddeutschen an Wolga und Schwarzem Meer
machten Bekanntschaft mit dem kommunistischen System.
Sie mussten Zwangsabgaben verrichten. Wer sich weigerte,
wurde enteignet. Eine Hungersnot brachte zwischen 1921
und 1923 120.000 Russlanddeutschen den Tod. Nach
Beendigung des Bürgerkrieges kam es zur Bildung von
Gliedstaaten. 1924 wurde die Autonome Sozialistische
Sowjetrepublik der Wolgadeutschen
gegründet. Unter stalinistischer Herrschaft forderte
eine weitere Hungersnot in den Jahren 1932/33 350.000
Menschenleben. Mit der Machtübernahme der
Nationalsozialisten wurden die verbliebenen
Russlanddeutschen als Feinde angesehen und verhaftet.
Mit Kriegsbeginn wurden die Menschen nach Sibirien und
dem Ural deportiert. Etwa 700.000 Russlanddeutsche
starben in Arbeitslagern oder beim Transport mit
Viehwaggons in die unwegsamen Steppengebiete.
Nach der Ära Stalin wurden die Russlanddeutschen in
Sondersiedlungen untergebracht. Ihre Freiheit war
eingeschränkt und Diskriminierungen an der Tagesordnung.
1956 wurden die Gesetzte geändert und die
Russlanddeutschen durften von nun an ihren Wohnort frei
wählen. 1964 erließ das Oberste Sowjet ein Dekret zur
Rehabilitation der Russlanddeutschen. In den 1960-er
Jahren begannen viele Russlanddeutsche, nach Deutschland
zu übersiedeln. Damals lebten etwa 820.000
Russlanddeutsche vornehmlich in Nowosibirsk oder dem
Altai-Gebirge. Auch im Jahre 2010 stellten die
Russlanddeutschen in diesen Gebieten noch die größte
Minderheit dar.
Bekannte Russlanddeutsche sind der Polarforscher Ernst
Theodorowitsch Krenkel, der Astrophysiker Wilhelm
Anderson, die Schauspielerin Olga Tschechowa, der Boxer
Robert Stieglitz oder die Schlagersängerin
Helene
Fischer.
Weitere Infos