Heute vor 500 Jahren
Das 16. Jahrhundert gehört im historischen
Verständnis von heute bereits zur Neuzeit. Das
Spätmittelalter hatte seine Endphase überschritten und
ging allmählich in die so genannte Neuzeit über. Der
Buchdruck war bereits erfunden, die neue Welt Amerika
war entdeckt worden. Christoph Kolumbus hatte am 12.
November 1492 Land gesichtet, von dem er annahm, es sei
Indien. Die Ureinwohner Amerikas wurden deshalb als
„Indianer“ bezeichnet.
In Europa war der Beginn des 16. Jahrhunderts das
ausgehende Zeitalter Leonardo da Vincis. Rom hatte sich
zum Zentrum der italienischen Kunst entwickelt, wobei
der Papst Julius II. (1443-1513) seit zwei Jahren
verstorben war und der neue Pontifex, Leo X. (1475-1521)
aus dem Hause der Medici duldete Leonardo da Vinci nur
halbherzig. Die jüngeren Künstler wie
Raffael
(1483-1520) und
Michelangelo (1475-1564) erwarben sich
bei ihm leichter Ansehen. Das Schaffen Leonardos hatte
aber eine nachhaltige Bedeutung für die Zukunft, womit
die Werke Raffaels und Michelangelo auf künstlerischem
Gebiet nicht geschmälert werden. Im Gegenteil. Diese
beiden Maler hatten schon während der Zeit der
Renaissance Berühmtheit erlangt. Bereits 1513 hatte
Raffael sine „Sixtinische Madonna“ vollendet, die heute
in der Gemäldegalerie des Dresdner Zwingers hängt. Doch
Leonardo da Vinci war nicht nur ein Künstler. Er war
auch Wissenschaftler. Er befasste sich mit vielen
Gebieten und seine Ideen und Konstruktionen haben die
technische Entwicklung der Neuzeit maßgeblich
beeinflusst. Als einer der berühmtesten
Universalgelehrten aller Zeiten hat er nicht nur seiner
eigenen Zeit einen Stempel aufgedrückt. Man spricht noch
heute von ihm als dem genialsten Erfinder überhaupt.
Revolutionär waren unter anderem seine Skizzen und
Konstruktionspläne zu den ersten Flugapparaten, die Idee
von einem unsinkbaren Schiff und viele andere
Erfindungen. Heutzutage sind viele seiner Pläne in einem
königlichen Aufbewahrungsort zu finden – Schloss
Windsor, dem Sommersitz der englischen Königin. Zum
Beginn des Jahres 1515 war sein französischer Gönner
Ludwig XII. (1462-1515) gestorben. Dessen Nachfolger –
Franz I. (1494-1547) – war für Europa eine Überraschung
in jeder Hinsicht. Leonardo begegnete dem jungen König
in Florenz. Der alte Wissenschaftler und der junge
Monarch verstanden sich gut und nach einer anfänglichen
Zögerlichkeit nahm Leonardo die Einladung an, seine
letzten Jahre in Frankreich zu verbringen. Der lange Weg
lohnte sich für ihn, denn dort waren ihm Achtung, ein
neues Heim und Ehre sicher.
In Deutschland war das künstlerische Schaffen
entscheidend von Albrecht Dürer (1471-1528) geprägt
worden. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler zur
Zeit des Humanismus und der Reformation. Im Jahr 1514
war seine Mutter gestorben. Noch zwei Monate vor ihrem
Ableben hatte er eine Kohlezeichnung von ihr
angefertigt. Erstmals war ein sterbenskranker Mensch
portraitiert worden. Es ist heute im Berliner
Kupferstichkabinett ausgestellt. Meisterstiche von Dürer
aus jener Zeit wie z. B. „Ritter, Tod und Teufel“ sind
in der Berliner Nationalgalerie zu sehen.
Das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war schon –
wie auch das erste – gekennzeichnet von Kleinkriegen in
Europa. Fürsten und Könige waren darum bemüht, ihre
Macht auszubauen. In zahlreichen Grafschaften und
Fürstentümern musste der finanziell schwächer werdende
Adel dem aufstrebenden Bürgertum immer mehr Privilegien
überlassen, was dazu führte, dass der feudale Landadel
allmählich zerbrach. Doch parallel dazu wurde die Not
der Landbevölkerung immer größer. Die Frondienste waren
unermesslich hart und die Steuern konnten von ihnen
nicht mehr bezahlt werden. Dass die schwer arbeitenden
Bauern diese unmenschliche Ausbeutung nicht mehr lange
so hinnehmen würden, war absehbar. Es dauerte jedoch
noch bis zum Jahr 1524, bevor die ersten Bauernaufstände
aufflammten. Dann aber verbreiteten sie sich wie ein
Lauffeuer und die Zeit von Thomas Müntzer (ca.
1489-1525) brach an. Doch soweit war es noch nicht.
Doch der große Reformator
Martin Luther (1483-1546), der
1517 seine 95 Thesen niedergeschrieben und damit den
Reformgedanken klar umrissen hatte, ließ mit seiner
Aktion in jener Zeit Europa aufhorchen. Im Jahr 1514 war
er zum Provinzialvikar ernannt worden. In Wittenberg
übernahm er damit bereits in jungen Jahren zusätzlich zu
seiner Lehrtätigkeit leitende Aufgaben in seinem Orden.
Weil ihm elf Klöster unterstanden, war er oft auf
Reisen. Er sah, wie die Bevölkerung lebte. Der
Reformgedanke Luthers gipfelte letztendlich in den
Bauernaufständen.
Die großen Zerstörungen, die im deutschen Norden 1510
erst die „Zweite Cosma- und Damianflut“ mit den
Deichdurchbrüchen angerichtet hatte und ein Jahr später
die „Antoniflut“ (Eisflut), waren noch nicht vollends
behoben. Die verheerende Gewalt des Wassers hielt in
jener Zeit den Seefahrer Ferdinand Magellan (1480-1521)
nicht davon ab, nach seiner Entlassung 1514 aus dem
portugiesischen Staatsdienst, seine Dienste dann dem
spanischen König Karl I. (1500-1558) anzubieten, der ab
1519 als Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches
regierte. Von dort aus brach er 1519 zur ersten
Weltumseglung auf, die jedoch ohne ihn 1522 zu Ende
ging. Magellan war in einer Schlacht mit Einheimischen
auf den Philippinen 1521 getötet worden.
Das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts, konkret das
Jahr 1516, hatte eine Euphemismus hervorgebracht, der
heute noch immer nichts an seiner Berühmtheit verloren
hat und der von fast jedem Menschen schon einmal, wenn
nicht sogar mehrfach benutzt wurde und der längst den
schwäbischen Raum seiner Herkunft verlassen hat: der
„Schwäbische Gruß“. Dieser Ausdruck war in einer
verbissenen Auseinandersetzung zwischen dem Krautheimer
Amtmann, Max Stumpf von Schweinberg und Götz von
Berlichingen gefallen – „Legg me am Arsch“.
Rund 500 Jahre gehen wir mit diesem Vokabular schon um
und glauben, es sei ein Zitat aus einem Theaterstück von
Johann Wolfgang von Goethe. Dabei hat es der
Dichterfürst nur literarisch verarbeitet. Aber soweit
sind wir noch nicht…
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