Die Geschichte des Tabaks

Christoph Kolumbus war zwar nicht der erste Europäer in Amerika, doch er entdeckte immerhin die Zigarre für die Alte Welt. Ob er in weiser Voraussicht deshalb gleich bei seiner ersten Reise auf Kuba landete, ist nicht überliefert. „Männer und Frauen, die ein kleines glimmendes Feuer in der Hand trugen, das von einem wohlriechenden Kraut herrührte“ fielen, nach einem Bericht des späteren Bischofs Bartolomé de LasCasas, den Seefahrern im Oktober 1492 in der Neuen Welt als erstes auf. Bald stellten sie fest, dass die Ureinwohner den Tabak auch kauten, schlürften oder schnupften. Ihr Interesse an dem Kraut war geweckt.
Die Tabakpflanze ist die am weitesten verbreitete nicht essbare Feldfrucht der Welt. Sie gehört zur
Familie der Nachtschattengewächse, zu der neben Nahrungspflanzen wie Kartoffel, Tomate und Aubergine auch Giftpflanzen wie Tollkirsche, Alraune und Bilsenkraut gehören. Das meist einjährige Kraut wird bis zu drei Metern hoch und ist in allen oberirdischen Teilen giftig. Tabak stammt ursprünglich aus der Region Nordwestargentinien und Bolivien und soll seit 8000 Jahren von Menschen genutzt worden sein. Heute gibt es keine wild wachsenden Pflanzen mehr, ihr Kulturgebiet breitete sich mit menschlicher Hilfe über weite Teile der Welt aus.
Nachdem die Spanier die Pflanze nach Europa gebracht hatten, wurde sie dort zunächst vor allem als Zier- und Heilpflanze populär. Erstmals beschrieb Jean Nicot, französischer Gesandter am portugiesischen Hof, die anregenden und vermeintlich heilenden Kräfte des Krautes. 1560 brachte er Tabaksamen an den französischen Hof. Linné machte Nicot zum Namensgeber der Tabakpflanze und ihres wichtigsten Wirkstoffes: Nicotiana und Nikotin. Bald stilisierten Gelehrte den Tabak zum Allheilmittel, das von Magenbeschwerden über Schwindsucht, Syphilis bis zur Pest fast alle Leiden auskurieren sollte. Erst im 19. Jahrhundert verlor sich die Bedeutung des Krautes in der Schulmedizin.
Seit der Entdeckung und Verbreitung des Tabaks und des Rauchens durch die europäischen Eroberer über weite Teile der Welt wechselte die Form des Tabakgenusses immer wieder. Bürgerliche und adlige Oberschichten gaben die Moden vor und die Soldaten in den zahlreichen europäischen Kriegen der letzten 500 Jahre verbreiteten sie. Die ersten rauchenden Seeleute ernteten in Spanien noch Ablehnung und Verfolgung. Doch schon Mitte des 16. Jahrhunderts wurde in Spanien und Portugal Tabak angebaut und auf der iberischen Halbinsel verbreiteten sich das Rauchen von Zigarren und das Tabakschnupfen schnell.
In die anderen Teile Europas gelangte er etwas später und auf anderem Weg. Ende des 16. Jahrhunderts gründete Sir Walther Raleigh die Provinz Virginia in Nordamerika. In ständigen Auseinandersetzungen mit den Ureinwohnern lernten die Kolonisten den Brauch des Rauchens der Friedenspfeife kennen. Über diesen Kontakt gelangte der Tabak nach England, wo schnell die berühmt-berüchtigten „smoking parties“ in Mode kamen. Als unter König Jakob I. (1603-1625) das Rauchen in England bekämpft wurde, wichen die Pfeifenliebhaber nach Holland aus. Dort hatten englische Studenten diesen Genuss bereits eingeführt. Tabakanbau und Pfeiferauchen trugen in den folgenden Jahrzehnten die Soldaten (Dreißigjähriger Krieg 1618-1648) kreuz und quer durch Europa. Auch der Glaube, sich mit Tabakrauch vor der Pest schützen zu können, trug zur Verbreitung des Rauchens bei. Allein auf der iberischen Halbinsel konnte sich die Sitte des Rauchens einer Pfeife nie durchsetzen.
Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde, zunächst in Adelskreisen und dann in allen Teilen der Gesellschaft, das Schnupfen üblich. Es gab zwei Sorten von Schnupftabak. Für den einen wurde Tabakpulver, die Prise, durch Beimischungen von Salbei, Nelken, Lavendel, Rosenöl u. a. verfeinert. In Spanien und Portugal wandte man das Verfahren der Karotierung an. Tabakblätter beizte man mehrere Wochen in Saucen und presste sie anschließend zu karottenförmigen Zöpfen. Diese unterlagen noch einem mehrmonatigen Fermentierungsprozess, der dem Schnupftabak, Spaniol genannt, sein feines Aroma gab. Dem Schnupfen zuliebe nahmen sich Männer die bis dahin so beliebten Knebel- und Schnurrbärte ab. Richtiges Tabakschnupfen wurde jetzt bei Hofe gelehrt wie Tanzen und Fechten.
Das Rauchen der Tabakspfeife geriet über die neue Mode doch nicht in Vergessenheit. Das 18. und 19. Jahrhundert erwies sich als eine Hochzeit der Pfeifenkunst. Die Entdeckung des Meerschaums als Material zur Pfeifenherstellung lies die Rauchutensilien ebenso zu prächtigen Kunstwerken werden, wie das Experimentieren mit Porzellan, Bruyère-Holz und anderen Materialien.
Neben dem Rauchen schauten sich die Europäer auch die Sitte des Tabakkauens von den amerikanischen Ureinwohnern ab. Bei der Herstellung der sogenannten Prieme vermischte man zerkleinerten Tabak mit Saucen aus Orangen, Pflaumen, Honig, Rum, Lakritz, Datteln u.a. Den Brauch des Kauens nutzen vor allem Menschen, die in Berufen arbeiteten, in den sich Rauchen auf Grund der Brandgefahr verbat oder die beide Hände für ihre Arbeit brauchten (Bergbau, Waldarbeiter, Seeleute).
Im 19. Jahrhundert übernahm das Bürgertum die Vorreiterrolle bei den Rauchermoden. Von Spanien aus „eroberte“ sich die Zigarre Europa. Französische und englische Soldaten brachten sie im Verlauf der antinapoleonischen Kriege (1808-1814) mit über die Pyrenäen. In Mitteleuropa galten noch Rauchverbote, die im 17. Jahrhundert auf Grund von Brandgefahr in zahlreichen Städten erlassen worden waren. Außerdem galt rauchen in der Öffentlichkeit als flegelhaft und als Ungehorsam. Dadurch wurde die Zigarre ein politisches Symbol. Zigarrenraucher galten als Vorkämpfer bürgerlicher Freiheiten und die Aufhebung der Rauchverbote war häufig eine der Forderungen der revolutionären Kämpfe des Jahres 1848.
So wie das Bürgertum mit wirtschaftlichen und politischen Innovationen dafür sorgte, das die Zeit immer schnelllebiger wurde, verlor es und mit ihm die Zigarre auch rasch die Funktion einer gesellschaftlichen Vorhut. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs mutierte die Zigarre zum Symbol des geldgierigen

Großkapitalisten und Bankers. Abgelöst wurde sie durch die neue Mode des Zigaretterauchens. Dies stand weniger mit politischen als vielmehr mit gesellschaftlichen Veränderungen in Verbindung. Der Wandel des Zeitgefühls als Folge der Industriellen Revolution brachte rasch Begriffe wie „Zigarettenpause“ oder „Zigarettenlänge“ auf. Nicht zuletzt stellte die Zigarette auch ein Symbol der Frauenemanzipation seit Ende des 19. Jahrhunderts dar.
Die Zigarette kam wiederum mittels englischer und französischer Soldaten nach Mitteleuropa. Sie lernten sie während des Krimkrieges (1853-1856) bei den türkischen Truppen kennen. Ihre Verbreitung begünstigte ein aufkommender Orientalismus in der europäischen Öffentlichkeit, der durch die Eröffnung des Suezkanals 1869 angefacht wurde. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs rauchten die Europäer größtenteils Zigaretten, die aus Orienttabak gefertigt wurden. Mit dem Ende des Krieges und der Zerstörung der europäischen Länder beherrschten amerikanische Zigaretten den Markt, vor allem den Schwarzmarkt.
Wiederaufbau und zunehmendes Selbstbewusstsein der europäischen Länder ließen den Zigaretten- und damit den Tabakmarkt rasch anwachsen, sowohl quantitativ als auch in seiner Vielfalt. Verschiedenste Tabaksorten aus Amerika und dem Orient mischten die Hersteller zu immer neuen Sorten und Geschmacksrichtungen. „Leichtere“ Zigaretten erschienen in den Läden, die Filterzigarette erblickte das Licht der Welt.
Von staatlicher Seite wurde der Tabak immer ambivalent behandelt. Zahlreichen Rauchverboten mit teilweise drakonischen Strafen (von auspeitschen bis zur Todesstrafe) stehen die Begehrlichkeiten mittels Tabaksteuer und -zöllen den Staatshaushalt aufzubessern gegenüber. Einige Länder versuchten mit staatlichen Tabakmonopolen den Gewinn für sich abzuschöpfen. Auch heute versucht die Politik in der EU mittels Werbe- und Rauchverboten einerseits den Tabakkonsum aus Gesundheitsgründen einzuschränken, andererseits subventionieret sie die Tabakbauern weiterhin mit beträchtlichen Summen.