Geschichte der Pharmazie

Die Verwendung von Medikamenten und von Mitteln mit Heil- oder Linderungswirkung, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst. So hat man in Gräbern von Neandertalern Hinweise auf die Verwendung von als Medizin verwendeter Pflanzen gefunden. Auch in den frühen Hochkulturen, wie Mesopotamien und Ägypten, genauso wie im klassischen Griechenland und im römischen Reich, waren heilende Stoffe tierischer und pflanzlicher Herkunft bekannt. Die Geschichte der modernen europäischen Arzneimittelkunde hängt eng mit der Volksmedizin zusammen. Im frühen Mittelalter haben mit einheimischer Heilkunde befasste Mönche und Nonnen, wie die berühmte Hildegard von Bingen (ca.1098-1179), das teils schon aus der Antike überlieferte Wissen bewahrt und überliefert und damit die Grundlage für die Entwicklung der Pharmazie als wissenschaftliche Hilfsdisziplin der Medizin gelegt.

Die Klostergärten, in denen Heilkräuter gezogen wurden, gelten noch heute als Synonym für klösterliche Arznei-Kunde. Dabei konnten die frommen Pharmazeuten, die ihr Wissen regelmäßig auch in der Praxis anwendeten, bei Entwicklung und Anwendung von Arzneimitteln nicht nur auf antike und auf volksmedizinische Heilverfahren zurückgreifen. Kreuzfahrer brachten seit dem 11. Jahrhundert vermehrt auch Erkenntnisse aus dem arabisch-persischen Raum mit, die Eingang in die abendländische Pharmazie fanden. Wie sorgsam noch heute in den Klostergärten Kräuter angepflanzt werden und das Wissen darum bewahrt wird, spricht für die Bedeutung der einstigen Kräuterkunde.
Bis izum 13. Jahrhundert war der Vertrieb von Arzneimitteln ungeregelt und lag oft in den Händen der Ärzte, Bader und Quacksalber oder auch ambulanter Kräuter- und Gewürzhändler.
Epochal waren die von Kaiser Friedrich II. 1231 auf dem Hoftag in Melfi und im Edikt von Salerno (1241)festgelegten Medizinalordnungen, die als Geburtsurkunden des Apothekenwesens gelten. Die Festlegung, dass nur in festen Verkaufsstellen, den Apotheken (vom altgriechischen Begriff für „Aufbewahrungsort“), zu festgelegten Tarifen Arzneimittel von Nichtmedizinern verkauft werden durften, wurde rasch auch in anderen Rechtskreisen zum Standard. Die Apotheker stiegen im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu angesehenen Angehörigen der gehobenen Bürgerschicht auf. Sie verkauften nicht nur Arzneien, sondern sie stellten Arzneien auch im Verkaufsraum („Offizin“) oder in einem gesonderten Arbeitsraum („Rezeptur“) her.
Die Apotheken entwickelten sich in der frühen Neuzeit in Verbindung mit der wachsenden Bedeutung der in der Heilkunde Amulett- und Aberglauben verdrängenden Naturwissenschaften, insbesondere der Chemie, häufig auch zu Stätten, an denen systematisch Ansätze pharmazeutischer Forschung betrieben wurden.


Bedeutend für diese Entwicklung der Pharmazie war unter anderem das einflussreiche Wirken des Gelehrten Paracelsus (1493-1541), der maßgeblich zum Durchbruch der „Chemiatrie“, des chemischen Denkens mit dem Ziel, Wirkstoffe zu finden und zu extrahieren, beigetragen hatte.
Von den Apotheken aus bildeten sich schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts die Anfänge der pharmazeutischen Industrie sowie der pharmazeutischen Forschung und Lehre an den Hochschulen. Da die Herstellung bestimmter Arzneien so zeitaufwändig geworden war, dass ein üblicher Verkaufsbetrieb nicht mehr möglich war, spezialisierten sich etliche Apotheker auf die Produktion von Arzneien, wie zum Beispiel Morphin, die sie als Fabrikanten an ihre Apotheker-Kollegen verkauften. Beim Berufsbild des Apothekers verschob sich parallel dazu das Schwergewicht von der Herstellung von Pharmazeutika zunehmend in Richtung Qualitätskontrolle und verantwortungsbewusster Beratung.
Die Pharmazie-Forschung dagegen versuchte und versucht, in der Tradition von Paracelsus mit immer effektiveren Methoden, wirkstoffhaltige Substanzen zu entdecken und sie auf ihre Tauglichkeit, Basis für Arzneien zu sein, zu untersuchen. Insbesondere in den unmittelbar auf den Zweiten Weltkrieg folgenden Jahrzehnten, dem „Goldenen Zeitalter“ der pharmazeutischen Forschung, waren extrem wichtige Entdeckungen wie Antibiotika oder Neurotransmitter von großer Bedeutung.
Heute konzentrieren sich viele Pharmazie-Institute auf die Erforschung von Medikamenten, die „Drug Targets“ genannte molekulare Krankheitserreger bekämpfen sollen.