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Das Modejahr 1925 Mode – Die Männermode der Frauen

Die Menschen genossen den Aufschwung, sie genossen die technische Entwicklung, aber am meisten genossen sie die Vielfalt der Unterhaltung, in der alles in einem wunderschönen Schein leuchtete, denn richtig „golden“ war durchaus nicht alles.
In Sachen Mode schauten nun auch die Deutschen wieder zunehmend nach Paris. Die Aufsehen erregende Ausstellung „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“, nach der die Epoche später „Art Deco“ benannt wurde, zeigte außer Stoffen und Inneneinrichtungen auch Kleidungsstücke mit
üppiger Ornament-Musterung, die in vereinfachter Form naturalistisch war. Einflüsse aus Asien wurden deutlich und einige Kreationen wiesen einen kubistischen Stil auf oder hatten ein vom Kino beeinflusstes Design. Unbeachtet zunächst, waren es gerade diese Modelle, die in ihrer fantasievollen Kunstfertigkeit die Mode der Zukunft bestimmen sollten. Die Haute Couture gab damit besonders der Sommerkleidung neue Impulse. Fließend leichte Stoffe, beschwingt-blumige und streng-geometrische Muster wurden als hochmodisch angesehen. Die Farben waren auffallend. Vor allem der sogenannte Parmaveilchen-Ton erfreute sich großer Beliebtheit. Paris stellte seine Sommermode in kurzer Saumlänge vor. Die Knie waren gerade einmal bedeckt. Doch die Länge, die in Paris gängig wurde, wagte man sich in Deutschland noch nicht zu tragen. In den Berliner Modehäusern gestalteten die Couturiers eine Mode für Deutschland, in der der Einfluss aus Frankreich nicht viel Platz hatte.
Hierzulande trug man weiterhin die gerade Silhouette. Lediglich eine Auflockerung durch Jabots oder ein Vorhemd, das Chemisette, waren modisch akzeptiert. Bei der Sportkleidung nahm man es mit der Saumlänge nicht so genau. Da war der Faltenrock durchaus auch in kaum Knie bedeckender Länge en vogue. Dazu passte ein Jumper. Dieser Vorläufer des Kleidungsstückes, das heute als Pullover bekannt ist, hatte einen V-Ausschnitt und reichte den Damen bis zur Hüfte. Der Jumper konnte über oder anstatt einer Bluse getragen werden. Das Hängerkleid, das Frau am Abend trug, war mit vielen Pailletten oder Strass versehen. Perlenketten, zumeist in Überlänge, gaben all dem den letzten Schliff. So sah die ideale Bekleidung zum abendlichen Vergnügen aus. Und da gerade der Charleston aufkam, erhielt dieses Kleid später nach diesem Tanz seinen Namen, unter dem sich noch heute jeder etwas vorstellen kann. Frauen, die dieses Kleidungsstück zu streng fanden, bevorzugten das Stil-Kleid romantischen Einschlages. Bei dem war der Rock wadenlang, tief angesetzt und weit.
Sehr zeitgemäß war die Garderobe im Garçonne-Stil, der seine Vorbilder in der Mode der Männer hatte. Nicht nur das Smoking-Kostüm gehörte dazu, auch der Mantel im Herrenschnitt und die unverkennbare Eton-Crop-Frisur, der Herrenschnitt, den die Frauen trugen. Die mutigsten und besonders modebewussten Damen komplettierten diese Garçonne-Garderobe mit einem Spazierstock, einem Monokel und einer langen Zigarettenspitze. Je mondäner Frau gekleidet war, desto weniger trug sie darunter. Doch das Wenige musste exquisit sein. Was für die Herren der Pyjama zur Nacht war, das zog Frau tagsüber als Hausgewand an. Die Männer waren in ihrer Begeisterung zwiegespalten, sahen sie doch ihren dominanten Stellenwert gefährdet, zumal sie ohnehin schon nicht erfreut darüber waren, dass sich so viele Frauen für kurze Haaren entschieden hatten. Für die Herren stand die Welt auf dem Kopf, doch kaum waren sie in einem der nächtlichen Vergnügungsetablissements, konnten sie gerade diesen Frauen nicht widerstehen. Öffentlich zeigten sie allerdings deutlich ihre Empörung.
Die Bekleidung der Männer blieb von den Neuerscheinungen in der Damenmode unbeeinflusst. Stets korrekt und sehr schneidig; so unterstrichen die Herren ihr Selbstbewusstsein und zeigten zugleich
modisches Verständnis. Die etwas kühneren Persönlichkeiten ließen sich auf den Dandy-Stil ein, trugen Tangohosen, die weit waren und dazu spitze Tanzschuhe. Auch ihre Modevorbilder kamen von der Leinwand. Rudolph Valentino war einer der beliebtesten Schauspieler und Buster Keaton galt neben Charlie Chaplin zu den am meisten gefragten Komikern seiner Zeit. Künstler wie Richard Tauber, Hans Albers, Victor de Kowa – um nur einige zu nennen – waren ebenfalls Persönlichkeiten, deren Kleidung die Mode der Männer beeinflusste.
Die renommierte Modejournalistin Helen Hessel-Grund, die seit Beginn des Jahrzehnts über Modethemen berichtet hatte, zog nach Paris. Es waren private Gründe, die sie dazu veranlassten, aber da sie weiterhin für die „Frankfurter Zeitung“ berichtete, brachte dies die deutsche Leserin der Modemetropole näher. Und das durch eine der wenigen Zeitungen, die sich der Demokratie verschrieben hatten.
Dass der Beginn der „Goldenen Zwanziger“ in aller Stille zugleich einer politischen Richtung, nämlich dem Nationalsozialismus, die Türen öffnete, war für die meisten Menschen im Glanz der Revuen und Tanzvergnügen nicht sichtbar, auch nicht, als der 1. Band von Hitlers „Mein Kampf“ veröffentlicht wurde. Im Politik- und Modekampf ging eine Tatsache völlig unter: Im Kaukasus war nachweislich die letzte wilde Wisentherde ausgestorben. Dieses Sterben war nur ein unmerklicher Anfang.

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