Franz Liszt Leben
Auch Czerny gehörte neben Hummel, Schubert und
vielen anderen
Künstlern zu den Erwählten. Und sogar der kleine Franz, der oft
stundenlang in Diabellis Musikalien stöberte und dem die exzellente
Fähigkeiten des Jungen nicht unbekannt geblieben waren, durfte sich
der Aufforderung ebenfalls anschließen. Natürlich machte Franz sich mit
Begeisterung an die Arbeit. Er komponierte eine Arbeit, die durch den
Zwei-Vierteltakt auffiel, der man die Czerny-Schule deutlich anmerkte,
die aber schon ausdrücklich den großen Reichtum an Fantasie erkennen
ließ. Der Junge schrieb über seine Variation: „Franz Liszt, Knabe von
11 Jahren, geboren in Ungarn.“ und wurde damit in die Sammlung
aller Diabelli-Variationen aufgenommen, die einige Zeit darauf als
zweibändiges Werk mit dem Titel „50 Veränderungen über einen Walzer
für das Piano-Forte“ erschien.
Adam Liszt war stolz auf seinen Sohn und auf dessen erste Komposition.
Er war mit Franzls musikalischen Entwicklung höchst zufrieden,
versäumte keine Gelegenheit, Konzerteinladungen anzunehmen und
ihn aufzutreten zu lassen. Der Bewunderung war er sich stets gewiss,
nahm sie voller Freude entgegen, als gälte sie allein ihm. Seine
Opferbereitschaft war groß. Sie wuchs mit den Erfolgen des Sohnes
und Liszt dachte sorgenvoll daran, dass das Jahr, das ihm Esterházy
bewilligt hatte, in wenigen Monaten zu Ende gehen würde.
Der Wiener Alltag gestaltete sich für Franz Liszt mittlerweile ebenso
abwechslungsreich wie anstrengend. Hofrat Raphael Georg Kiesewetter
veranstaltete Konzertabende, der Hofkriegsvizebuchhalter Joseph Hohenadel war für das Konzertieren im eigenen Hause berühmt und
auch im Palais der Bankiersfamilie Geymüller wurde musiziert. Die
Geymüllers gehörten zur so genannten zweiten Gesellschaft. Obgleich
sie nicht von Adel waren, fühlten sie sich aber durchaus nicht dem
Volk zugehörig. Sie waren sehr vermögend, das wog schwerer als ein
Adelstitel. Ihr elegantes Besitztum blieb seinem Ruf als
gesellschaftliches
Zentrum nichts schuldig.
In diesen und anderen Häusern war man geradezu versessen darauf,
den jungen Pianisten zu empfangen. Die Damen der Opernbühne, die
der Familie Geymüller häufige Besuche abstatteten, rissen sich um
den entzückenden Burschen. Franzl wurde von ihnen beschenkt, zu
Theaterproben und Vorstellungen mitgenommen, ja, sie amüsierten sich
gar köstlich in seiner Gegenwart und mit ihm. Die Fräuleins wurden,
wenn sie, ihren Franzl hofierend, im Fiaker durch die Stadt fuhren, zu
kreischenden jungen Mädchen, vergaßen dabei ihre gute Kinderstube
und busselten den Knaben unentwegt ab, tätschelten ihm die Wange
oder strichen ihm über das Haar.
Wilhelmine Schröder war schon siebzehn Jahre alt und wurde nicht
müde, von ihrem Erfolg als „Fidelio“ zu erzählen. Caroline Ungher, die
als Achtzehnjährige die Älteste in der Runde war, hielt ihre Auftritte
in den Opern von Mozart dagegen und Henriette Sontag, inzwischen
immerhin sechzehn Jahre alt, wusste von ihren Bühnenerlebnissen als
Zwölfjährige zu erzählen. Franzl genoss die Umschmeichelungen der
drei Sängerinnen, beteiligte sich formvollendet, aber mehr staunend
als wissend, an den Gesprächen, obwohl er längst nicht solche
beeindruckenden Dinge zu berichten vermochte.
„Erzählen
Sie, Franzlchen, haben Sie Beethoven schon getroffen? >>>
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