Franz Liszt Leben
„Erzählen Sie, Franzlchen, haben Sie Beethoven schon
getroffen?“,
fragten ihn die Mädchen eines Tages auf einer Spazierfahrt. Es dauerte
eine Weile, bis Franz die Frage in dem Stimmengewirr verstand. „Nein,
den verehrten Meister habe ich noch nicht kennengelernt, aber seinen
Sekretär, Herrn Anton Schindler. Den traf ich bei einer Soirée bei
Professor
Unger und er hat versprochen, mich seinem Herrn vorzustellen. Oh, da
war auch Herr Vogl, Michael Vogl, der die Lieder seines Freundes Franz
Schubert so vortrefflich vorzutragen versteht.“, antwortete Franz und
kam sich ein wenig unbedeutend vor. Aber die drei Damen schwatzten
schon wieder durcheinander, schäkerten und lachten, so dass die Leute,
an denen sie vorüber fuhren, erstaunt die Köpfe schüttelten über die
Selbstvergessenheit der jungen Leute.
Die Mädchen hatten aber auch viel zu erzählen, staunte der kleine Liszt
immer wieder aufs Neue. Die Welt der Oper, in der sie lebten und die sie
am besten kannten, war ihr bevorzugtes Gesprächsthema. Franzl, der
sich an eine Soirée erinnerte, während der er Rossini vorgestellt worden
war, hätte den Damen davon erzählen können. Doch sie würden nicht
zuhören, fürchtete er. Sie waren viel zu sehr mit sich selbst
beschäftigt
und es kam ihm vor, als brauchten sie ihn nur als nettes Beiwerk. Er
schwieg also, dachte an den ernsten Mann, der ihm die Begegnung mit
Rossini ermöglicht hatte. Dieser Mann galt als sehr streng und unnahbar.
Man schien ihn sogar zu fürchten und alle bezeugten ihm eine gewaltige
Ehrerbietung.
Ihn, den jungen Franz Liszt, schien er zu mögen, dieser Metternich. Er
war
es, der ihn einmal zu sich eingeladen hatte, wollte ihn unbedingt
spielen
hören. Oh, wie staunte Franzl, als er den prächtigen Saal betrat. Es
waren
wohl Tausende Kerzen, die den Raum in ein strahlendes Licht tauchten
und die Herrschaften in ihren festlichen Roben lauschten begeistert, als
er, der unbekannte ungarische Junge, Stücke von Mozart, Beethoven und
seinem Lehrmeister Czerny spielte. Der Applaus war so stürmisch, dass
Franzl ganz übermütig wurde. Er flitzte zu der freundlichen Gastgeberin
und fragte strahlend: „Hat es Ihnen gefallen?“ Die Fürstin Metternich
lobte ihn sehr, und umarmte den Kleinen herzlich. Franzl wusste nichts
von Politik und war dem Gemahl der Fürstin gegenüber höflich, so wie er
es anderen gegenüber auch war. Was genau ein Staatskanzler machte,
davon hatte er keine Ahnung. Er spürte nur, dass dieser Mann sehr
mächtig sein musste, wenn alle ihm derart schmeichelten. So ein Mann
hatte den kleinen Franz dem großen Rossini vorgestellt, dessen Opern
die ganze Stadt entzückten und die so recht den Geschmack der Zeit
trafen. Franz dachte mit großer Freude an diesen heiteren, freundlichen
Italiener, den jeder zu kennen schien, obwohl er noch jung an Jahren
war. Oh, wie interessiert und verzückt dieser sich gezeigt hatte. Er war
derart großmütig, als er seine Bewunderung über das grandiose Spiel
des Elfjährigen aussprach. Es klang ehrlich und Franzl behielt diese
Begegnung in schönster Erinnerung. Er hätte den Demoiselles gern
von diesem Glücksgefühl erzählt. Aber sie schienen genügend eigene,
aufregende Erlebnisse zu haben. Franzl hörte ihr Geplauder wieder
deutlicher, die Gedanken fielen in sein Inneres zurück und er ließ sich
erneut von der Heiterkeit seiner drei Freundinnen anstecken.
Abwechslungsreich und voller Arbeit waren auch die Tage, die Vater
Liszt verbrachte, wenn er nicht gerade zusammen mit Anna seinen
Sohn zu einer der Konzertveranstaltungen begleitete. Die Existenz der
Familie war eine bescheidene, aber durchaus keine ärmliche. Natürlich
mussten sie sich im Vergleich zu dem gesicherten Wohlstand in Raiding
einschränken. Die Ausgaben für Lebensmittel und Kleidung überstiegen
das Budget enorm und die Mitgift von Franzls Mutter war längst
aufgebraucht. Zudem kamen unerwartete Fahrkosten hinzu, denn zu
den Soirées, an denen Franz teilnahm, konnten die Eltern nicht gut zu
Fuß hingehen. Sie mussten vorfahren.
Während sich Anna Liszt uneingeschränkt um den Haushalt kümmerte,
Franzls und ihres Mannes Gewänder instand hielt und sich um die
Einkäufe kümmerte, war Adam Liszt bemüht, der Familie durch das
Unterrichten in Latein, Geschichte, Geographie und Musik einen kleinen
Nebenverdienst zu sichern. Eines Tages würde er es schon leichter
werden, dessen war er sicher. Franzl war auf dem besten Weg, ein
großer Musiker zu werden. Seinen Sohn in allgemeinen Fächern zu
unterweisen, kam Adam Liszt nicht in den Sinn. Das könnte der Junge
alles nachholen, eines Tages, wenn er sein gesichertes Einkommen
hatte. Jetzt sollte er sich unbeschwert seiner musikalischen Ausbildung
widmen.
Und zu all dem müsste endlich auch ein öffentliches Konzert her. Franzls
Gönner und Förderer, allen voran Czerny und Diabelli, legten dafür den
1. Dezember fest. Für die Aufführung war der Wiener Landständische
Saal vorgesehen und Diabelli erklärte sich bereit, die Organisation zu
übernehmen.
Franzl war gern bei Diabelli zu Besuch, plauderte mit ihm und stöberte
immer wieder voller neugieriger Begeisterung in dessen Musikalien.
Der Verleger hatte nichts dagegen >>>
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