Franz Liszt Leben
Franzl presste die Lippen aufeinander und schwieg.
Es hatte wohl nicht
viel Sinn, dem Vater noch etwas zu entgegnen. Die Mutter, die ihrem
Sohn ansah, dass er längst noch nicht überzeugt war von des Vaters
Worten, beugte sich ein wenig über den Tisch und ihre Worte waren
sehr liebevoll: „Franzlchen, Du musst Gott davon überzeugen, dass Du
Dich seines Geschenkes durchaus würdig zu erweisen vermagst. Das
methodische Zeug, wie Du es nennst, gehört zu den wichtigen Prüfungen,
die Dir auf dem Weg zu großem Künstlertum auferlegt werden. Übe Dich
in Geduld. Der Herr Czerny will doch nur Dein Bestes, so wie wir auch.“
„Und wie Gott?“, fragte der Junge und es schien, als hätte Anna Liszt
ihren Sohn überzeugt. „Ja, auch wie Gott.“, schloss sie das Thema ab
und erntete einen dankbaren Blick ihres Mannes. Seine Anna, sie hatte
die richtigen Worte gefunden.
Franz war fortan bemüht, den strengen Forderungen des Lehrers
gerecht zu werden, auch wenn er sich gar nicht gern von dem
Metronom, das Czerny ihm hingestellt hatte, sein Spiel diktieren ließ.
So eine neumodische Sache, dachte er abfällig, schwieg aber dazu.
Und die Klavierschule von Muzio Clementi mochte er nach wie vor
nicht. Es half wenig, dass ihm der geduldige Lehrer von dem berühmten
Musikpädagogen erzählt hatte. Clementi war ja weit weg, reiste gerade
irgendwo durch Deutschland, meinte Franz sich zu erinnern. Er war den
Erzählungen nicht sehr aufmerksam gefolgt. Er verspürte schon seit
einiger Zeit eine Abneigung gegen den liebenswürdigen, aber strengen
Carl Czerny, dem diese Empfindung nicht entgangen war. Es fiel ihm
jedoch auf, dass Franzls Spiel mit der Zeit taktvoller wurde und der
Knabe sichtbar guten Willen zeigte. Er nahm die Veränderung erfreut
zur Kenntnis, dachte an das Gespräch, dass der alte Liszt unter vier
Augen mit ihm gesucht hatte und honorierte den willigen Eifer des
Jungen, indem er ihm Werke von Hummel und Beethoven vorlegte.
Voller Begeisterung machte sich der Junge daran und begriff instinktiv,
was es mit Czernys Hartnäckigkeit auf sich gehabt hatte. Von da an
war ihr Verhältnis wieder voller Herzlichkeit und gänzlich ungetrübt.
Die
technische Ausbildung nahm ihren Fortgang auf das Vortrefflichste,
ohne dass Franzl sie weiterhin als lästig empfand. Waren ihm Begriffe
wie Legato und Staccato vorher zwar bekannt gewesen, so konnte er
sie inzwischen auch ausgezeichnet umsetzen. Den Unterschied im
Anschlag, wie er ihn noch vor Wochen gehabt hatte, fühlte er
gleichfalls.
Doch was er seinem Lehrer alles zu verdanken hatte, würde er erst viele
Jahre später in aller Gänze zu würdigen zu wissen. Vorerst akzeptierte
er jedenfalls alle Unterweisungen so, wie Czerny sie vorgab.
Über den Unterricht, den Franzl bei Antonio Salieri bekam, führte er nie
Klage. Der alte Herr mochte den Jungen gern und ging sehr geschickt
mit ihm um. Er blickte auf Erfahrungen zurück, die er bei der Ausbildung
zahlreicher, inzwischen sehr berühmt gewordener Musiker, gesammelt
hatte. Der Stoff, den er vermittelte, war trocken und schien geeignet,
einen derart enthusiastischen jungen Menschen schnell zu langweilen.
Deshalb nahm es Salieri mit dem Kontrapunkt nicht so genau, sondern
erlaubte seinem Schüler von Anfang an, kleine Stücke zu schreiben.
Meist hatten sie religiösen Charakter. Dabei konnte Salieri ihn am
besten
mit dem ureigenen Wesen der Musik vertraut machen. Franzl erwarb
sich in kürzester Zeit brillante Erkenntnisse im Lesen einer Partitur
und
sein Prima-Vista-Spiel konnte kaum mehr übertroffen werden.
Auch zuhause verbrachte er seine verbleibende Zeit am Klavier. Es gab
gar nichts anderes mehr für ihn. Er sog die Musik in sich auf und lebte
wie in einem Rausch. Seine große Kunstfertigkeit hatte sich in Wien
herumgesprochen und man wollte diesen jungen Mann hören, lud ihn
zu privaten Soirées ein, auf denen er mit seinem Spiel und vor allem mit
dem Fantasieren über vorgelegte Themen enormen Anklang fand.
Czerny war nur allzu gern bereit, das Bestreben von Vater Liszt zu
unterstützen und dem Wiener Publikum immer öfter Kostproben von
den Fähigkeiten des phänomenalen Jungen darzubringen. Sein Einfluss
auf die Kunstfertigkeit des kleinen Liszt zeigte sich überdies, als
Anton
Diabelli mehrere Komponisten ersuchte, Variationen über seinen Walzer
zu verfassen. Diabelli komponierte ja nicht nur, er führte auch einen
Musikalienverlag und er war zudem Beethovens Verleger. Mit dem
verband ihn eine enge Freundschaft. Beethoven schrieb gleich mehrere
Variationen zu des Freundes Walzer, benannte sie zudem noch nach
ihm und verhalf ihm damit zu nachhaltiger Anerkennung.
Auch Czerny
gehörte neben Hummel, Schubert....
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