Franz Liszt Geschichte
Adam Liszt lächelte in sich hinein, legte die
Serviette zur Seite, die er
während des Redens in den Händen hin und her gedreht hatte und fuhr
heiteren Tones fort: „Manche wussten gar nicht, dass ich ein
musikalischer
Laie war. Im Zusammenspiel waren wir doch alle Musiker.“
Anna sah ihren Mann liebevoll an. Die Beflissenheit, die er zeigte,
berührte sie. Wie sehr mussten ihm die Erinnerungen immer wieder
zu schaffen machen. „Nun ja“, sagte sie ein wenig schelmisch. „Das
Musizieren liegt ja in Deiner Familie. Dein Vater spielt ja auch
Violine,
sogar die Orgel beherrscht er.“ Adam Liszt wiegte seufzend den Kopf
hin und her, zog die Stirn kraus und war ein wenig verstimmt. „Das hätte
ihn weit bringen können, wenn er nicht so ein unverträglicher, ruheloser
Mann wäre. Du weißt selbst, dass es mit ihm ständig Ärger gibt. Mit
seinem Pflichtbewusstsein ist es nicht weit her. Er hat sechsundzwanzig
Kinder aus zwei Ehen und dessen eingedenk verüble ich ihm nicht, dass
er meine Studien nicht mehr finanzieren konnte. Ich bin froh, dass er
jetzt
wieder eine Stelle hat. Er soll uns nur nicht wieder Schande machen.“
Anna Liszt begann, den Tisch abzuräumen, doch bevor sie mit dem
Tablett in die Küche ging, blieb sie noch einen Moment in der Tür
stehen,
wandte sich ihrem Mann zu. „Adam, ich weiß, du hoffst, dass sich
Deine Liebe zur Musik in den Hoffnungen, die Du in Deinen Sohn legst,
fortsetzt. Er soll Dir Deine Träume erfüllen, die Du nicht leben
konntest.
Vielleicht hat ja der Herrgott tatsächlich Großes mit ihm vor. Aber
lass’
unser Franzlchen erst einmal heranwachsen. Was werden soll, wird sich
zeigen. Hab’ Geduld.“
Adam Liszt stand auf, sah seine Frau entschlossen an. „Ja, Anna,
immerhin ist er unter einem gewaltigen Kometen geboren. Ich will für
ihn beten.“
Die schwache Gesundheit des Jungen, die ihn immer wieder ans Bett
fesselte, machte den Eltern große Sorgen. Franzl spielte selten mit den
Kindern des Dorfes, träumte stattdessen oft im Schatten der Bäume vor
sich hin und niemand hätte zu sagen vermocht, was ihn bewegte. Wenn
der Vater auf der Geige spielte, zeigte er keinerlei auffälliges
Interesse
und Adam Liszt unterließ es, ihm das Geigenspiel beizubringen. Es
schien Franzl gar nicht zu beeindrucken, was der Vater dem Instrument
für wunderbare Klänge entlockte. Immer wieder dachte Adam Liszt
daran, dass Mozart im Alter von fünf Jahren schon makellos Klavier
gespielt hatte, indes sein Junge scheinbar keine Begeisterung für die
Musik aufbrachte. Notgedrungen begann sich Liszt damit abzufinden,
dass sein Sohn die Güte der Mutter, aber nicht die Musikalität des
Vaters
geerbt hatte. Wie sollte das auch anders sein? Immer wieder musste der
Bub für
mehrere Wochen das Bett hüten. Schweres Fieber und Nervenleiden,
dessen Ursachen nicht herauszufinden waren, entkräfteten den Jungen
bedenklich. In diesem Sommer war es besonders schlimm. Franzl
würde in drei Monaten fünf Jahre alt werden. Die Krankheit setzte ihm
diesmal aber so schwer zu, dass Adam Liszt alle Hoffnungen aufgab.
Selbst seine Frau vermochte keine tröstenden, hoffnungsvollen Worte
mehr zu finden. Schließlich ließen sie einen Sarg zimmern, denn sie
waren sicher, dass ihr Söhnchen die Krankheit nicht überleben würde.
Was war das aber auch für ein Sommer! Überall im Land herrschten
Hungersnöte. Die Ernten waren ohne Erträge. Krankheiten hatten sich
ausgebreitet. Viele Menschen starben und niemand wusste, warum der
Sommer wie ein Winter war. Die Sonne schien die Welt vergessen zu
haben. Es war so kalt, wie es auch die Alten sommers noch nicht erlebt
hatten. Und János, der Schäfer, wusste zu berichten, dass in einigen
Gegenden sogar Schnee gefallen war. Nein, das konnte kein gutes
Ende nehmen. Diesmal nicht.
Was
niemand mehr zu hoffen gewagt hatte....
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