Franz Liszt Leben
Anna Liszt lächelte und sagte: „Diesmal
konnte dein Vater etwas Nobles
anmieten.“ „Ja, Franzl“, unterbrach Liszt seine Frau. „Du hast selbst
sehr
viel dazu beigetragen mit deinen Konzerten in Bayern und Straßburg.“
Franzl, der von wirtschaftlichen Dingen nichts verstand, fragte dennoch
höflich interessiert und auch, um dem Vater die Freude nicht zu
nehmen: „Was kosten denn diese Räumlichkeiten?“ „Nun, mein Sohn,
die Zimmer kosten 120 Francs monatlich, für Heizung und Bedienung
müssen wir 65 Francs aufwenden und für die Verpflegung kommen
pro Tag noch einmal 14 Francs dazu.“ Franzl nickte artig, begriff aber
nicht, in welcher Relation diese Zahlen zu verstehen waren. Da der
Junge nicht weiter darauf einging, bemühte sich Liszt zu erklären: „Die
Einnahmen der Konzerte haben die Ausgaben um eine beträchtliche
Summe überstiegen. Wir können uns das jetzt leisten, Franzl. Paris wird
dir gefallen und hier wirst du dein Können vervollkommnen.“ „Ja, Vater,
auf das Studium am Konservatorium freue ich mich schon sehr. Wann
gehen wir da hin?“ Adam Liszt lachte. „Morgen, Franzl, gleich Morgen
werden wir hingehen.“
Am nächsten Tag machten sie sich auf den Weg in die Rue Faubourg
Poissonière. Franzls Aufregung steigerte sich, je näher sie dem
gewaltigen
Gebäude kamen. Junge Leute mit Instrumenten und Notenmappen
unter dem Arm gingen durch den Torweg, um an diesem denkwürdigen
Ort in die Geheimnisse der Musik einzudringen. Ob ihnen das bewusst
war, konnte Franzl nicht erkennen, denn sie lachten, unterhielten sich
und schienen ganz ungezwungen. Bestimmt sind sie alle schon sehr
berühmt, dachte er und hätte ihnen am liebsten seine Verehrung gezeigt.
Angesichts derer, die den Einstieg in das musikalische Heiligtum von
Paris bereits geschafft hatten, kam sich Franzl sehr unbedeutend vor.
So sehr er diesen Tag herbeigesehnt hatte, so sehr fürchtete er sich
jetzt
vor der Begegnung mit Luigi Cherubini.
Adam Liszt war zuversichtlich, baute auf die Empfehlungsschreiben, die
er bei sich trug und darauf, dass Cherubini beinahe selbst in die
Dienste
des Fürsten Esterházy getreten wäre und er fast unter seiner Leitung
musiziert hätte.
Als der Kanzleidiener endlich die Tür zur Direktion öffnete und Vater
und Sohn hinein bat, stürzte Franzl in seltsam demütiger Haltung auf
Cherubini zu, der unbeeindruckt schien, keine Miene verzog und mit
dieser starren Haltung den herankommenden Jungen in seinem Lauf
bremste. Franzl schaute den mächtigen Mann an, dessen Gesicht eisig
war und ihn irritierte. Indessen übergab Adam Liszt mit einer
untertänigen
Verbeugung einen Brief von Metternich, den er bei sich trug. Cherubini,
der erst seit einem Jahr Direktor des Konservatoriums war, einen großen
und sehr beachteten Namen in der Musikwelt innehatte, Theaterdirektor
gewesen war und mit seiner Oper „Medea“ enormes Aufsehen erregt
hatte, überflog den Brief wortlos und scheinbar unbeeindruckt. Die
Stille
wurde unerträglich. Vater und Sohn wechselten vorsichtige Blicke und
warteten.
Endlich legte Cherubini den Brief aus der Hand, stand auf und sagte:
„Monsieurs, eine Aufnahme in das Konservatorium ist nur Franzosen
möglich. Kein noch so wohlwollendes Empfehlungsschreiben vermag
an dem Reglement etwas zu ändern, das Ausländern das Studium an
unserem Haus ausdrücklich verbietet.“
Adam Liszt bewahrte Haltung, dennoch klangen seine Worte flehentlich,
als er auf eine Ausnahme drang. Franzl war fassungslos und seine
gestammelten Worte nahm Cherubini kaum wahr. Er berief sich darauf,
dass ihm die Hände gebunden seien und wünschte den beiden einen
guten Tag.
Die Kälte des Dezembertages umfing Franzl, als wäre sie die Fortsetzung
dessen, was sich gerade im Innern des Konservatoriums abgespielt
hatte. War er vordem noch wie in einem Rausch gewesen, so fühlte er
nun die Ernüchterung mit einer Wucht, die ihm unbekannt war. Was sollte
er jetzt noch in dieser blendenden Stadt, jetzt, da alles verloren war?
Adam Liszt versuchte, seinen Sohn auf dem Rückweg mit tröstenden
Worten aufzurichten. Doch er empfand die Ablehnung, die sie erfahren
hatten, ebenso so enttäuschend wie schmerzlich und so hatten seine
Worte kaum das nötige Gewicht, um Franzl neuen Mut zu machen. Im
Moment sah er ja selbst keinen Ausweg.
Anna
Liszt konnte ihren beiden Lieben das Ergebnis der Unterredung ansehen >>>
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