Franz Liszt Leben
Nur wenige Tage nach Franzls zwölftem
Geburtstag reiste die Familie
weiter nach Augsburg. Adam Liszt hatte von München aus bereits alle
Vorbereitungen für die dortigen Konzerte getroffen und es blieb dem
Jungen nicht viel Zeit zum Ausruhen. In den zwei Wochen, die sie in
Augsburg verbrachten, überschlugen sich die Zuschauer und die
Zeitungen vor Begeisterung. In Stuttgart war es nicht anders.
Vater Liszt schrieb wieder an Czerny und listete in seiner gewohnten
Beamtengenauigkeit auf, was an Einnahmen aus den Konzerten
den Ausgaben an Fuhrlohn, Kost und Wein gegenüber stand. Nach
Aufrechnung aller Kosten war er doch recht zufrieden mit dem, was
Franz Liszt eingespielt hatte.
Nachdem die Familie in Straßburg noch einen sehr kurzen
Konzertaufenhalt eingelegt hatte, ging es nun endlich weiter nach
Paris. Wäre die Fahrt in der Kutsche nicht so anstrengend und wären
die Wege nicht so uneben gewesen, dann hätte Franzl diese Reise
vielleicht auch so wunderbar gefunden wie sein Vater. So aber war er
froh, als sie endlich am 11. Dezember, einem grauen Wintertag, in Paris
angekommen waren.
In Paris war Ludwig der XVIII. seit sieben Jahren wieder auf dem Thron.
Napoleon war 1821 in der Verbannung auf St. Helena gestorben. Der
Monarch hatte seit seinem erneuten Amtsantritt die Senatsverfassung
seiner Dynastie angepasst. Das ultraroyalistische Parlament hatte er
1816 abgesetzt und glaubte, seine Dynastie dadurch aufrecht erhalten
zu können. Die Epoche der Aufklärung hatte jedoch in den Köpfen der
Menschen Denkanstöße gesetzt, die unterschwellig loderten. Noch aber
regierte der König. Er war 1818 der Heiligen Allianz beigetreten, die
ihn
1823 beauftragte, Truppen nach Spanien zu senden, um die Revolution
niederzuschlagen und Ferdinand VII. wieder auf den Thron zu setzen.
Republikanische und liberale Anschauungen wurden überall in Europa
zurückgedrängt. Eine absolutistische Herrschaft machte freiheitliches
Gedankengut in der Politik, der Wissenschaft und der Kunst unmöglich.
Gerade deshalb zogen immer mehr revolutionäre Wolken am politischen
Himmel auf, die sich zu einem Gewitter formierten und deren Ausbruch
nur noch eine Frage der Zeit sein konnte.
Der Schriftsteller Victor Hugo trat mit ersten Werken erfolgreich an
die Öffentlichkeit, Alexandre Dumas, noch völlig unbekannt, lebte seit
einem Jahr in Paris, Anton Reicha war 1808 in Frankreichs Hauptstadt
übergesiedelt, hatte sehr beachtliche Erfolge mit seinen Kompositionen
erzielt und war einer der namhaften Dozenten am Konservatorium. Die
Stadt war um Umbruch. Seit 1806 baute man am Arc de Triomphe,
dessen ursprüngliche Bedeutung sich längst überlebt hatte. Die ersten
prachtvollen und mit Bäumen flankierten Straßenzüge entstanden. Und
obwohl man in den eleganten Salons nichts von einer Veränderung
spüren wollte und Künstler dort noch wie dienendes Personal behandelt
wurden, war das vermögende Bildungsbürgertum auf dem Vormarsch.
In Europa hatte die Stadt an der Seine einen glänzenden Ruf. Sie
war trotz der Herrschaft Ludwigs XVIII. eine Hoffnungsträgerin für die
Verwirklichung freiheitlicher Bestrebungen.
Das Hotel d’Angleterre in der Rue du Mail, Nummer 10, gehörte zu
den angesehensten Herbergen. Es lag am rechten Seine-Ufer inmitten
der Stadt, unweit der Comédie Française. Die Straße war nicht sehr
breit, sie wirkte fast ein wenig eng angesichts der stattlichen Häuser.
Franzl schaute sich um und folgte dann den Eltern, die bereits ins Haus
gegangen waren. „Schau’, Franzl“, rief der Vater den Jungen herbei
und zeigte deutlich, dass er stolz war, in so einer Wohnung logieren
zu können. „Diese beiden Kabinette, die zur Hofseite hin liegen und
diese zwei herrlichen zur Gasse gelegenen Räume werden unser erstes
Zuhause hier sein.“
Anna
Liszt lächelte und sagte >>>
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