Franz Liszt Leben

Kaiser Franz I. machte sich nicht viel aus der Kunst. Er hatte andere Dinge im Kopf. Sein Land war in einer miserablen Lage. Die Staatskassen waren leer. Erst wenige Jahre waren seit der Niederlage Napoleons, dem Wiener Kongress und der territorialen Neuordnung vergangen. Wien war zum Zentrum neureichen Großbürgertums geworden. Das Wiener Leben schwappte förmlich über. Fürst von Metternich, der Kanzler, ließ die Bevölkerung ausspionieren. Alles wurde streng überwacht. Doch gegen die Stimmung, die einem steten Feiern gleichkam, konnte das nichts ausrichten. Es herrschte Frieden, das war ausschlaggebend. Wien war die Stadt der Musik, war ein Brennpunkt künstlerischen Schaffens. Sie war die Stadt Beethovens, dessen Ruhm sich längst über ganz Europa verbreitet hatte, war die Stadt Franz Schuberts, der unweit von Mariahilf aus dem Vorort Himmelpfortgrund stammte und sie war die Stadt Haydns, der nahe der Stiftergasse ein Haus bewohnt hatte, allerdings dreizehn Jahre vor dem Eintreffen der Familie Liszt gestorben war. Sein Name war dennoch allgegenwärtig, ebenso wie der Name Mozart, mit dem Haydn eine enge Freundschaft verbunden hatte. Viele bedeutende Künstler waren in Wien und machten von sich reden. In den Häusern wohlhabender Bürger wurde allabendlich musiziert. Hausmusik erfreute sich größter Beliebtheit. Wien – das waren prächtige Häuser und Paläste, wundervolle Parkanlagen, beeindruckende Kirchen. Eine glanzvolle Atmosphäre, gepaart mit morbider Beschaulichkeit und biederem Wohlbehagen, lag über der Stadt an der Donau. Als Franzl die Augen aufschlug, war es schon später Vormittag. Er hörte Fuhrwerke über holpriges Pflaster rumpeln, hörte den Hufschlag der Pferde. Die Vögel, die im Garten gesungen hatten und deren Zwitschern ihn sanft aus dem Schlaf holte, waren wohl in Raiding zurückgeblieben. Der Vater war bereits im Morgengrauen nach Wien gegangen. Die Mutter war dabei, das Reisegepäck auszupacken und zu ordnen, es in Schränken und Kommoden unterzubringen. Franzl hörte sie im Nebenzimmer hantieren. Sie, die sich lange, bevor sie Adam Liszt kennengelernt hatte, in Wien als Hausmädchen ihren Lebensunterhalt verdient hatte, verstand es, einen Haushalt gut zu führen und schreckte vor keiner Arbeit zurück. Sie war damals in einem guten Hause gewesen und hatte auch die Gepflogenheiten der Etikette, Tischmanieren und dergleichen gelernt. Ihre Dienstherrin gab oft Gesellschaften und Anna konnte ihr viel abschauen, wenn diese sich als Gastgeberin präsentierte. Ihren eigenen Haushalt meisterte sie längst stilvoll und mit großer Umsicht. Es war ihr zur Gewohnheit geworden, stets alles sorgfältig instand zu haben und gegebenenfalls ohne Hilfe auszukommen. In Raiding war das etwas einfacher gewesen. Aber hier in Wien stand sie zunächst allein mit allem, doch ihr Adam hatte versprochen, dass sie es leichter haben würde, sobald Franzls Ausbildung gesichert war und erste Erfolge Früchte trügen.  

Franzl stand auf, öffnete das Fenster und sah hinaus >>>

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