Franz Liszt Leben
Franzl stand auf, öffnete das Fenster und sah
hinaus. Die Frühlingssonne
schien und am Himmel zeigte sich keine Wolke. Was für ein schöner
Tag, dachte er und wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als ihn
ein dumpfer Laut zurückhielt. Franzl lauschte fasziniert. Eine Glocke
und
wie wunderschön ihr Klang war! Der Ton war ein wenig melancholisch.
Es ging kein Wind, der das Geläut an sein Ohr hätte tragen können. Die
Kirche musste also in der Nähe sein. Er schaute aus dem Fenster, sah
aber nichts, nur die Gasse und die Häuser, die größer waren, als die,
die
er aus seinem Dorf kannte. Ach, wie schön würde dort jetzt der Garten
aussehen. Nur ein kleiner Hauch Wehmut war es, der ihn umfing, dann
flitzte er aus dem Zimmer und fand seine Mutter beim Wäschesortieren.
„Guten Morgen, Franzlchen!“ Sie nahm ihren Sohn liebevoll in die Arme
und fragte sogleich besorgt: „Junge, was ist denn mit Dir?“ Der Bub
lachte verschmitzt, legte der Mutter den Finger auf den Mund, tat sehr
geheimnisvoll, nahm sie an die Hand und zog sie mit sich in sein Zimmer.
Dort schob er sie sacht zum offenen Fenster und wartete. Anna Liszt
stutzte einen Moment, dann hatte sie verstanden. Das Glockenläuten
war es, das ihren Sohn so entzückte. Sie strich ihm über den Kopf und
sagte: „Morgen, Franzl, morgen gehen wir zur Messe.“ Sie schloss das
Fenster. „Du darfst Dich nicht erkälten und jetzt komm’, du musst etwas
essen.“
Der Junge folgte ihr und während er aß, gingen seine Gedanken zurück
nach Raiding. Das Bild sonniger Tage und das zarte Glöckchen, das
er von der kleinen Kirche in Unterfrauenhaid, in der er getauft worden
war, so gern hörte, waren ihm in den Sinn gekommen. Aber es war kein
Heimweh, das er fühlte. Es war die Freude darüber, dass außerhalb der
dörflichen Enge noch schönere Glocken läuteten und dass es wohl noch
viel größere Kirchen gab, in denen der Glaube ein Zuhause hatte. Den
ganzen Tag verbrachte er in der Vorfreude, dass er schon morgen die
Kirche kennenlernen sollte, deren Glockenton so melancholisch klang.
Es war schon dunkel, als der Vater endlich aus Wien zurückkam. Er war
erschöpft. Auf die Bequemlichkeit eines Fiakers hatte er aus Sparsamkeit
verzichtet. Dennoch sah er ganz zufrieden aus. Am nächsten Tag würde
er seinen Sohn zu Carl Czerny, dem besten Klavierlehrer Wiens, bringen.
Franzl schlief in dieser Nacht lange nicht ein. Er dachte an die Kirche,
dachte an den neuen Klavierlehrer und war sehr gespannt auf das neue
Leben, das in Wien für ihn beginnen sollte.
Als
am Morgen die Glocken zur Heiligen Messe läuteten >>>
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