Franz Liszt Leben

Als am Morgen die Glocken zur Heiligen Messe läuteten, hatten Franzl und seine Eltern schon die Wohnung verlassen. Am Ende der Stiftgasse wandten sie sich erst der Stiftkirche, dann der St. Josef-Kirche zu, aber Franzl bestand darauf, weiterzugehen. Er wollte unbedingt zu dem Gotteshaus, dessen Läuten er tags zuvor gehört hatte. Und das war keinesfalls das Läuten gewesen, das von diesen beiden Kirchen ertönte. Die Mutter war ein wenig ratlos, ließ sich aber, ebenso wie der Vater, darauf ein, weiterzugehen. Unter keinen Umständen hätte Vater Liszt seinem Sohn heute diesen Wunsch versagt. Immerhin hatten sie nach der Messe noch den Weg nach Wien vor sich, um bei Czerny vorzusprechen. Da sollte Franzl guten Sinnes und vor allem innerlich gestärkt auftreten. An der Ecke der Barnabitergasse standen sie endlich vor der Mariehilfer Kirche. Ja, das war die Glocke! Franz Liszt erkannte sie sofort wieder. Sie musste in A gestimmt sein und ihr Oberton war gewiss eine Septime, dachte er und strahlte seine Mutter an. Zu sagen vermochte er nichts, denn beim Betreten des Innenraumes hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er war überwältigt von der Pracht, die ihn umfing. Das hohe Mittelschiff ließ ihn sich erdrückend klein fühlen. Aber das war der Mensch wohl von Natur aus angesichts göttlicher Größe, dachte er. Und dann das Gnadenbild „Maria Hülf“! Es war in einer leuchtenden Monstranz untergebracht und beherrschte in seiner ganzen Schönheit den gewaltigen Raum. Franzl konnte sich gar nicht satt sehen an all der Kostbarkeit. Das war etwas anderes als die kleine Kirche, die er gekannt hatte und in der die schmückenden Elemente eher bescheiden wirkten. Hier war alles groß, das Gebäude, die herrliche Glocke und ganz sicher auch der Glaube, der hier in soviel Herrlichkeit einen äußeren Rahmen hatte. Als dann die Orgel erklang, fühlte er das Unaussprechliche, das Mystische wieder in sich hochsteigen, wofür er keine Worte hatte und das ihn doch deutlich spüren ließ, dass er in diese religiöse Welt gehörte, gehören wollte. Er betete inbrünstig und voller Verzückung. Carl Czerny wohnte in der Krugerstraße. In einem vornehmen Patrizierhaus, das seinen Eltern gehörte, hatte er sich in der zweiten Etage eine schöne, aber schlichte Wohnung eingerichtet. Er empfing Adam Liszt und dessen Sohn in der ihm eigenen freundlichen und liebenswürdigen Art. Sein Blick, mit dem er durch die kleine runde Brille auf den Neuankömmling schaute, war sanft. Czerny war fast zweiunddreißig Jahre alt und er hatte es bereits zu ansehnlichem Ruhm gebracht. Er war ein ausgezeichneter Pianist, unterrichtete mit großem Engagement, gab allerdings selten und nicht allzu gern Konzerte. Sein Lehrer war Beethoven gewesen, doch auch von Hummel, dessen Honorarforderungen das Budget des alten Liszt überstiegen hatten, war ihm Unterricht zuteil geworden. Beethoven, dem Meister, galt Czernys ganz besondere Verehrung und den freundschaftlichen Kontakt zu ihm hielt er unvermindert aufrecht.   

Mit einem aufmunternden Lächeln begrüßte Czerny den kleinen Franz >>>

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