Franz Liszt Leben
In erstaunlicher Geschwindigkeit lernte der Junge
Noten zu lesen. Sein
Gedächtnis und seine Wissbegierde waren beeindruckend. Er konnte
bald die verschiedensten Stücke A prima vista spielen. Das ging ihm
locker von der Hand und er spielte fehlerfrei. Die Anmerkungen zu
den Noten musste ihm der Vater vorlesen, denn Buchstaben waren
Franzl noch nicht geläufig. Er machte sehr schnell Fortschritte, saß
viele Stunden am Klavier und war auch ohne des Vaters Aufsicht emsig
mit dem Instrument beschäftigt. Die Mutter musste ihn manches Mal
drängen, eine Pause zu machen. Sie war stets besorgt wegen der
schwachen Natur ihres Jungen und sehr darauf bedacht, dass er sich
nicht überanstrengte. Doch Franzl war glücklich, wenn er Klavierspielen
konnte. Es gefiel ihm auch zu sehen, dass er ganz offensichtlich dem
Vater eine Freude machte.
Ebenso gern wie er musizierte, ging er in die kleine Dorfkirche. Er
liebte
das Läuten der Glocken, die feierliche Atmosphäre, in der an Sonntagen
die Gottesdienste gefeiert wurden. Seine Mutter betrachtete die Welt
in tiefer, gütiger Frömmigkeit. Bei den gemeinsamen Kirchgängen mit
den Eltern fühlte sich Franz besonders ihr sehr nahe. Der Geruch von
Weihrauch, der das dämmerige Gotteshaus ausfüllte, die respektvolle
Hingabe der Gläubigen machten auf ihn einen gewaltigen Eindruck.
Das Geheimnisvolle, das Mystische, das er während der Andachten
empfand, übte eine große Anziehungskraft auf ihn aus. Eines Tages
wollte er Priester werden. Das stand für ihn fest. Von diesem Traum
sprach er allerdings zu niemandem. Doch so ernsthaft wie der Vater die
Musik in seinem Sohn nach bestem Wissen förderte, war dessen Weg
längst vorgezeichnet.
In der Dorfschule lernte Franzl in seinem siebenten Jahr lesen,
schreiben
und rechnen. Johann Rohrer, der oft mit Adam Liszt zusammen war,
lobte den Fleiß und die schnelle Auffassungsgabe des Jungen. Dennoch
fand der wichtigste Unterricht nach wie vor zu Hause beim Vater statt.
Schon den ganzen Nachmittag saß Franzl wieder am Klavier. Er übte
nicht, wie ihn der Vater geheißen hatte. Er spielte und improvisierte.
Es
war für ihn eine riesige Freude, mit den Noten zu machen, was er wollte,
seinem eigenen Gefühl nachzugeben und eine neue Musik entstehen zu
lassen. Der Vater würde staunen, freute er sich.
Am Abend, als Liszt nach Hause kam, hörte er den Sohn schon von
draußen spielen. Fast war es ihm unheimlich. Der Sohn verstand längst
besser zu musizieren, als er selbst es je gekonnt hatte. Er öffnete
leise
die Tür, Franzl bemerkte ihn nicht. Er hatte ein leeres Notenblatt vor
sich,
erfand Musik, eine, die ganz aus seinem Gefühl erwuchs. Er schrieb,
er spielte einzelne Tonfolgen, er schrieb wieder. Eine kleine Sonate
entstand. Der Vater schloss unbemerkt die Tür, überließ den Sohn
seinem Tun. Das trug Franzl also auch in sich. Er selbst hatte das Te
Deum für den Fürsten sehr bedacht erarbeitet. Aber sein Junge schrieb
einfach auf, was er fühlte. Die musiktheoretischen Belange waren ihm
dabei nicht wichtig, er kannte sie ja noch kaum.
Was
könnte alles aus ihm werden, wenn er bessere Lehrer....
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