Heinrich Heine
Obwohl er zeitlich zur Biedermeier-Epoche gerechnet
werden müsste, die zwischen dem Ende der
Napoleonischen Ära und der Revolution von 1848 lag,
stand der deutsche Dichter Heinrich Heine der für
diese Zeit sprichwörtlich gewordenen „biedermeierlichen“
Geisteshaltung von unpolitischer Innerlichkeit,
romantisierender Rückwärtsgerichtetheit und
einengender Moralität überaus kritisch gegenüber.
Sein Werk ist durch meisterliche Beherrschung der
Ausdrucksmöglichkeiten deutscher Sprache,
antinationalistischem Patriotismus und lebenslangem
Kampf gegen geistige Rückständigkeit und politische
Unterdrückung geprägt.
Der erst im 20. Jahrhundert als einer der
bedeutendsten deutschen Dichter anerkannte Heinrich
Heine wurde in der zur Kurpfalz gehörenden
herzoglich-bergischen Residenzstadt Düsseldorf,
höchstwahrscheinlich am
13. Dezember 1797, als „Harry Heine“
geboren. Harry Heine war der älteste Sohn des
jüdisch-assimilierten, wenig erfolgreichen
Tuchhändlers Samson Heine (1764–1829) und dessen
Frau Betty Heine (geb. van Geldern, 1770–1859).
Heine besuchte in Düsseldorf vier Jahre das Lyzeum,
das er 1814 ohne Abschluss verließ, um sich auf den
ihm vom Vater vorgegebenen Kaufmannsberuf
vorzubereiten. In seiner Jugend war Heine Zeitzeuge
des Einzugs von Napoleon in
Düsseldorf (1811), das
von 1806 bis 1813 als Hauptstadt des napoleonischen
Nebenstaats Großherzogtum Berg, in dem Juden und
Nichtjuden rechtlich gleichgestellt waren,
fungierte.
1814/15 absolvierte Heine ein Bank-Volontariat in
Frankfurt /M. und wurde in dieser Zeit mit den ihm
vorher unbekannten Verhältnissen von Juden in
Ghetto-Situationen konfrontiert. Heine setzte seine
kaufmännische Ausbildung, die ihm verhasst war, beim
reichen Onkel Salomon Heine (1767-1844) in Hamburg
fort. Salomon Heine richtete seinem Neffen ein
Tuchgeschäft („Harry Heine & Comp.“) ein, das aber
nach kurzer Zeit 1819 Konkurs ging, weil sich Heine
mehr mit dem Dichten als mit dem Tuchmessen
beschäftigte. Salomon Heine erkannte, dass sein
Neffe für den Kaufmannsberuf untauglich war. Eine
unglückliche Liebe Heines zur Kusine Amalie festigte
Heines Entschluss, Hamburg zu verlassen. Mit
finanzieller Unterstützung seines Onkels studierte
Heine zunächst in Bonn (1819/20) und dann in
Göttingen. Offiziell war Heine für Kameral- und
Rechtswissenschaft eingeschrieben, tatsächlich hörte
er aber vornehmlich Germanistik-Vorlesungen.
Göttingen musste Heine bereits 1820 wieder
verlassen, weil er wegen eines Duells - Heine war
von einem Studenten wegen seines Judenseins
beleidigt worden - von der Universität relegiert
wurde. Heine wechselte an die Universität nach
Berlin (1821–1823) und fand dort rasch Anschluss an
literarische Kreise. Heine, der als Kind begonnen
hatte, Gedichte zu schreiben, veröffentlichte 1821
mit „Gedichte“ das erste von insgesamt 22 Büchern.
1824 kehrte Heine an die Universität Göttingen
zurück und schaffte dort 1825 seine Promotion zum
Doktor der Rechte.
Um in der antisemitischen Gesellschaft besser Fuß
fassen zu können, trat der areligiöse Heine 1825 zum
Protestantismus über und nannte sich nach seiner
Taufe „Christian Johan Heinrich“. Dennoch sah er
sich auch als getaufter Jude ständig antijüdischen
Diskriminierungen und Witzeleien ausgesetzt, denen
er sich, oft polemisch und scharfzüngig,
widersetzte. Pläne, sich in Hamburg als Anwalt oder
Ratssyndikus zu etablieren, scheiterten. Ebenso ein
Versuch, eine Professur in München zu erlangen.
Nachdem Heine 1829 für sich erkannt hatte, dass ihm
eine bürgerliche Juristen-Karriere wahrscheinlich
verwehrt bleiben würde, entschloss er sich,
hauptberuflich als freier Autor und
Zeitungsredakteur zu leben. Heine konnte damals
bereits auf einige literarische Erfolge verweisen:
Der 1824 erschienene, Heines berühmtestes Gedicht
(„Die Lorelei“) beinhaltende Lyrik-Band
„Dreiunddreißig Gedichte“ sowie sein „Buch der
Lieder“ (1827) hatten den Zeitgeist vieler Leser
getroffen. Viele seiner Gedichte wurden von
Schumann, Schubert, Brahms und anderen Komponisten
vertont. Der „entlaufene Romantiker“ Heine baute
echte Gefühle, gespielte Sentimentalität und fein
durchblitzende Ironie in sein lyrisches Werk ein.
Besonders gelungen: „Ich stand in dunklen Träumen“,
„Ein Fichtenbaum“ und „Hör ich das Liedchen
klingen“. Heine schuf damit Zentralwerke eines
Genres, das als „Deutsches romantisches Lied“ im
nichtdeutschsprachigen Ausland als Fremdwort Eingang
in den Begriffskatalog der Literaturgeschichte fand.
Mit dem ersten Teil seiner „Reisebilder“, dem Band
„Harzreise“ (1826), konnte Heine seine Popularität
festigen.
Beeindruckt von der französischen Juli-Revolution
1830 entstand in den Reihen junger deutscher
Literaten das Bedürfnis, einen direkten Kontakt der
deutschen Literatur mit dem realen politischen und
sozialen Leben zu forcieren.
Heinrich Heine stellte die These auf: „Jetzt gilt es
die höchsten Interessen des Lebens selbst, die
Revolution tritt in die Literatur!“ Die Anhänger
dieser These wie Heine, Börne, Mundt, Laube,
Wienbarg, Herwegh und Gutzkow gingen als Gruppe
„Junges Deutschland“ in die Geschichte ein.
Auf Antrag des österreichischen Gesandten am
Deutschen Bundestag, der Zentralinstitution des
Deutschen Bundes (1815-1866), die Tätigkeit der
Gruppe „Junges Deutschland“ als „Antichristlich,
gotteslästerlich und alle Sitte, Scham und
Ehrbarkeit mit Füßen tretend“ zu unterbinden, wurden
Heines Werke scharf zensiert.
1831 ging Heine von den politischen Verhältnissen in
Deutschland angewidert nach Paris. Hier arbeitete er
vor allem als politischer Feuilletonist.
Insbesondere seine Artikelserie „Französische
Zustände“ (1832)
sorgte für Aufsehen. Ab 1833 waren
Heines Werke fast überall in den deutschen Ländern
verboten.
1841 heiratete Heine die bodenständige
Ex-Schuhverkäuferin Augustine „Mathilde“ Crescence
Mirat (1816-1883), mit der er seit etwa 1834
zusammengelebt hatte und mit der er eine turbulente,
kinderlos bleibende Ehe verbrachte.
Ein Ausdruck seiner ambivalenten Haltung zu
Deutschland als zugleich sehnsuchtsvoll aus der
Ferne geliebten Heimat wie gehassten Standort
polizeistaatlicher Unterdrückung war das 1843
erstmals veröffentlichte, virtuos in reimlosen
Vierzeilern aufs Papier gebrachte Versepos „Atta
Troll. Ein Sommernachtstraum“. Als Archetypus der
deutschen politischen und dichterischen Szene erfand
Heine dafür den ernsthaften, langweiligen, gläubigen
und romantischen „Tendenzpoesie“ schreibenden,
scheiternd durchs Leben taumelnden Tanzbär Atta
Troll. Ebenfalls 1843 schrieb der Dichter mit
„Nachgedanken“ („Denk ich an Deutschland in der
Nacht“) sein wohl bekanntestes politisches
Lyrikstück.
Bitter-ironisch ging Heine ein Jahr später auch bei
der Verssatire „Deutschland. Ein Wintermärchen“ vor.
Heine verarbeitete darin Eindrücke seiner ersten
Deutschland-Reise nach 13 Jahren Frankreich-Exil.
Heine war im Winter 1842 bei Aachen inkognito
eingereist und über Köln, Hagen, Teutoburger Wald,
Paderborn, Minden nach Hamburg gefahren. In seinem
„Wintermärchen“ schlug sich sein Zorn über deutsche
Zensur und Kontrolle, über Mittelalter-Kitsch,
Militärverliebtheit, Burschenschaftler-Dumpfheit und
Franzosenhass nieder.
Mit dem Scheitern der Revolutionen von 1848 in
Frankreich und Deutschland gab Heine die Hoffnung
auf eine , grundlegende Änderung der politischen
Verhältnisse auf. Im selben Jahr zwang ihn eine
Rückenmarkserkrankung, die Heine selbst,
wahrscheinlich irrigerweise, für Syphilis hielt, für
seine letzen acht Lebensjahre dauerhaft ins von ihm
als „Matratzengruft“ bezeichnete Krankenbett. Der
auch noch auf dem Krankenlager äußerst produktive
Heine, der zeitlebens den Eindruck vermittelt hatte,
vor dem finanziellen Abgrund zu stehen, hat in
seinen Pariser Jahren in der Regel erhebliche
Einnahmen gehabt.
Am 17. Februar 1856 starb Heinrich Heine. Er wurde
auf dem Friedhof Montmartre beigesetzt. Mit seinem
Nachruhm hat es sich das offizielle Deutschland
lange sehr schwer getan. Noch in der Zeit vor dem
Zweiten Weltkrieg wurde zwar Heines „Lorelei“ in die
Schulbücher aufgenommen, allerdings mit der
Bemerkung „Verfasser unbekannt“.