Frédéric Mistral Lebenslauf

Der Südfranzose Joseph-Étienne-Frédéric Mistral wurde 1904 nach Prudhomme, Mommsen und Björnson zusammen mit dem im selben Jahr ebenfalls geehrten Spanier José Echegaray y Eizaguirre (1831 -1916) der vierte Nobelpreisträger für Literatur. Mistral bekam diese hohe Auszeichnung unter anderem in Anerkennung für seine herausragenden Anstrengungen, die provenzalische Sprache als Medium der Literatur wieder zu beleben.
Mistral war am 8. September 1830 in dem knapp zwanzig Kilometer südlich von Avignon in der historischen Region Provence gelegenen Dorf Maillane als Sohn eines wohlhabenden und studierten Landbesitzers geboren worden. Seine Eltern, Adelaide Mistral (geb. Poulinet) und François Mistral, gehörten alteingesessenen und angesehenen Familien an. Der kleine Frédéric (provenzalisch: „Frederi“) wuchs überaus behütet auf. Erst mit neun Jahren ging er auf eine Schule. Wie sein Vater wandte er sich dem Jura-Studium zu und studierte von 1848 bis 1851 bis zum erfolgreichen Abschluss in Aix-en-Provence. Mistral schwärmte für die im zentralistischen Frankreich offiziell suspekte Idee einer eigenständigen Provence. Dabei begeisterte er sich, unterstützt von seinen ebenfalls regionalpatriotischen Eltern, insbesondere für die provenzalische Sprache und Literatur, die im 19. Jahrhundert weitgehend vergessen waren. Das als Dialekt zum in Nordspanien und Südfrankreich verbreiteten Okzitanisch gehörende Provençal (Eigenbezeichnung: „Provençau“) galt im Kulturbetrieb Frankreichs als mindere Bauernsprache, der im Gegensatz zum Französischen keine größere kulturelle Bedeutung zugemessen wurde.
1854 gründete Frédéric Mistral in Avignon zusammen mit dem aus Saint-Remy-en-Provence stammenden Dichter Joseph Roumanille (1818 – 1891) und anderen Gesinnungsfreunden die Vereinigung „Félibrige“ (provenzalisch:„Felibritge“). Die Vereinigung setzte sich für eine Renaissance der provenzalischen Kultur und für eine politische Unabhängigkeit oder Autonomie des französischen Südens ein.
Der finanziell unabhängige Mistral, der sich ganz auf sein regionalistisches Engagement konzentrieren konnte, war seit Ende der 1850er Jahre der führende Kopf der Bewegung. Einer der wichtigsten Beiträge der „Félibrige“ war die Herausgabe des von Mistral erstellten Kompendiums „Trésor dóu Félibrige“ (1879 – 1886), eines mehrbändigen Wörterbuchs der provenzalischen Unter-Dialekte.
Weit über die Grenzen seiner engeren Heimat, die er zeitlebens bis auf einem kurzen Aufenthalt in Paris nie verließ, wurde Mistral durch seine in Provenzalisch verfasste Lyrik bekannt. In Werken, denen Kritiker expressive, geradezu alttestamentarische Wucht zuschrieben, stand er für eine eigenständige Regionalliteratur. 1859 brachte er das häufig als sein Hauptwerk bezeichnete Epos „Mirèio“ heraus. In zwölf Gesängen schilderte Mistral den Kampf eines Mädchens aus reicher Bauernfamilie um ihre Liebe zu einem armen Handwerker. Das Werk wurde ein großer Erfolg und verschaffte Mistral zahlreiche Auszeichnungen. Ebenfalls von erheblicher literarischer Bedeutung war die Veröffentlichung von Mistrals an antike Vorbilder anknüpfende Heldenverssaga „Calendau“ (1867).
Der seit 1876 mit der fast zwanzig Jahre jüngeren Marie Aimée Rivière (1857 – 1943) verheiratete Mistral hat wesentlich dazu beigetragen, das Provenzalische vom Ruch des Minderwertigen zu befreien. Seine politischen Ambitionen waren dagegen nicht von Erfolgen gekrönt. Eine gewisse Enttäuschung über die allgemeine politische Entwicklung in Frankreich und in Europa kam im 1897 erschienenen, von Pessimismus bestimmten Gedichts-Zyklus „Pouèmo dóu Rose“ zum Ausdruck.
Mistral stiftete das Preisgeld, das er 1904 als Nobelpreisträger erhalten hatte, für den Ausbau des „Museon Arlaten“, einer von ihm 1896 ins Leben gerufenen Sammlung für provencalische Ethnographie in Arles.
Am 25. März 1914 starb Mistral in seinem Geburtsort. In Maillane wurde er auch beigesetzt. 1945 tauchte der Name „Mistral“ zum zweiten Mal auf der Liste der Literatur-Nobelpreisträger auf: Die Chilenin Gabriela Mistral (1889 – 1957) war aber nicht mit Frédéric Mistral verwandt.
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n.n.v.