Die Mode des 9. Jahrhunderts
Mode von 800 bis 899 - Karl der Große und die erste
Kleiderordnung
Die Kleidung der Menschen des 9. Jahrhunderts war
noch von sehr einfacher Art. Das betraf nicht nur
den Schnitt, sondern vor allem die Materialien. Zwar
kannte man edle Stoffe, benutzte für den heimischen
Gebrauch aber fast ausschließlich Leinen, Pelze,
Tierhäute und Wolle. Seide bildete eine Ausnahme und
wurde nur von höher gestellten Personen getragen und
selbst das nur selten, um nicht „ausländisch“ zu
wirken. Da es im Abendland, also im Europa der
Karolingerzeit, keine Seide und ähnlich edle
Materialien gab, war man bei diesen textilen
Ausnahmen auf Geschenke und/oder Kriegsbeute
angewiesen.
Mode, so wie wir sie heute verstehen, gab es noch
nicht, wohl aber Nachahmungen, die teilweise zu
närrischem Aussehen führten. Lediglich gemalte
Darstellungen geben heute Aufschluss, welche
Kleidung
die Menschen in jener Zeit trugen. Die
Abbildungen der Zeitgenossen stellen meist
Herrscher dar, an denen eine historische
Orientierung immerhin bedingt möglich ist. Im 9.
Jahrhundert waren es vor allem die Karolinger im
westgermanischen Raum, von deren Art, sich zu
kleiden, auch archäologische Ausgrabungen
zeugen. Rekonstruktionen aus der Zeit von Karl
dem Großen geben Hinweise. Das Jahrhundert ab
dem Jahr 800 war in Sachen Kleidung eine
Weiterentwicklung der römischen Mode. In der
Männerkleidung dominierten sogenannte
Ärmelröcke. Diese hatten im oberen Teil ein
Loch, durch das das Kleidungsstück über den Kopf
angezogen werden konnte. Es war meist knielang,
mitunter auch ein wenig kürzer. Entscheidend
war, bei welcher Tätigkeit die Kleidung getragen
wurde. Der Ärmelrock war mit einem schlichten
Band aus Leder oder Hanfseil gegürtet, so dass
er nicht lose am Körper hing und bei
handwerklichen Arbeiten störte. Die Ärmel waren
ungefähr dreiviertellang. Je nach Jahreszeit und
Anlass trugen die Männer darüber einen
mantelähnlichen Umhang oder ein Wams, das aus
Pelz oder auch aus Leder gefertigt war. Es
konnte auch ein schlichtes Seil sein, wie es
Mönche für ihre Kutten benutzten.
Nun bestimmte Karl der Große (747 oder 748 bis
814) zwar die Politik im Fränkischen Reich,
führte etliche Kriege, aber er war seinen
Untertanen kein Modevorbild, dem sie
nacheiferten. Er sorgte allerdings dafür, dass
man den gesellschaftlichen Status an der
Kleidung erkannte. Von ihm stammte die erste
Kleiderordnung, die eigentlich ein
Aufwandsgesetz war. Darin war festgelegt, was
die einzelnen Stände für ihre Kleidung ausgeben
durften. Auch sonst war ihnen durch diese
Verordnung angewiesen worden, was sie zu tragen
hatten, um nicht den Zorn der Obrigkeiten auf
sich zu ziehen. Die Kapitularien des Kaisers –
Karl der Große war inzwischen zum Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches aufgestiegen – legten
noch keine genauen Regeln fest, hatten aber
durchaus Einfluss auf die Bekleidung, besonders
auf die der einfachen Bevölkerung.
Eines war schon im 9. Jahrhundert deutlich
sichtbar, nämlich der Unterschied zwischen der
Geistlichkeit, den Herrschenden und den Bauern
und Handwerkern, wobei die Länge des Ärmelrocks
der Handwerker entsprechend der jeweiligen
Tätigkeit angepasst war. Dieses Kleidungsstück
war meist aus einem Stück gefertigt. Selten
waren die Ärmel angesetzt. Auf einen Umhang
wurde oft verzichtet. Nur in der kalten
Jahreszeit trugen auch die einfachen Leute einen
Umhang über ihrem Rock. Dieser war aus Leinen
auch aus Nessel (ein ungefärbtes und
unbehandeltes Gewebe, das aus den Fasern von
Brennnesseln hergestellt wurde) gemacht. Die Umhänge
des Kaisers waren hingegen aus feinem Schafspelz
gearbeitet oder aus den Fellen anderer Tiere. Die
Umhänge wurden am vorderen Hals geschlossen,
ansonsten hingen sie lose am Körper herab. Die Beine
wurden mit hosenähnlichen sogenannten Beinlingen
bekleidet, mitunter auch nur mit Stoff umwickelt und
mit einem Band zusammengehalten, das mehrfach um den
Stoff gewunden wurde. Man nannte sie auch
Wadenbinden.
Während der Kaiser selbst nicht viel von
Prachtentfaltung hielt, waren seine Höflinge
durchaus nicht den edlen Materialien abgeneigt.
Deren Kleidung war auch zum Teil auffallend mit
Schmuckborten verziert, die mit Edelmetalldraht
durchwirkt waren.
Die Frauen trugen ebenfalls einen Ärmelrock, der
aber die Beine fast vollständig bedeckte. Es war ein
Vorläufer eines Kleides. Variationen in der Länge
der Ärmel waren möglich. Das weit fallende Gewand
war in Falten gelegt und – wie bei den Männern –
gegürtet. Am Gürtel konnte eine Tasche befestigt
werden. Unter dem Kleid trugen die Frauen ein Hemd,
dessen lange Ärmel aus dem Ärmelrock heraus
schauten. Im Handgelenk waren diese Ärmel zumeist
gerafft. Einen Umhang gab es auch für Frauen, aber
auch einen Kopfschmuck, der teils so groß war, dass
er auch einen Umhang ersetzen konnte. Dieser
Kopf-Umhang oder Schleier war mit einer Art
Stirnband gehalten und fiel bis hinten und auch
seitlich bis an die Höhe der Oberschenkel. Diese
Länge veränderte sich im Laufe der Jahre.
Während schon viele Stoffe, gerade für die
Obrigkeiten, mit Pflanzenfarben verschönt wurden,
durften die „öffentlichen Frauen“, die weder
Bürgerrechte erlangen konnten und auch sonst kaum
Rechte hatten, vor allem die Schandfarbe Gelb
benutzen, die sie für jeden als Hure kenntlich
machte. Auch Rot und Grün waren Farben, die ihnen
vorbehalten waren, obwohl Rot auch in der Garderobe
der höfischen Gesellschaft vorkam.
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