Mode im Mittelalter - Von der Tunika zur Ritterrüstung

Von der Kleidung des Mittelalters sind hauptsächlich bildliche Darstellungen überliefert, die allerdings fast ausschließlich die adelige Garderobe repräsentieren. Von den niederen Ständen gibt es nur spärliche Zeugnisse.
Was heute als mittelalterlich angesehen wird, sind meist nur Bruchstücke der tatsächlichen Mode, die sich immerhin neun Jahrhunderte über das gesamte Mittelalter, vom Früh- Hoch- bis zum Spätmittelalter, erstreckte.
Die gesellschaftliche und modisch-kulturelle Entwicklung in West- und Mitteleuropa wurde weitestgehend vom riesigen Reich der Franken beeinflusst, die am längsten an ihrer keltisch-germanischen Gewandung festhielten. Dazu kamen in der Zeit Karls des Großen, der von 768 bis 814 lebte, deutsche Traditionen, die sich gegen byzantinische und italienische Einflüsse behaupteten. Später war Burgund das modische Zentrum.

Byzantinisch beeinflusst
Zu Beginn der mittelalterlichen Zeit beherrschte noch überall in Europa die byzantinische Kleidung das Äußere der Menschen. Sie war in ihren losen, umhüllenden Formen den römischen Gewändern sehr ähnlich. Diese Kleidung war aus Leinenstoffen gefertigt, die bereits farbige Musterungen aufwiesen. Byzanz besaß das Staatsmonopol auf eine eigene Seidenproduktion. Es wurden kostbare Stoffe hergestellt, die der herrschenden Feudalklasse und den kirchlichen Würdenträgern vorbehalten waren. Der Stil der Gewänder nach byzantinischem Vorbild findet sich noch heute in den liturgischen Roben.
Während das einfache Volk sehr unscheinbar gekleidet war, sich vorrangig in dunkle Wollstoffe hüllte, betrieben Adelige und hohe Beamte einen vergleichsweise maßlosen, textilen Luxus.
Die Männerkleidung bestand meistens aus einer kurz- oder langärmeligen TUNIKA, die bodenlang war und einen weiten Schnitt aufwies. Diese Tunika konnte locker gegürtet sein. Die Franken, deren ausgedehntes Reich modisch die ersten Trends setzte, trugen einen glatten ROCK, der keine derartig weite Schnittform hatte, dessen Saum aber ebenfalls bis zum Boden reichte. Für die Männer war es üblich, den Rock mit einer langen Hose und Beinbinden für die Unterschenkel zu komplettieren. Als Rock wurde übrigens das Obergewand beider Geschlechter bezeichnet. Zum Rock trug Mann einen Mantel in rundem Schnitt, der auf der Brust oder auf der Schulter geschlossen werden konnte, das sogenannte SAGUM. Dieser Mantelüberwurf hatte seinen Ursprung in keltischer Bekleidung und war später von den Germanen und Römern übernommen worden. Das Sagum bestand aus einem groben, langhaarigen Wollstoff. Verschlossen wurde es mit einer Schnalle. Wurde dieses Sagum abgelegt, dann bedeutete das, je nach Gegebenheit, eine Kriegserklärung oder einen Friedensschluss. Bereits damals kündete ein schwarzes Sagum von der Trauer seines Trägers.
Römischen Ursprungs war die PAENULA, ein Überziehmantel, der einen Kopfschlitz und zuweilen auch eine Kapuze hatte. Es gab die Paenula aus sehr einfachem Material, aber auch aus kostbarem Stoff, der von den Reichen als Obergewand getragen wurde.


Die lange Tunika war auch für die Frauen-Bekleidung im frühen Mittelalter charakteristisch. Darüber trugen die Damen meist eine Stola und ein Sagum wie die Männer. Es diente als Mantel.
Während die Männer der betuchten Klasse ihre Häupter mit einer barettartigen Mütze zierten, bestand die Kopfbedeckung der Frauen aus einem Schleier, der im Haar festgemacht wurde und zwar über einem Diadem.
Diese Kleidung, in der sich Männer und Frauen nur durch ihre Haartracht und diversen Schmuck unterschieden, war ausschließlich ein Statussymbol der Reichen. Das einfache Volk hatte am textilen Wohlstand keinen Anteil. Es trug schwer genug an der Last der Abgaben und Schulden.
Die Kleidung der Franken zeigte neben den byzantinischen Einflüssen auch eine Mode, die römische und germanische Elemente in sich trug. Germanische Grundformen wurden in der untersten Bevölkerungsschicht durch Kittel und Hosen sichtbar. Die groben Stoffe waren schmucklos. In der Oberschicht wurden im Laufe der Zeit halblange Hemdkittel modern, die zu einer eng anliegenden Hose getragen wurden. Auf die Kleidung der Frauen nahm in zunehmendem Maße die Kirche Einfluss. Dem Gebot einer sittlichen Verhüllung musste Rechnung getragen werden. Verheiratete Frauen hatten ihr Haar mit Schleiern oder Tüchern zu bedecken.
Im Jahre 808 erließ Karl der Große die erste deutsche Kleiderordnung. Darin war genau festgelegt, wie viel für ein Bekleidungsstück ausgegeben werden durfte. Was getragen wurde, stand noch jedem frei. Einer modischen Entwicklung waren ohnehin Grenzen gesetzt, denn es gab keine weltlichen Zentren mit kulturellem Leben. Die Frauen lebten zurückgezogen und der deutsche Kaiserhof hatte noch keine Residenz, von der aus eine unabhängige Mode hätte entstehen können. Für diese Zeit des Mittelalters muss man von einer gesamteuropäischen Mode sprechen.
In Frankreich zeichnete sich für beide Geschlechter eine Kleidung ab, deren Silhouette den Körper immer mehr betonte. Bei den Frauen wurden seitliche oder Rückenschlitze durch Schnürungen gehalten, um die Figur in Form zu halten. In höfischen Kreisen war der BLIAUD das angesagte Kleidungsstück. Das Material dieses Obergewandes war feine Seide, die mitunter auch aus zweifarbigen Fäden bestand und dadurch besonders edel aussah. Der Bliaud hatte einen Halsausschnitt und enge Ärmel, deren Enden sehr weit geschnitten waren. Nicht selten waren diese Ärmel-Enden mit Pelz gefüttert. Obwohl der Bliaud von beiden Geschlechtern getragen wurde, gibt es Hinweise darauf, dass dieses Kleid bei den Frauen auch aus zwei Teilen bestanden hat, die in der tief liegenden Taille zusammengefügt waren. Diese Naht wurde durch einen Gürtel betont. Der Bliaud für den Mann war immer durchgehend gearbeitet und konnte auch unter einer Rüstung getragen werden. Aus dem Wort Bliaud entwickelte sich in der Neuzeit, um 1800 herum, das französische Wort Blouse für Bluse.
Ein derartiges Obergewand trugen auch die einfachen Frauen, allerdings mit weniger Aufwand an Stoff. Es war auch wesentlich kürzer und wurde zudem hoch geschürzt, um bei der Arbeit nicht hinderlich zu sein. Für die Kopfbedeckung waren, jedenfalls in der Öffentlichkeit, Tücher, schalartige Binden oder Schleier üblich. Adelige Frauen trugen einen Kopfreifen mit edlen Verzierungen.
Die Schnitte der Bekleidung waren in allen Schichten ähnlich. Der wesentliche Unterschied bestand im Material. Zudem waren den Bauern und Handwerkern dunkle Farben und eine minimale Stoffmenge nach dem Gesetz Karls des Großen vorgeschrieben.

Burgundische Mode
Typisch für die Zeit des Hochmittelalters, die nach dem 11. Jahrhundert begann, war die Ritterkleidung. Die Helden der Minnekultur, die Troubadoure, kleideten sich allerdings in eine den Körper betonende Garderobe. Zwar unterschied sich die Frauen- und Männerkleidung noch nicht wesentlich voneinander, aber die verfeinerte Schnittführung und die Abkehr von der römischen Tunika in der Oberbekleidung ließen den Mann feminin erscheinen. Dieses zarte Erscheinungsbild passte zur Poesie der Minnesänger und wurde in dieser Art als männlich empfunden. Eine vertikale, überspitzte Linie wurde zum modischen Ideal.
Burgund war zu jener Zeit ein großes Herzogtum mit einer reichen und hochentwickelten Wirtschaft und Kultur. Die Kleidung des burgundischen Hofes erweckte bei den Adeligen in ganz Europa Interesse. Burgund wurde so zu einem trendigen Maßstab. Von dort stammte auch die für das Mittelalter typischste Kopfbekleidung, die sich heute noch zu Karneval großer Beliebtheit erfreut – der HENNIN. Er ist auch bekannt als die burgundische Haube. Obwohl die spitz nach oben verlaufende Haube, an die ein Schleier angebracht war, der sogenannte Flinder, anfangs nur von anrüchigen, unehrenhaften Damen getragen wurde und von der Kirche angeprangert worden war, fand er dennoch Eingang in die Mode der Reichen. Die Ausstattung des Hennins wurde immer edler und der meist bodenlange Flinder wurde aus erlesenen Stoffen gefertigt. Etwa von 1385 bis 1483 wurde der Hennin in fast ganz Europa getragen. Die Länge der Spitze war unterschiedlich. Kleiderordnungen regelten das präzise. Die Bürgersfrauen durften beispielsweise einen Hennin nur mit Spitzen von 50 bis 60 cm tragen. Bei den einfachen Frauen suchte man den Hennin vergebens. Alternativ zum Hennin konnte auch das GEBENDE getragen werden. Dabei wurden das Kinn, die Ohren und der Oberkopf fest mit einer weißen Binde umschlossen, die dann mit einer Kopfkonsole, dem Schapel, getragen wurde. Für verheiratete Frauen war das Gebende beim Kirchgang Vorschrift.
In der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts hatte sich das Schneiderhandwerk herausgebildet. Die reichen Damen, die vordem selbst genäht und gestickt hatten, konnten nun auswärts arbeiten lassen. Die einfachen Frauen fertigten ihre Bekleidung nach wie vor in Eigenarbeit.
Um für die Damen die immer enger werdenden Kleider nähen zu können, wurde der Zuschnitt entwickelt. Zudem mussten Verschlüsse und Schnürungen herhalten, um diese Modelle perfekt zu machen. Allmählich verschwand die Einheitlichkeit in der Kleidung des Mittelalters. Zweierlei Materialien wurden für Hosen und Obergewänder benutzt. Leuchtende Farben nach einer für das Mittelalter charakteristischen Farbsymbolik kamen immer mehr ins Spiel. Aufputz an den Säumen und am Halsausschnitt war mit Ornamenten aus Fauna und Flora versehen, wobei die Lilie als Wappensymbol dem französischen König vorbehalten blieb.
Zum Mittelalter gehört auch die Ritterrüstung, die allerdings weniger eine modische Erscheinung, als viel mehr eine Schutzbekleidung war, die bei Kampfes- und Turnierhandlungen zum Einsatz kam. Unterschiedliche Helme – unterschiedliche Personen. Niemand wollte bei diesen Mutproben anonym bleiben, schon gar nicht, da es doch immer um die Ehre ging. An den reichen Helmverzierungen und an dem Aufputz, der meist mit Elementen des jeweiligen Wappens identisch war, war auch zu erkennen, aus welchem Reich ein Ritter kam.
Im zivilen Leben trugen die Ritter und alle anderen adeligen Herrschaften Obergewänder, die bis zu den Knöcheln reichten und die seitlich geschlitzt waren. Im Unterschied dazu sah man die Troubadoure auch mit kurzen Obergewändern und engen Beinkleidern. Wie sehr sich aber die Kleidung der beiden Geschlechter noch glich, kann man heute noch am Beispiel der beiden Stifterfiguren Uta und Ekkehard im Naumburger Dom sehen.
In Burgund gehörte für den Mann aber auch schon ein kurzer Oberrock zur Garderobe: die SCHECKE. Sie war gerade so lang, dass sie das Gesäß bedeckte. Brust und Schultern waren ausgepolstert. Die Schecke war ohne Kragen gearbeitet oder hatte höchstens einen kleinen Stehkragen. Dieses Obergewand entwickelte sich in den unterschiedlichsten Formen weiter. Aus der Schecke wurde in der Neuzeit das Jackett, bzw. die Jacke.
Unter der knappen Schecke trug Mann ein Wams, an das Beinlinge befestigt wurden.
Im 14. Jahrhundert, als das Mittelalter noch in seiner Hoch-Phase war, wurden die Unterschiede in der Kleidung allmählich größer. Es bildeten sich Nationaltrachten heraus. Es war nun leicht, einen Franzosen von einem Italiener oder Engländer zu unterscheiden, vorausgesetzt, man konnte die Details der Kleidung deuten und zuordnen. Die burgundische Mode und ihre Eleganz, die bis zum Tode Karls des Kühnen im Jahr 1477 von großer Formenvielfalt war, gaben bis dahin in Europa den Ton an.
Zum Ende des Mittelalters nahm allmählich auch die arbeitende, einfache Bevölkerungsschicht an der Mode teil. Die Bauern und Handwerker ersetzten ihre Kittel durch engere Oberbekleidung, trugen nun ebenfalls eine Schecke oder ein Wams.
Und je nach Jahreszeit schritten sie nun mit oder ohne Beinlinge in eine neue Epoche, die Renaissance.
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