Schmuck 1900-1910 - Die Jugendstil-Epoche
Das neue
Jahrhundert hat begonnen. Wie aufregend! Alle Welt
ist in Aufbruchsstimmung. Automobile gesellen sich
zu den Pferdekutschen. Das ist laut und stinkt, aber
es hat Stil. Der fortschrittliche wohlhabende Mann
kleidet sich entsprechend und legt selbst Hand an,
wenn etwas hakt, denn Dienstleister gibt es ja noch
nicht auf diesem avantgardistischen Sektor. Ist ein
Kutschenrad gebrochen, so findet sich in jedem Dorf
ein Schmied, der das wieder in Ordnung bringt. Ein
Automobil hingegen muss man unterwegs schon selbst
reparieren können. Im Notfall spannt man dann
allerdings ein paar zünftige Ackergäule davor, die
genug Kraft in den Beinen haben, den liegen
gebliebenen Benz in die Werkstatt zu schleppen.
In der mondänen Damenmode dominieren Schick und
Eleganz. Wespentaille, flach geschnürte Brust, durch
Tournüren übertrieben auslandendes Hinterteil, die
Schultern oft mit Volants betont. Das Non-plus-Ultra
an Eleganz ist der Spazierstock mit kostbar
verziertem Knauf.
Die Goldschmiedekunst feiert eine
ihrer Hochblüten. Erstmals verarbeiten Goldschmiede
nicht mehr nur kostbare Edelmetalle wie Gold und
Platin und
Edelsteine reinsten Wassers wie Smaragde,
Brillanten und Rubine, sondern auch Halbedelsteine,
Emaille und anderes finden ihren Eingang in die
Schmuckkunst. Der Materialwert tritt gegenüber dem
künstlerischen Gestaltungswillen in den Hintergrund.
Zugleich verschwimmen die Grenzen zwischen Kunst und
Kunstgewerbe. Maler gestalten Schmuck und Mode,
Architekten schließen sich mit Malern und
Goldschmieden zusammen, Künstler aller Sparten
gründen gemeinsam Schulen und Ateliers, kümmern sich
gemeinschaftlich um den Vertrieb ihrer
künstlerischen und kunsthandwerklichen Produkte.
Gustav Klimt malte Damen der Gesellschaft, heute
würde man sagen: die Wiener Schickeria. Sein
Hauptmodell war jedoch Emilie Flöge, seine
Lebensgefährtin. Er malte sie gern und oft mit
Schmuckstücken aus der Kollektion von Koloman Moser,
seinem Freund und Kollegen aus der Wiener Werkstätte
bzw. der von ihm gegründeten "Secession". Dank der
Klimtschen Portraits sind diese Schmuckstücke heute
weltbekannt. Ebenso führte Gustav Klimt seiner
Lebensgefährtin, die einen Modesalon betrieb, auf
diesem Wege zahlungskräftige Kundschaft zu.
Von dieser Art der Kooperation zwischen Künstlern
könnte wohl so mancher moderne Kreative, so manche
künstlerische Kooperative des Zeitalters
Web-Zwo-Null sich eine Scheibe abschneiden.
Jahrzehnte lang galt der Schmuck der Jugendstil-Ära
als kitschig, dekadent und dazu auch noch wenig
wertvoll, da der Materialwert ja verhältnismäßig
gering war. Erst Ende der 1970er Jahre begann sich
das zu ändern. Mittlerweile erzielen nicht nur
Schmuckstücke, sondern auch Möbel und andere
kunsthandwerkliche Gegenstände aus der
Jugendstil-Epoche bei internationalen Auktionen
Spitzenpreise.
Das 20. Jahrhundert