Die Christlich-Sozialen Union
Im Sommer 1945 formierten sich auf kommunaler Ebene
in Bayern christlich-konservative Gruppierungen als
Gegengewicht zu SPD und KPD. Regionale
Hauptgruppierungen als Motor für die
gesamtbayerische Vereinigung waren dabei Karl
Scharnagls „Münchner Gruppe“ sowie die „Würzburger
Gruppe“ um Adam Stegerwald, die sich im Herbst 1945
regional gründeten. Die Gesamtbayerische
Gründungsversammlung der „Christlich-Sozialen Union“
(CSU) fand im Januar 1946 statt. Erster Vorsitzender
wurde Josef Müller von der ehemaligen Münchner
Gruppe.
Anders als die christlich-konservativen
Parteiströmungen in anderen Bundesländern strebte
die CSU keine gesamtdeutsche Ausbreitung an, sondern
blieb eigenständig und organisatorisch auf Bayern
beschränkt. Die CSU hatte den förderalen Aspekt
(Eigenständigkeit der Bundesländer) in ihrem ersten
Grundsatzprogramm festgeschrieben, aber auch den
Aufbau der Bundesrepublik als wichtiges Ziel
aufgenommen. Damit leitete die CSU eine
Sonderentwicklung in der Parteienlandschaft der
neuen Bundesrepublik ein.
Die ersten Jahre der CSU waren geprägt von der Suche
nach der programmatischen Ausrichtung und einer
starken Konzentration auf Bayern. Es kam immer
wieder zu parteiinternen Kontroversen um Kurs und
Orientierung. Dabei stand der christlich-liberale
Flügel um Josef Müller und Karl Scharnagl dem
katholisch-konservativ geprägten Flügel gegenüber.
Dessen Mitglieder kamen überwiegend aus der
ehemaligen BVP, der Bayerischen Volkspartei, die von
1919 bis 1933 stärkste Partei in Bayern war.
Gleichzeitig kämpfte damals auch noch die stark
separatistisch ausgerichtete Bayernpartei (BP) um
die gleichen Wählerstimmen wie die CSU, denn auch
sie sah sich als Nachfolgepartei der BVP.
Letztlich war es die CSU, die den Machtkampf durch
einen sehr pragmatischen Kurs zwischen den beiden
Polen – Tradition und Moderne – für sich entscheiden
konnte. Die CSU konnte aufgeschlossenere Teile der
BP dazu bewegen, sich zur CSU zu bekennen. Hinzu
kam, dass die BP Ende der 1950er Jahre in eine
dubiose „Spielbankaffäre“ verwickelt war und
erheblich an Ansehen verlor, so dass sie ab 1966
endgültig aus dem Landtag ausschied.
Mit Gründung der CDU kam es zu einer dauerhaften
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU als
Schwesterpartei. Damit nahm die CSU seither auch
automatisch auf Bundesebene Einfluss, wenn die CDU
an der Regierung war. Erster bayerischer
Ministerpräsident wurde Hans Eberhard, der den
Freistaat von 1946 bis 1954 und erneut von 1960 bis
1962 führte. Dazwischen regierte Hanns Seidel, der
in seiner Regierungszeit erfolgreich einen
gemäßigten Kurs der Modernisierung einschlug, aber
1960 aus Gesundheitsgründen zurücktrat. Bis Ende
1960 konnte die CSU auf diesem Weg ihre
Vorherrschaft in Bayern ausbauen, so dass die Partei
von 1962 bis 2008 jeweils allein regieren konnte.
1961 wurde Franz-Josef Strauß neuer
Landesvorsitzende der Partei, mit dessen Person das
Image und der Erfolg der Partei untrennbar verbunden
sind. Wie kein anderer wurde er zur
Identifikationsfigur der
CSU. Er trug zur weiteren Modernisierung auf
wirtschaftlicher Basis bei - Stichwort „Laptop und
Lederhosen“. Außerdem betonte die Partei seither
verstärkt auch ihre bundesweite und europäische
Rolle im Verbund mit der CDU. Allerdings war die CSU
trotz ihres engen Verhältnisses zur CDU stets auf
die Wahrung ihrer Eigenständigkeit und ihres
Eigeninteresses bedacht. So nutzten die Bayern ihre
Regierungsbeteiligung auch immer geschickt dazu, die
bayerischen Interessen im Bund zu vertreten.
Auch auf die gemeinsame Politik nahm die CSU in
Phasen des Mitregierens erheblichen Einfluss. Im
Vergleich zur CDU war die CSU-Beteiligung an den
jeweiligen Kabinetten überproportional. Womit die
Sonderstellung der CSU durchaus erhebliches
Konfliktpotential mit der Schwesterpartei in sich
barg. In Bayern selbst regierte ab 1962 Alfons
Goppel als bayerischer Ministerpräsident und trotz
zahlreicher Affären – „Spiegel-Affäre“, „Münchner
CSU-Affäre“ etc. – konnte die CSU in Bayern ihre
Popularitätswerte halten, ja sogar ausbauen. 1972
erreichte Goppel 62,1 Prozent der Stimmen. Bis dahin
das beste Ergebnis der Partei bei Landtagswahlen.
1978 wechselte der CSU-Vorsitzende Franz Josef
Strauß von seinem Bonner Ministerposten - er war
Bundesminister für Besondere Aufgaben,
Bundesminister für Atomfragen, Verteidigungsminister
und Finanzminister gewesen - als Ministerpräsident
nach Bayern, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1988
blieb. Dazwischen, 1980, erkämpfte sich Franz Josef
Strauss die Kanzlerkandidatur für die CDU/CSU,
nachdem er der Schwesterpartei mit der Ausweitung
der CSU über Bayerns Grenzen hinaus gedroht hatte.
Nach dem Tod des „Übervaters“ gab es eine
innerparteiliche Doppelspitze - Max Streibl als
Bayerischer Ministerpräsident und Theo Waigel als
neuen Parteivorsitzender. 1993 musste Streibl jedoch
in Folge der „Amigo-Affäre“ zurücktreten, zu seinem
Nachfolger wurde Edmund Stoiber gewählt, der mit dem
„Amigo-Sumpf“ aufräumen wollte. Bei den
Landtagswahlen wurde er mit 52,8 Prozent der
Wählerstimmen im Amt bestätigt.
Durch die Wiedervereinigung 1990 musste das
Kräfteverhältnis zwischen CDU und CSU neu ausgelotet
werden. In den neuen Bundesländern wurde daher
bereits frühzeitig die Entstehung der Deutschen
Sozialen Union (DSU) von der CSU unterstützt. Damit
wollte die Partei nach der Wende ihre Unterschiede
zur CDU auch in Ostdeutschland demonstrieren und
stärken. Allerdings wurde die DSU nach anfänglichen
Erfolgen rasch wieder bedeutungslos. Und auch in
Bayern stand die CSU mit Beginn der 1990er Jahre vor
neuen Herausforderungen. Die Republikaner versuchten
sich rechts von der CSU zu etablieren und die
Amigo-Affäre von Max Streibl sorgte nach wie vor für
Unmut.
Bei einem Volksbegehren – „Schlanker Staat ohne
Senat“ – Mitte der 1990er Jahre unterlag die CSU
gegen die Opposition: Die Überzahl der bayerischen
Wähler stimmte für die Abschaffung des Senats -
gegen den Willen der Partei.
2002 konnte Stoiber
sich jedoch auf Bundesebene als gemeinsamer
Kanzlerkandidat für den Wahlkampf gegen Angela
Merkel durchsetzen. Allerdings verfehlte er sein
Ziel einer schwarz-gelben Regierungskoalition im
Bund um knapp 600.000 Stimmen. In Bayern indes
konnte die CSU mit 58,6 Prozent der Stimmen
gleichzeitig ihr dritthöchstes Wahlergebnis
erzielen. Bei den Landtagswahlen im darauffolgenden
Jahr waren es sogar 60,7 Prozent.
Bei der Bundestagswahl 2005 – mit Angela Merkel als
Kanzlerkandidatin der CDU/CSU – konnte die CSU
allerdings in Bayern an diesen Erfolg nicht
anknüpfen und erreichte nur 49,2 Prozent. Den Posten
als Wirtschaftsminister der Großen Koalition von CDU
und SPD lehnte Stoiber allerdings kurzfristig ab.
Seine Pläne als „Superminister“ eines
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie
hatte er gegen Annette Schavan, der designierten
Forschungsministerin und Merkel-Vertrauten, nicht
durchsetzen können. Er begründete seinen Rückzug
offiziell mit dem geplanten Rücktritt von Franz
Müntefering. Das
Amt des Wirtschaftsministers übernahm nun Michael
Glos. Außerdem hatte Horst Seehofer von der CSU das
Landwirtschaftsministerium inne.
Seine zögerliche Haltung brachte ihm einigen Spott
ein und auch CSU-intern geriet er in die Kritik. Die
Partei drängte auf einen Neuanfang Stoibers in
München, um dort die Gunst und das Vertrauen der
Wähler zurückzuerobern. Es machte sich vermehrt
offener Widerstand gegen Stoiber breit, was diesen
veranlasste, 2007 von seinen Ämtern als
Parteivorsitzender und Ministerpräsident
zurückzutreten. Stoiber ging nach seinem Rücktritt
als ehrenamtlicher Leiter einer EU-Arbeitsgruppe zum
Abbau der Bürokratie nach Brüssel. Als früherer
bayerischer Ministerpräsident hatte er auch
weiterhin ein Büro in München.
Auf dem CSU-Parteitag 2007 wurde daraufhin Erwin
Huber als Parteivorsitzender gewählt und Günther
Beckstein als Ministerpräsident. Außerdem
verabschiedete die CSU ein neues Grundsatzprogramm.
Die bayerischen Landtagswahlen 2008 brachten
allerdings eine nochmalige Verschlechterung des
Wahlergebnisses auf 43,4 Prozent. Mit diesem
schlechtesten Ergebnis seit Mitte der 1950er Jahre
hatte die CSU auch erstmals die absolute Mehrheit im
Landtag verloren und musste als unmittelbare Folge
mit der FDP auf Landesebene eine Koalition eingehen.
Aufgrund des schlechten Abschneidens bei der Wahl
verzichtete Günther Beckstein auf seine
Ministerpräsidentenposten und auch Erwin Huber trat
vom Parteivorsitz zurück. Nachfolger in beiden
Ämtern wurde Horst Seehofer. In Berlin erfolgte der
Rücktritt von Michael Glos, der während der Krise
mit seinem unscheinbaren Verhalten in die Kritik
geraten war. Sein Nachfolger wurde Karl-Theodor
Freiherr zu Guttenberg. Mit Horst Seehofer in Bayern
und Guttenberg in Berlin hatte die CSU wieder zwei
Zugpferde, die viel Popularität in der Bevölkerung
genossen. Doch bei Wahlen war noch keine Trendumkehr
zu spüren. Trotzdem konnte die CSU in der
schwarz-gelben Regierung nach der Bundestagswahl
2009 einen Ministerposten mehr für sich durchsetzen.
Nachdem die FDP das Wirtschaftsministerium für sich
reklamierte, übernahm Guttenberg in der neuen
schwarz-gelben Regierung das
Verteidigungsministerium. Allerdings musste er 2011
aufgrund der „Plagiats-Affäre“ zurücktreten. Seinen
Posten übernahm Lothar de Maizière von der CDU. Die
CSU hat seitdem mit Peter Ramsauer das
Verkehrsministerium besetzt, Ilse Aigner ist
Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz und Hans-Peter Friedrich ist
Innenminister.
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