Die UNO Die Vereinten Nationen - UNO
Am 14. Juli 2011 wurde die Republik Südsudan, fünf Tage nachdem
dieses afrikanische Land seine Unabhängigkeit erlangt hatte, als 193.
Staat in die UNO (United Nations Organization) aufgenommen. Damit war
fast jedes Land und fast jedes Volk der Welt in dieser in der Geschichte
einzigartigen globalen Organisation vertreten.
2011 konnte die UNO auf eine fast 66-jährige durch Krisen und
Rückschläge, aber auch durch Erfolge und Hoffnung auf eine bessere Welt
geprägte Historie zurückblicken.
Vorgeschichte und Gründung
Die Gründung der als weltumspannende Organisation zur Friedenssicherung
und internationaler Kooperation projektierten UNO im Jahr 1945 stand im
engen Zusammenhang mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Aber die UNO
knüpfte auch an eine lange Vorgeschichte von Bemühungen an, durch die
Vereinbarung mehr oder weniger verbindlicher Regeln Frieden und
Zusammenarbeit auf internationaler Ebene zu fördern. Im Zuge der
Ausbildung des frühen Völkerrechts mit der Festlegung oft nur temporär
geltender bi- oder multilateraler Regeln im Handels- und Kriegsrecht
wurden in der Aufklärungszeit zunehmend Stimmen laut, die als Ergänzung
zum Völkerrecht überstaatliche Bünde zu Friedenssicherung forderten. So
wünschte Immanuel Kant 1795 eine „Völkerbund“ genannte „Föderation
freier Staaten“ als Ergebnis eines alle Staaten umfassenden
Friedensvertrags. Faktisch blieben solche Überlegungen in der weiterhin
von einzelstaatlichen Machtegoismen bestimmten Politik allerdings
bedeutungslos. Über den Umweg der Gründung, sich als erfolgreich
erweisende Organisationen in den Bereichen Wirtschaft, Humanität und
Wissenschaft wurde der Gedanke internationaler Zusammenarbeit umgesetzt.
Solche Organisationen waren u. a. das 1863 gegründete Internationale
Komitee des Roten Kreuzes (1863) oder die nach 1945
UN-Sonderorganisations-Status bekommenden Zusammenschlüsse
Internationaler Telegraphenverein (1865), Internationale Meteorologische
Organisation (1873) und Weltpostverein (1875).
Einen ersten, bescheidenen Meilenstein im staatlich-politischen Bereich
stellten die Haager Friedenskonferenzen 1899 und 1907 dar. Die
Initiatoren scheiterten zwar mit ihrem ambitionierten Vorhaben,
völkerrechtlich verbindliche Rüstungsbeschränkungen zu erreichen.
Immerhin wurden aber durch die Annahme der Haager Landkriegsordnung
besonders inhumane Kriegsführungsmethoden völkerrechtlich verbindlich
geächtet.
Nach dem Horror des Ersten Weltkrieges wurde 1920 der vor allem von
US-Präsident Woodrow Wilson als Teil einer globalen Friedensordnung
angestrebte Völkerbund („14-Punkte-Programm“, 1918) gegründet. Dieser
UNO-Vorgängerorganisation gehörten zunächst nur 32 Siegerstaaten und 13
neutrale Länder an. Deutschland und die Sowjetunion wurden erst 1926
beziehungsweise 1934 aufgenommen. Der Völkerbund krankte von Beginn
daran, dass die USA nicht zu den Teilnehmerstaaten gehörten, weil sich
im US-Kongress keine Mehrheit für eine entsprechende Mitgliedschaft
fand.
Wenngleich der Völkerbund auf humanitärem Gebiet durchaus Fortschritte
bewirkte, konnte er sein Hauptziel, das Ideal kollektiver Sicherheit in
der Praxis umzusetzen, nicht erreichen. So scheiterten mögliche
Sanktionen gegen Friedensstörer (z. B. beim Mandschurei-Überfall Japans
1931 oder bei der Eroberung Abessiniens durch das faschistische Italien
1935/36) an den außenpolitischen Interessen Frankreichs und
Großbritanniens. Nach dem Austritt des Deutschen Reiches und Japans
(1933) sowie nach dem Ausschluss der UdSSR (1939) war der Völkerbund
faktisch bedeutungslos. Offiziell löste sich der Völkerbund allerdings
erst 1946 auf.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde insbesondere von US-Präsident
Roosevelt die Idee einer von den „beiden großen englischsprachigen
Demokratien“ USA und Großbritannien dominierten Organisation einer der
Friedenssicherung verpflichteten Nachkriegsordnung entwickelt. Erster
konkreter Niederschlag dieser Überlegungen war die im August 1941 von
Roosevelt und seinem britischen Amtskollegen Churchill unterzeichnete
Atlantik-Charta. Diese u. a. die Prinzipien der Freiheit und
Selbstbestimmung aller Völker in gesicherten Grenzen sowie der Abrüstung
postulierende Charta wurde 1942 in Washington als „Erklärung der
Vereinten Nationen“ von 26 alliierten Staaten (darunter USA,
Großbritannien, Sowjetunion und China) unterschrieben. Bis 1945 kamen 19
weitere Staaten der Anti-Achsenmächte-Koalition dazu.
Nach weiteren Verhandlungen, insbesondere der Konferenz von Jalta
(Februar 1945) mit den drei damals mächtigsten Staatschefs der Welt
(Roosevelt, Churchill und Stalin), wurden auf der Konferenz von San
Francisco (April bis Juni 1945) die endgültigen Weichen für die Gründung
der UNO gestellt. Am 26. Juni 1945 unterschrieben Vertreter von 50
alliierten Staaten die „Charta der Vereinten Nationen“. Die in der
Charta festgeschriebenen Hauptziele waren Weltfrieden und internationale
Sicherheit sowie Förderung der Menschenrechte, freundschaftliche
Beziehungen zwischen den Staaten und gemeinsame Lösung globaler
Probleme.
Mit der zunächst von Stalin blockierten Unterzeichnung der Charta durch
Polen wurde die UN-Charta am 24. Oktober 1945 („United Nations Day“)
offiziell. Als Kuriosum zählten zu den Gründungsmitgliedern der UNO auch
die als Sowjetrepubliken zur UdSSR gehörenden Länder Weißrussland und
Ukraine. Damit wurde Stalin die Möglichkeit eingeräumt, in der
UNO-Vollversammlung wie die drei Westmächte USA, Großbritannien und
Frankreich über drei Stimmen zu verfügen.
Aufbau und Wirkungsweise der Uno
Neben der Vollversammlung (Generalversammlung), in der jeder
Mitgliedsstaat mit einer Stimme vertreten sein sollte, wurden als
wichtigste UN-Organe der UN-Sicherheitsrat, das UN-Sekretariat mit dem
UN-Generalsekretär an der Spitze sowie der Internationale Gerichtshof
(Den Haag) geschaffen. Im Sicherheitsrat, dem als einziges UN-Organ das
Recht zugebilligt wurde, verbindliche, sogar mit militärischen
Sanktionen verbundene Resolutionen erlassen zu dürfen, sicherten sich
die USA, die UdSSR, Großbritannien, Frankreich und die Republik China
einen ständigen Sitz.
1971 verlor die Republik China (Taiwan) zugunsten der Volksrepublik
China ihren Sitz nicht nur im Sicherheitsrat, sondern auch in der
Vollversammlung. Weitere sechs nichtständige (seit 1966: zehn), für
jeweils zwei Jahre von der Vollversammlung gewählte Mitglieder wurden
von Kap VII der Charta als Ergänzung des Sicherheitsrats festgelegt. Den
ständigen Mitgliedern wurde ein erweitertes Vetorecht eingeräumt. Von
dieser Möglichkeit, jede Resolution selbst bei neun, beziehungsweise bei
14 Ja-Stimmen zu blockieren, wurde zwischen 1946 und 2016 in 236 Fällen
Gebrauch gemacht. Besonders viele dieser Vetos fielen in die Zeit des
Kalten Krieges.
Die UdSSR beziehungsweise Russland hat in diesem Zeitraum 106 Mal Veto
eingelegt. Auf das Konto der USA gingen bis 2016 ganze 79 Vetos.
Nebenorganisationen, Sitz und UNO Generalsekretäre
Neben den UN-Hauptorganen entwickelte sich im Laufe der Jahrzehnte eine
Vielzahl von Nebenorganen und Sonderorganisationen, in denen in der
Regel, nicht zuletzt aus Kostengründen, nicht alle UN-Mitgliedstaaten
vertreten sind. So wurden die Ernährungs- und
Landwirtschaftsorganisation FAO 1945, die Weltgesundheitsorganisation
WHO 1948 und das UN-Kinderhilfswerk UNICEF 1946 gegründet sowie die
UN-Universität (UNU) 1973 in Tokio eröffnet.
Der Hauptsitz der UNO war bis 1952 in London, seitdem befindet er sich
in New York. Zum zweiten UN-Hauptsitz wurde 1946 der ehemalige
Völkerbunds-Gebäudekomplex Palais des Nations in Genf bestimmt. 1979 kam
als dritter Sitz die UNO-City („Vienna International Centre“) in Wien
hinzu. Ein weiterer UN-Nebensitz wurde in Nairobi eingerichtet.
Das Amt des vom Sicherheitsrat vorgeschlagenen und für die Amtsdauer von
fünf Jahren von der Vollversammlung gewählten UN-Generalsekretärs
(Wiederwahl möglich) in seiner Doppelfunktion als oberster
UN-Verwaltungsbeamter und Diplomat haben zwischen 1946 und 2017 neun
Männer übernommen.
Vom Oktober 1945 bis zum Februar 1946 hatte der Brite Gladwyn Jebb das
Amt kommissarisch ausgeübt.
Ihm folgte der bis 1952 an der Spitze der UNO stehende ehemalige
norwegische Außenminister Trygve Lie. In Lies Amtszeit fielen die
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948) und der Beginn des
Korea-Kriegs (1950-1953). Auf die Invasion des zum US-Block gezählten
Südkoreas durch das kommunistische Nordkorea im Juni 1950 reagierte der
UN-Sicherheitsrat in Abwesenheit des sowjetischen Vertreters mit der
Entsendung von UN-Truppen. Zu 90 Prozent handelte es bei den unter
UN-Mandat gegen die nordkoreanische Volksarmee und die sie
unterstützenden rotchinesischen „Freiwilligenverbänden“ kämpfenden
UN-Truppen um US-Einheiten. Der am Anfang des Kalten Kriegs stehende
Korea-Konflikt brachte die Welt an den Rand eines atomaren
Schlagabtausches.
1952 trat Trygve Lie frustriert von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger
wurde 1953 der Schwede Dag Hammarskjöld. Ihm gelang es, in der
Suez-Krise 1956 sowie beim Ungarn-Aufstand im selben Jahr im Sinne des
Friedenserhalts mäßigend auf die Akteure einzuwirken. Seine nie
vollständig aufgeklärte Rolle im ebenfalls für internationale Spannungen
sorgenden Kongo-Konflikt (1960-1964), in dem auch UNO-Truppen
(„Blauhelme“) involviert waren, sorgte für erhebliche Diskussionen. Im
September 1961 kam Hammarskjöld bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz in
Afrika ums Leben.
Ihm folgte der Birmane Sithu U Thant, der von 1961 bis 1971
UN-Generalsekretär war. U Thants Bemühen auf dem Höhepunkt des Kalten
Krieges mit Kuba-Krise und Vietnam-Kriege die Rolle der UNO als
Vermittler zwischen den Konfliktparteien zu stärken, scheiterte zumeist
an dem das damalige Weltgeschehen bestimmenden Gegensatz der von UdSSR
und USA geführten Blöcke.
U Thant folgte für die Jahre 1972 bis 1981 der spätere österreichische
Bundespräsident Kurt Waldheim. Waldheim, der sich in den 1980er Jahren
schweren Anschuldigungen wegen seiner Rolle während der NS-Zeit
ausgesetzt sah, sorgte als Generalssekretär u. a. wegen seiner
Israel-kritischen Haltung im Nahost-Konflikt für Schlagzeilen. In
Waldheims Amtszeit fiel auch die UNO-Akkreditierung der PLO als
Beobachterorganisation.
Der eher unauffällige Peruaner Javier Pérez de Cuéllar stand von 1982
bis 1991 an der Spitze der UNO. Zu seinen Erfolgen in dieser
weltpolitischen, vor allem vom Ende des Sowjetsystems bestimmten
Umbruchszeit gehörte die Vermittlung in der durch die
anti-sandinistische Interventionspolitik der US-Regierung unter Ronald
Reagan mit verursachte Krisensituation in Mittelamerika.
Eine Wiederwahl des von 1992 bis 1995 amtierenden UNO-Generalsekretärs
Boutros Boutros-Ghali scheiterte am Veto der USA. In die Amtszeit des
Ägypters fielen der von Krieg und Völkermord begleitete Zerfall
Jugoslawiens und der Zweite Golfkrieg.
Besondere Beliebtheit erlangte der Ghanaer Kofi Annan während seiner
beiden Amtsperioden als UNO-Chef von 1996 bis 2006. Annan ging 2005 mit
einem umfangreichen Reformpaket zur Umstrukturierung der UNO an die
Öffentlichkeit. Als ein Ergebnis wurde 2006 der UNO-Menschenrechtsrat
(UNHCR) als Nebenorgan der Vollversammlung gegründet. Der
Menschenrechtsrat wurde im Vergleich mit seiner Vorgängerorganisation,
der Menschenrechtskommission, mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet.
Von 2007 bis 2016 leitete der Südkoreaner Ban Ki-moon die UNO. Seine
missverständliche Haltung zur Todesstrafe brachte ihm heftige Kritik
ein. 2007 wurde der Generalsekretär bei einem Besuch in der irakischen
Hauptstadt Bagdad fast bei einem Terroranschlag getötet. Ban Ki-moons
Nachfolger wurde 2017 der Portugiese António Guterres.
Das Verhältnis Deutschlands zur UNO war wegen der Einbindung der beiden
deutschen Staaten in verfeindete Blöcke bis in die 1970er Jahre
kompliziert. Die Bundesrepublik war seit den 1950er Jahren in
zahlreichen UN-Organisationen aktiv und besaß seit 1952
Beobachterstatus. Die DDR erhielt diesen Status 1972. Eine
UNO-Vollmitgliedschaft der beiden deutschen Staaten wurde aber erst mit
der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages (1973) zwischen BRD und DDR
möglich und im selben Jahr realisiert.