Das modische Beiwerk wurde wieder legitim


Die Nachkriegsjahre waren mühevoll, aber der wirtschaftliche Aufbau ging stetig voran. In beiden Teilen Deutschlands allerdings auf unterschiedliche Weise. Besonders das Bild und die Rolle der Frau entwickelten sich verschieden. Während im Westteil die Frau eher eine repräsentative Rolle an der Seite ihres Mannes einnahm, war die Frau im Ostteil Deutschlands in den Arbeitsprozess integriert und als Werktätige den Männern gewissermaßen gleichgestellt. Dementsprechend unterschiedlich verlief auch die modische Entwicklung, wobei nicht zu verhehlen ist, dass sich die Frauen in der DDR – die inzwischen als sozialistisches Land gegründet worden war – an der Mode im anderen Deutschland orientierten und im fünfziger Jahrzehnt, abgesehen von einigen kleinen Unterschieden, modisch den Frauen in der Bundesrepublik sehr ähnelten. Schließlich war dort auch der Einfluss der Haute Couture größer, deren vorgegebene Trends im ersten Friedensjahrzehnt heiß ersehnt waren. Der „New Look“, den Frankreich um 1948 kreiert hatte, erreichte in den fünfziger Jahren seinen Höhepunkt. Die Röcke waren weiter geworden. Das Schwingen vermittelte Lebensfreude und selbst Mangel an Stoffen noch vorherrschte, waren die Frauen einfallsreich genug, um beim Selbstnähen auf Vorhänge oder Betttücher zurückzugreifen, wenn sich daraus ein schöner Rock oder ein Kleid schneidern ließen.
Schmuck war in jeder Form gefragt. Er musste nicht echt sein. Modeschmuck war in großer Vielfalt vorhanden und wurde preiswert angeboten. Egal, ob es Anhänger, Ketten, Ohrgehänge, Klipps, Armreifen oder Anstecker waren; bis hin zur attraktiven Gürtelschnalle war allmählich alles wieder in den Geschäften zu finden. Bevorzugte Materialien waren nun auch Kunststoffe wie Plastik, Halbedelmetalle wie Kupfer oder Glas in unterschiedlichen Farben.
Der Mann deckte seinen Bedarf an Schmuck fast ausschließlich über Manschettenknöpfe und die Armbanduhr, deren Armbänder aus Leder oder Metall waren. Als schmückendes textiles Beiwerk hatte auch das Einstecktuch seine Berechtigung gefunden. Zur Krawatte passend oder auch zur Fliege schaute das Einstecktuch fingerbreit aus der Brusttasche des Anzugs oder des Sakkos.
Die Damen bevorzugten schon eine größere Anzahl verschiedener Schmuckstücke. Der Modeschmuck machte es möglich, dass sich Frau wieder eine eigene kleine Kollektion anlegen konnte.
In den fünfziger Jahren war Ohrschmuck besonders beliebt. Die Frisuren waren vor allem durch den sehr trendigen Pferdeschwanz so, dass sie die Ohren freiließen. Ein beliebter Blickfang waren Ohrklipps. Sie stellten eine gesunde Alternative zu Ohrsteckern oder Ohrringen dar, weil die Klipps kein Ohrloch erforderten, also viel bequemer gewechselt werden konnten. Weiße Porzellan- oder Kunststoffperlen wurden zu Ketten verarbeitet, die lang genug waren, um sie auch ohne das Öffnen eines Verschlusses selbst umlegen zu können. Es kamen beim Modeschmuck auch Materialien zur Anwendung, die der Natur entnommen waren, beispielsweise Holz. Bernstein war an der Ostsee ein beliebtes Sammelobjekt, aus dem sich wunderschöner Schmuck herstellen ließ. Das Halbedelmetall Kupfer hatte eine Renaissance in der Schmuckherstellung. Es war leicht zu formen und nicht übermäßig teuer.
Die Modeschmuck-Kreationen waren in ihrer Auffälligkeit eindeutig von den zwanziger Jahren inspiriert. Formen der Ohrhänger und Kettenanhänger waren mitunter skurril, fielen auf und brachten eine neue Freiheit zum Ausdruck.
Die Kleider, bei denen eine Naht in der Taille den Eindruck eines zweiteiligen Kleidungsstückes erweckte, wurden fast ausschließlich mit einem breiten Gürtel komplettiert. Einfarbig zu einem bunten Kleid – mehrfarbig zu einem einfarbigen Kleid. Die Gürtelschnalle war entweder farblich dem Leder oder Kunstleder angepasst oder wurde zu einem besonderen Hingucker, wenn sie aus Metall heiß- oder kaltgeschmiedet mit Mustern versehen war. Es könnten Fantasy-Muster sein, aber es wurden auch spezielle Motive für die breiten Schnallen verwendet. Da der Zweite Weltkrieg noch nicht lange zurücklag, gab es in vielen Haushalten auch noch Schnallen von Uniformgürteln. Die Frauen nutzten sie selten, aber die jungen Männer trugen sie mitunter, selbst wenn die Herkunft der Schnalle erkennbar war. Die Uniformschnallen waren allerdings auch eine gute Grundlage für eine Umgestaltung. Die Materialqualität und die Haltbarkeit waren letztendlich fast unverwüstlich. Und die Zeit gestattete es noch nicht, Dinge, die wieder verwendet werden konnten, einfach wegzuwerfen.
Der Pferdeschwanz, den die jungen Mädchen und Frauen gern trugen, wurde nach Möglichkeit nicht nur von einem Gummiband gehalten. Hier waren die Damen auch sehr fantasievoll. Ein buntes Tuch oder ein zur Kleidung passendes Band wurden wenigstens um das Gummiband gewunden, damit die Frisur nicht einem Einweckglas ähnelte. Ein wenig Eitelkeit wollten sich die Frauen gern leisten, wenn sie sich auch sonst noch nicht allzu viel leisten konnten.

Das 20. Jahrhundert