Abgabepflicht, Goldverbot – Schmuck als Staatsangelegenheit


Die Weltwirtschaftskrise, die in Deutschland um 1929 begonnen hatte und fast alle Industriezweige in Bedrängnis, wenn nicht sogar in den blanken Ruin gebracht hatte, war auch in der Modeindustrie zu spüren. Doch sie konnte nichts daran ändern, dass sich gerade der textile Sektor rasant weiterentwickelte. Einerseits war Bekleidung gefragt, die in Massenfertigung in die Läden kam und andererseits verlangte die wohlhabende Bevölkerung weiterhin ihre maßgeschneiderte Garderobe. Zudem sicherte der steigende Bedarf an Uniformen Arbeitsplätze, wobei die zahllosen Heim- und Fabrikarbeiter für Hungerlöhne schuften mussten. Alles unter dem neuen Regierungschef Adolf Hitler. Wer brauchte in so einer Zeit Schmuck?
Der Bedarf an Schmuck war tatsächlich zurückgegangen. Deutschsein – das bedeutete für die Frauen Bescheidenheit und Sittsamkeit. Aber es hieß noch lange nicht, dass Frau nicht auch jede Gelegenheit nutzte, sich die Garderobe mit ein wenig Modeschmuck aufzupeppen. Die deutsche Frau prahlte nicht mit echtem Schmuck, sie hatte ihn oder auch nicht. Es war jedenfalls nicht angezeigt, ihn allzu auffällig zur Schau zu stellen. Elegant war, wer wenig Schmuck sichtbar verwendete und sich äußerlich damit dem Zeitgeist anpasste. Dafür durfte das Wenige auch durchaus kostbar sein, wenn es halt nur nicht sofort auffiel. Ein kleiner Brillantanhänger oder eine kleine Perlenkette, das war ausreichend. Modeschmuck, wie er im zwanziger Jahrzehnt Verbreitung gefunden hatte, war nicht mehr in solcher Vielfalt zu bekommen. Er war auch nicht mehr gefragt. Die Materialien waren knapper geworden, alles ging in die Rüstungsindustrie. Neues gab es nur spärlich zu kaufen. Was Frau bereits hatte, musste das Bedürfnis nach Schmuck zufrieden stellen.
Das modische Beiwerk für die Männer war noch spartanischer. Lediglich Manschettenknöpfe waren noch beliebt, aber wohl eher wegen ihrer praktischen Funktion. Ansonsten bestand der Schmuck für die Männer in der Armbanduhr, die in den dreißiger Jahren schon fast jeder Mann sein eigen nennen konnte. Die Siegelringe, die noch im Jahrzehnt vorher typisch waren und mit Stolz präsentiert wurden, hatten allmählich ausgedient. Die Männer mussten zupacken können. Da wäre Schmuck an den Händen sehr hinderlich gewesen. Erst Recht zum Ende des Jahrzehnts, als mit dem Jahr 1939 im September der Beginn des Zweiten Weltkrieges einherging. Des Soldaten Schmuck war die Waffe.
Es war selbst für angehende Ehepaare nicht leicht, sich Eheringe zu verschaffen. Die sollten nämlich unbedingt aus edlem Metall sein. Wenigstens vergoldetes Silber wünschte man sich. Sie waren schließlich nicht nur ein Schmuckgegenstand, sondern zeigten vor allem, dass Frau unter die Haube gekommen war. Mancher Mann entledigte sich nur allzu gern des Ringes, den er mehr in der Tasche des Anzugs trug als auf dem Finger.
Bei der älteren Generation der Damen war Granatschmuck noch angesagt. Die roten Steine, die den Kernen des Granatapfels ähnelten, waren auf ihre Weise von zurückhaltender Eleganz. Meist war dieser Edelstein in Silber gefasst, seltener in Gold.
Doch im dreißiger Jahrzehnt, das mit den Folgen der Weltwirtschaftskrise schwer zu kämpfen hatte, war Schmuck auch deshalb nur ein Rand-Thema, weil durch das Goldverbot von 1931 der Besitz von Gold nur noch bis zu einer festgelegten Wertgrenze in privatem Besitz sein durfte. Das betraf auch Münzsammlungen und Schmuck. Das Goldverbot war gleichzeitig ein Handelsverbot für das Edelmetall. Wer mehr als die erlaubte Menge Gold besaß, war gezwungen, es an staatlichen Annahmestellen abzugeben und es somit gegen Landeswährung einzutauschen. Im August 1931 war die Freigrenze auf 1.000 Reichsmark (heute etwa 3380 Euro) herabgesetzt worden, im Oktober 1931 wurde sie erneut herabgesetzt – auf 200 Reichsmark (heute etwa 680 Euro). Alles, was darüber hinaus im Besitz war, bzw. nach dem 12. Juli 1931 erworben worden war, musste der Reichsbank angeboten werden und auf Verlangen verkauft werden.
Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde es noch drastischer. Drei Anordnungen der Reichsstelle für Edelmetalle verfügten eine vollständige Beschlagnahme von Edelmetallen im Besitz gewerblicher Unternehmen. Das betraf auch die Schmuckhersteller. Die Reichsstelle für Edelmetalle gab es seit dem 12. Juli 1935. Sie war damals als Überwachungsstelle für Edelmetalle eingerichtet worden. Sie unterstand unmittelbar dem Reichswirtschaftsministerium. Durch die besagten drei Anordnungen (Nr. 18, 19 und 20) waren eine Meldepflicht und ein Verfügungsverbot für Platin und Platinmetalle sowie für Silber und auch eine Beschlagnahme von Gold ergangen. Hiervon waren alle Bereiche betroffen, von der Chemiefaserindustrie bis zum Schmuckstück. Ohne Genehmigung durften die Einzelhändler auch keine Fertigwaren jeglicher Art und Schmuckstücke aus Gold verkaufen. Seit dem September 1939 musste aller Besitz der genannten Art innerhalb von 10 Tagen der Reichsbank angeboten werden. Wurde es verlangt, hatte man diese Waren zu verkaufen oder gegebenenfalls zu übertragen. Mit diesen Verfügungen gewann der Staat eine rundum funktionierende Kontrolle über alle geschäftlichen und auch innerbetrieblichen Transaktionen. Bei so viel Verboten und Überwachungen war es umso dienlicher, keine Gedanken an Schmuck zu verschwenden. Für wen hätte Frau ihn tragen sollen? Bis die ersten Helden des Deutschen Reiches in die Heimat zurückkehrten, verging noch viel Zeit.

Das 20. Jahrhundert