Biografie Serdar Somuncu Lebenslauf
Um öffentlich auf einer Bühne aus Hitlers „Mein Kampf“
vorzulesen, dafür muss man wahrscheinlich wirklich
Komiker und Kabarettist und günstigenfalls nicht in
Deutschland geboren sein. Der Türke mit deutscher
Staatsbürgerschaft Serdar Somuncu wurde durch seine
Witze gegen die Nazis bekannt und nannte sein Programm
1996 „Nachlass eines Massenmörders“.
Auf die Idee kam er durch seine Theatererfahrung.
Eigentlich wollte er historische Texte lesen und diese
dann kommentieren, die Wahl von „Mein Kampf“ sollte eine
erste Provokation sein,
eine schonungslose Auseinandersetzung mit der deutschen
Vergangenheit, die zum Nachdenken bewegen musste. Doch
nach dem ersten Auftritt liefen die Telefonleitungen
heiß und ein Zeitungsredakteur warnte ihn davor, dass er
den Ruf, den er sich damit schaffte, so schnell nicht
mehr loswerden würde.
Somuncu ging aber noch einen Schritt weiter und spielte
sein Programm sogar vor einem rechtsradikalen Publikum,
musste von Polizeischutz begleitet werden und seine
Auftritte mit kugelsicherer Weste absolvieren. Die
Meinungen waren geteilt, der Kabarettist hatte die Wahl,
sich zurückzuziehen oder mit Trotz zu reagieren. Er
entschied sich für letzteres.
Somuncu wurde am 3. Juni 1968 in Istanbul geboren,
studierte in Maastricht und Wuppertal Schauspielkunst,
Regie und Musik. Bevor er zu seinen spektakulär
szenischen Lesungen auf der Bühne fand und seinen
unverwechselbaren Ruf prägte, hatte er bereits mehr als
hundert Theaterstücke inszeniert und arbeitete als
Schauspieler in verschiedenen großen Schauspielhäusern.
Daneben war er in kleineren Rollen in Fernsehsendungen
wie „Die Lindenstraße“ zu sehen.
1996 entschied er sich dann für die Lesung ausgewählter
Textstellen aus „Mein Kampf“. Die Tournee dauerte über
mehrere Jahre an, fand sowohl Applaus als auch
Ablehnung. Doch durch die Schonungslosigkeit des
Kabarettisten waren die Reaktionen größtenteils positiv,
denn den Mut, sich mit diesem Thema zu befassen, hatte
zuvor niemand. Auch spätere Auftritte zeigten, dass es
nicht um Klischees und einfachen Hass auf alles, was
sich bewegt, ging, sondern um das Publikum, das zwischen
Schreck und Lachanfall hin- und hergerissen wurde, zur
Selbstreflektion zu bewegen. In den Lesungen aus „Mein
Kampf“ deckte Somuncu mit Humor die inneren Widersprüche
Hitlers auf, nahm sich dann auch gleich noch der Rede
von Joseph
Goebbels an. Seine Auftritte fanden dabei sogar vor
ehemaligen Häftlingen aus einem Konzentrationslager
statt.
Natürlich geriet Somuncu durch die Art seiner Auftritte
in den Ruf des Zynikers, den er nicht nur leicht
verdaute, sondern als Ideenquelle nutzte. Weitere
Kabarettprogramme trugen die Titel „Kebab Hitler“ und
„Der Hassprediger liest Bild“. In seinen Auftritten
kommentierte Somuncu immer auch das aktuelle
Zeitgeschehen der Medien und Zeitungen, darunter machte
er sich auch schonungslos über Homosexuelle lustig,
insbesondere, wenn sie, wie z. B. Guido Westerwelle, in
der Politik tätig waren, lachte über Juden, Schweizer,
Inder und Behinderte. Das Ganze verlegte er schließlich
auch online ins Netz, kotzte in seiner Internetsendung „Hate
Night“ die einzigartige Mischung seiner Auftritte aus
gesellschaftskritischer Wut und derbem Fäkalhumor
hinaus.
Auch als Autor und Musiker machte Somuncu von sich
Reden. Eines seiner Bücher befasste sich beispielsweise
mit der Liebe zwischen zwei RAF-Terroristen und hieß
„Zwischen den Gleisen“. Gemeinsam mit André Fuchs, als
Duo „Zwieback & T“, trat er als Rapper auf und brachte
das Album „Wir beide“ heraus, natürlich nicht aus Liebe
zur Musik, sondern um sich über die Welt der Rapper
lustig zu machen.