Gerhard Richter Lebenslauf
Niemand zuvor schuf derartig schöne, verschwommen
schwebende Frauen, die lesend in einem Sessel oder
andächtig eine Treppe hinuntersteigen. Seine
realistischen Porträts sind intensive Studien von
vollendeter Handarbeit und Kunst, die
beeindruckenden "Abstract Paintings" sind weitere
Werke, die Richter zu einem der bekanntesten
Künstlers Deutschlands machten. Seine großflächigen
Bilder hängen in den wichtigsten Museen der Welt,
darunter in New York, London, Paris und Berlin. Er
selbst behauptet von seiner Kunst, sie solle nichts
aussagen, würde nichts bedeuten, sei ohne Sinn, ohne
Moral, ohne
Lehre. Dennoch erzielen sie enorme Preise, sind
hochgeschätzt und immer wieder in wichtigen
Retrospektiven zu bewundern.
Gerhard Richter wurde am
9. Februar 1932 in Dresden
geboren. Er wuchs im sächsischen Waltersdorf auf,
während sein Vater an der Front im Westen kämpfte.
Mit seiner Mutter und seiner Schwester Gisela lebte
er so mitten im Krieg. Er besuchte die höhere
Handelsschule in Zittau und ließ sich zum
Bühnenmaler ausbilden. Als er sich an der
„Hochschule für bildende Künste“ bewarb, wurde er
zunächst abgelehnt, wurde dann jedoch im Jahr darauf
angenommen. Durch seine ersten, bald schon
übermalten Diplomarbeiten wurde er zum
Meisterschüler der Akademie, versuchte sich an einer
Mischung aus den Arbeiten Antoni Tàpies (1923-2012),
der der hermetischen Kunst frönte, und den Werken
von Francis Bacon (1909-1992), bis er seinen eigenen
Stil entwickelte.
Zu dieser Zeit lernte Richter auch Ema Eufinger
kennen und lieben, die er 1957 heiratete. Es gab
allerdings in seiner Familie von da an jene
Schattengestalten, von denen Richter lange nichts
wusste, wie die Geschichte seines Schwiegervaters,
Professor Dr. Heinrich Eufinder, einem Nazi der
ersten Stunde. Richters Tante fiel in die Hände der
NS-Psychiatrie, wurde zur „Unfruchtbarmachung“
verurteilt und nach langem Leidensweg schließlich
ermordet. Zu dieser Zeit war Emas Vater als
SS-Obersturmbannführer für tausend
Zwangssterilisierungen verantwortlich. Mit Ema
Eulinger bekam Richter eine Tochter.
1961 floh Richter aus der DDR nach West-Berlin.
Bevor er ging, zerstörte Richter seine im Osten
geschaffenen Werke. Überhaupt gehört er zu den
Künstlern, die ihre Werke vernichteten, sobald sie
zu hundert Prozent fertig waren oder ihm gefielen.
So zerstörte er sein gesamtes Frühwerk und übermalte
etliche Bilder, die ihm im Nachhinein nicht mehr
zusagten.
An der Kunstakademie in Düsseldorf lehrte Richter
Malerei.
1964 hatte er seine erste
Einzelausstellung,
auf der er die berühmt verschwommenen Fotobilder
präsentierte. Was als Fotografie wirkte, waren
gemalte Werke, so detailgetreu und realistisch, dass
sie schnell bekannt und gelobt wurden. Daraufhin
folgten weitere Ausstellungen, die auch über den
deutschen Raum hinauswuchsen. Richter zeigte seine
Werke in nationalen und internationalen Galerien.
Seine Anerkennung als Künstler wuchs beständig.
Während im 19. Jahrhundert. die Salonmalerei beliebt
war und ein großes Publikum anlockte, das vor allen
Dingen bedeutungsschwere, riesige Leinwände
betrachten wollte, war Gerhard Richter für die
Moderne Zeit etwa das, was Jean-Léon Gérôme
(1824-1904) oder Paul Delaroche (1797-1856) zu ihrer
Zeit waren, nur kehrte sich das Dargestellte nicht
bombastisch nach außen, sondern bei Richter eher
nach innen. Er vermied das Grelle und Überblendete
in seinen Werken, seine Kunst drückte sich in
dezenten, flüchtigen Farben und Momenten aus. Er
nahm in dieser Ausdruckskraft der Kunst den Druck
von Symbolik und Perfektionismus. In seinen Bildern
findet der Betrachter, was er zu sehen glaubt. Die
reine Fläche spiegelt die Stimmung desjenigen wider,
der auf das Bild blickt.
Nach der Scheidung von Ema Eufinger, heiratete
Richter die Bildhauerin Isa Genzken, von der er sich
1993 wieder trennte. Die dritte Ehe ging er mit
seiner einstigen Schülerin Sabine Moritz ein, selbst
Malerin. Sie haben zusammen drei Kinder.