Die Entstehung des Balletts
Es ist tatsächlich der Verdienst von Ludwig XIV.,
dem einstigen erhabenen und umstrittenen
Sonnenkönig, dass der Tanz neu geprägt und das
Ballett an seinem Hof als Kunst eingeführt wurde. Er
fand Gefallen an der körperlichen Ausdrucksform, dem
Tanz auf der Bühne und gründete die „Académie
Royale“, auf der das Ballett eine maßgebliche
Weiterentwicklung erfuhr.
In seiner Urfassung entstand das Ballett bereits im
15. Jahrhundert, wurde als Gesellschaftsvergnügen an
italienischen und französischen Adels- und
Fürstenhöfen aufgeführt. Wie das Schauspiel war auch
der Tanz zu dieser Zeit ausschließlich männlichen
Darstellern vorbehalten, die zarten
Ballettbewegungen der Frauen kamen erst mit der
Veränderung durch die „Académie Royale“ in Mode,
durch die sich der Bühnentanz vom Hof fortbewegte
und Einzug in das Volksvergnügen fand. Nun durften
auch Frauen öffentlich tanzen, die Technik, die
Schrittfolge und Bewegung wurde ausgefeilter,
komplizierter, kunstvoller. Das Ballett wurde aus
dem reinen Tanz zum Handlungsbild, erzählte von da
an eine Geschichte.
Im 18. Jahrhundert fand dann auch das Drama als eine
der dichterisch anspruchsvollsten Literaturgattungen
seiner Zeit in den Handlungsablauf der
Tanzaufführung hinein. Immer noch war das Ballett
lediglich der Teil einer Oper, löste sich nach der
Französischen Revolution aber daraus hervor und
wurde zu einer eigenständigen Kunstform. Speziell
für das Ballett wurden nun Stücke komponiert,
Choreografen engagiert, die nach eigenem
künstlerischen Ermessen für Tanz, Darstellung und
Gesamtaufführung sorgten. Auch berühmte
Jahrmarktstheaterelemente und die Pantomime wurden
in das Ballett mit aufgenommen. Damit war es bis ins
19. Jahrhundert eine Mischung aus Tanz, Theater und
Zirkus, besaß allerdings bereits ein Bühnenbild,
Kostümkreationen und selbstständige Ballettmusik.
Die erste Primaballerina war Maria Taglioni, die
ähnlich wie der Star einer Oper zum Mittelpunkt der
Aufführung wurde. Sie trat als erste Solokünstlerin
in der Oper „Robert le diable“ von Filippo Taglioni
auf und prägte die klassische Form des Balletts.
Daraufhin folgte die französische Romantik, die
Ausdrucksform des Balletts veränderte sich, antike
Stoffe wurden durch Märchen oder
Fantasievorführungen ersetzt, die Handlung
ausgebaut. Die Kostüme wurden aufwendiger gefertigt,
die Kleidungsstücke gekürzt, der Tanz wurde
sichtbar, die Bein- und Fußarbeit sollte beim
Publikum Beachtung finden. Kein Wunder, dass
Künstler wie Edgar Degas, dieser beeindruckenden
Kunstform ganze Bildreihen widmeten.
Besonders in Russland wurde das Ballett zum
künstlerisch anspruchsvollsten Ausdruck der Kultur.
Der Tanz wurde mit klassischen Musikstücken
kombiniert. Ganze Schulen entstanden. Pompöse
Ballettaufführungen wurden im Mariinski-Theater in
St. Petersburg und im Bolschoi-Theater in Moskau
gegeben. Wer der Mode entsprechen wollte, ging ins
Ballett. Aufführungen dieser Art haben bis heute
ihren Glanz und ihr Ansehen. In Russland war neben
dem Ballett auch der Ausdruckstanz sehr beliebt, den
Isadora Duncan aufführte, die wiederum mit dem
berühmten Dichter Sergej Jessenin liiert war. Auch
kam eine der berühmtesten Ballerinas der Welt aus
diesem Land, Anna Pawlowa.
Ballettmusik wurde neben
Tschaikowskis „Schwanensee“
und „Nussknacker“ auch von Igor Strawinsky oder
Claude Debussy geschrieben. „Der Feuervogel“ war
eines der schönsten Ballettstücke seiner Zeit, und
speziell für den Tänzer Vaslav Nijinsky schrieb
Debussy „L'Après-midi d'un faune“, ein Ballett, das
wiederum durch das gleichnamige Gedicht von Stéphane
Mallarmé inspiriert war.
Durch den Avantgardismus im 20. Jahrhundert fand
neben der Musik auch die Kunst Einzug in das
Ballett. Pablo Picasso malte das Bühnenbild, Jean
Cocteau und Erik Satie planten mit ihm die
Aufführungen des „Ballets Russes“. Die klassische
Ausdrucksform des Balletts wurde mit anderen
Elementen vermischt, darunter, neben dem
Ausdruckstanz, auch moderne Tänze, Gymnastik oder
Volkstanz aufgenommen. Mit diesen Einführungen
änderte sich auch die Musik, wurde moderner,
schneller, rhythmischer. Wie die Kunst erneuerte
sich auch das Ballett fortwährend, fand zum Moderne
Dance, wie er besonders in Amerika beliebt wurde.
Klassische Schritte wurden mit anderen Tänzen und
Bewegungen kombiniert, den zeitgenössischen
Tanzrichtungen und Musikerscheinungen angepasst. Das
Tanztheater etablierte sich, das sich dem
traditionellen Balletttanz widersetzte und neue
Kreationen und Ausdrucksformen schuf.
Doch gerade durch das bedeutendste St. Petersburger
Ballettensemble „Ballets Russes“, das mit Künstlern
wie Vaslav Nijinsky, George Balanchine oder Michel
Fokine aufwarten konnte, die alle im Exil lebten,
erfuhr das Ballett eine Renaissance. Diese erneute
Ausrichtung auf klassische Elemente konnte in Paris
große Erfolge feiern und machte das Ballett wieder
zu einer angesehenen Attraktion.
Balanchine gründete den Neoklassizismus, indem er
dafür sorgte, dass die Tradition des klassischen
Balletts bewahrt blieb, die dem modernen Tanztheater
von da an gleichberechtigt gegenüber stand und sich
bis heute durchsetzen konnte.