Geschichte der Berufsausbildung
Die frühesten deutschen Urkunden eines Ausbildungswesens stammen aus dem
Jahr 1182 und der Kölner Drechslerzunft. In den Zunftordnungen wurden
Regelungen rund um das Ausbildungswesen festgeschrieben, unter anderem die
vorgeschriebene Anzahl der Lehrlinge, die Ausbildungsdauer und Bezahlung.
Bereits in diesem Zeitalter entwickelte sich das Verständnis von
Berufserziehung, da der Meister nicht allein einen Bildungs-, sondern
gleichzeitig einen Erziehungsauftrag wahrnahm. Dem mittelalterlichen
Handwerkerhaushalt war eine Trennung in eine berufliche und eine private
Sphäre grundsätzlich fremd. Arbeit und Leben fanden in einer Einheit statt,
was damit einherging, dass die berufliche Ausbildung neben der fachlichen
Qualifikation auch eine Sozialisationsfunktion übernahm. Die Ausbildung
wurde demzufolge als Erziehungs- und Inkorporationsprozess in die
Gemeinschaft der Zunft verstanden.
Gegen Ende des
18. Jahrhunderts nahm die Kritik an diesem geteilten
Erziehungs- und Bildungsauftrag zu. Unter anderem wurden die lange
Ausbildungsdauer und scheinbar veralteten Arbeitsmethoden des Zunftwesens
als hinderlich betrachtet. Der Ruf nach einer schulischen Ergänzung der
Handwerksausbildung wurde laut, sodass sich 1768 die ersten Aufzeichnungen
zu vorgeschriebenen Schulbesuchen für Maurer- und Zimmerer-Gesellen finden
lassen. Darüber hinaus entwickelte sich eine wachsende Kritik an den
Zünften, da diese im scheinbaren Widerspruch zum absolutistischen
Staatsverständnis standen.
Im Jahr 1810 entfiel die Bindung an die Zünfte
und fortan bekamen alle Gewerbetreibenden die Möglichkeit, sich am
Ausbildungswesen zu beteiligen. Hierdurch entfiel gleichzeitig die
sozialisierende Komponente der gewerblichen Ausbildung, was die Auflösung
des Meisterhaushaltes als Erziehungsinstitution zugunsten des Erwerbs
beruflicher Qualifikationen nach sich zog. Durch die Einführung der
Gewerbefreiheit wurde die Zielsetzung verfolgt, die wissenschaftliche
Entwicklung zu beschleunigen sowie den Wohlstand der Bevölkerung zu fördern.
Damit wurde dem Lehrlingswesen der kollektivrechtliche Charakter entzogen
und der Umbau der Handwerkskorporationen von Zünften auf Innungen
eingeleitet.
Fortan wuchs die staatliche Einflussnahme im Bereich der Berufsbildung. Der
Beginn des
Eisenbahnbaus 1835 und der Übergang von der Handarbeit zur
Maschinenarbeit markierten den Beginn der Industrialisierung in Deutschland.
Die Arbeit in den Fabriken zeichnete sich gegenüber dem handwerklichen
Betrieb durch kleinteilig zerlegte Arbeitsschritte aus, was auch
Konsequenzen für die Ausbildung nach sich zog. Für die Ausführung der
Einzeltätigkeiten war nicht länger ein ausgebildeter Facharbeiter notwendig,
sondern die Aufgaben konnten überwiegend von Angelernten oder ganz
Ungelernten übernommen werden. In der Folge entsprach die ganzheitliche
Ausbildung, wie sie im Zunftwesen üblich war, nicht länger den geforderten
Qualifikationen, was zu einer Krise der gewerblichen Berufsausbildung
führte. Gleichzeitig entwickelte sich der Bedarf an Arbeitskräften, die in
der Lage waren, den industriellen Produktionsprozess zu steuern, der
zunehmend maschinell ablief. Infolgedessen entstand die industrielle
Ausbildung, die versuchte sich unabhängig vom Handwerk zu etablieren.
Damals gab es nur die handwerklichen
Ausbildungsberufe.
Erst mit der rasanten technischen Entwicklungen des 20. und 21.
Jahrhunderts entstanden
eine schier unüberschaubare Anzahl der verschiedensten
Berufe wie Mediengestalter, Game Designer oder die zahlreichen
Bürotätigkeiten.
Vor dem Hintergrund einer erstarkenden Sozialdemokratie, die mit einer
Proletarisierung jugendlicher Arbeiter einherging, wurde der Verfall der
handwerklichen Lehrlingsausbildung genutzt, um auf die
gesellschaftspolitischen Folgen aufmerksam zu machen. Zur Sicherung der
gesellschaftlichen Ordnung erfolgte daher eine Restabilisierung und
Reprivilegierung der handwerklich-korporativen Kräfte. Parallel hierzu wurde
das Berufsprinzip des Handwerks in den Industriesektor übernommen, der
entwicklungsgeschichtlich diese Form der Beruflichkeit nicht kannte. Damit
avancierte das Berufskonzept zur Leitidee des beruflichen Bildungssystems
und der identitätsstiftende sowie persönlichkeitsbildende Charakter des
Lehrlingswesens konnte erhalten bleiben.
Die
Preußische Gewerbeordnung vom 17. Januar 1845
brachte die ersten Bestimmungen für
Ausbildungsordnungen und legte den Grundstein für die heutige gewerbliche
Ausbildung, da den Betrieben eine Vormachtstellung bei der Ausbildung ihrer
Auszubildenden eingeräumt wurde. Privatrechtliche Verträge zwischen
Ausbildungsstätte und Auszubildenden regelten die Form der Beschäftigung und
die Entlohnung. Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund stellte ein am
21. Juni 1860 eingeführtes deutsches Gesetz dar, welches im Laufe seines
Bestehens zwar immer wieder verändert wurde, dessen Regelungen aber
bestimmend für die Lehrlingsausbildung blieben. Sie formulierte das bis
heute noch gültige Prinzip, dass Auszubildende unter der Verantwortung von
Meistern bzw. Fabrikanten gestellt werden mussten. Des Weiteren wurden in
dem Statut Rechte und Pflichten des Ausbilders bzw. Auszubildenden geregelt,
wie etwa der Umgang mit vorzeitigem Abbruch des Lehrverhältnisses oder das
Recht des Auszubildenden, ein Zeugnis nach erfolgreicher Beendigung
anzufordern. Abschlussprüfungen waren laut Gewerbeordnung nicht vorgesehen.
Zugleich wurden erstmals Bestimmungen über den Schulbesuch aufgenommen,
wodurch die Kopplung zwischen Schule und privatwirtschaftlicher Ausbildung
rechtlich beschlossen und verankert wurde.