Biographie Leonid Breschnew
Leonid Breschnew war von 1964 bis zu seinem Tod 1982
als Generalsekretär der sowjetischen Staatspartei
KPdSU der „Starke Mann“ in der Sowjetunion und damit
auch Führungspersönlichkeit im sowjetisch
dominierten Ostblock. Die zwei Jahrzehnte seiner
Herrschaft zwischen der moderat reformistischen Ära
Chruschtschow und der das Ende der Sowjetunion
einläutenden Perestroika gelten sowohl als eine
Phase oft als „neostalinistisch“ bezeichneter
Stagnation als auch als eine Phase relativer innen-
und außenpolitischer Verlässlichkeit. Mit dem Namen
des äußerlich durch seine breiten Augenbrauen
auffallenden Staats- und Parteiführers sind
insbesondere die Breschnew-Doktrin sowie der
Einmarsch von Soldaten der Warschauer-Pakt-Staaten
in die Tschechoslowakei (1968) verbunden.
Arbeitersohn Leonid Iljitsch Breschnew kam am
19. Dezember 1906 (nach dem damals noch in
Russland geltenden
julianischen Kalender am 6. 12.) in dem heute zur
Ukraine gehörenden Ort Kamenskoje (heutiger Name:
Kamjanske) auf die Welt. Der ehrgeizige Breschnew
absolvierte bis 1927 eine Ausbildung zum Metallurg.
Breschnew arbeitete in den Folgejahren unter anderem
als Landvermesser im Ural-Gebiet. 1931 trat er, der
1923 Mitglied der kommunistischen Jugendorganisation
Komsomol geworden war, der KPdSU bei. 1923 hatte
Breschnew Wehrdienst in der Roten Armee geleistet
und war dort zum Politkommissar befördert worden.
Neben seiner Arbeit bildete sich Breschnew fachlich
fort und graduierte sich 1935 zum Diplom-Ingenieur.
In der Zeit der „Großen Säuberung“ (1936 bis 1938)
fielen etwa 1,5 Millionen Menschen dem
stalinistischen Terror zum Opfer. Darunter viele
altgediente, von Stalin als potenzielle Feinde
verdächtigte Apparatschiks. Den Platz der ermordeten
oder inhaftierten Parteigranden besetzte Stalin
bevorzugt mit Technokraten der jüngeren Generation.
Auch Breschnew profitierte von dieser Entwicklung:
1939 wurde er zum Parteisekretär im
Dnipropetrowsk-Gebiet, einer Industrieregion in der
Ukraine, ernannt. In seiner neuen Funktion lernte er
Nikita Chruschtschow, den KP-Chef der Ukraine,
kennen. Chruschtschow wurde zum wichtigen Förderer
Breschnews.
Nachdem deutsche Truppen im Juni 1941 in die
Sowjetunion eingefallen waren, wurde Breschnew als
Politkommissar eingezogen. Seine erste Aufgabe war
es, die Verlegung der Industrieanlagen
Dnipropetrowsk in das mutmaßlich sichere
ostrussische Hinterland zu organisieren. In der
Folgezeit diente Breschnew in der Politabteilung der
in der Ukraine kämpfenden sowjetischen Heeresgruppe
Südfront. Nach der Eroberung der Ukraine durch die
Deutschen wurde Breschnew an die Kaukasus-Front
versetzt. 1943, nachdem die Deutschen in die
Defensive gedrängt worden waren, wurde Breschnew als
Polit-Chef einer Armee wieder in der Ukraine
eingesetzt. Sein Vorgesetzter war Nikita
Chruschtschow. 1945 nahm Breschnew als
Chef-Politkommissar der 4. Ukrainischen Front an der
Befreiung Prags teil. 1946 wurde der inzwischen zum
Generalsmajor aufgestiegene Offizier hochdekoriert
aus der Armee entlassen.
In der unmittelbaren Nachkriegszeit stieg Breschnew
stetig die Karriereleiter hinauf. So war er als
Erster ZK-Sekretär in der Moldauischen
Sowjetrepublik von 1950 bis 1952 der dortige höchste
KPdSU-Repräsentant. 1952 wurde in das ZK der
Sowjetunion aufgenommen. Hier nahm er bald den
einflussreichen Posten des Sekretärs ein. Sein
Förderer Chruschtschow war nach dem Tod Stalins 1953
Parteichef geworden. Er hatte sich mit seiner
Politik der Entstalinisierung und der Reformen in
der Partei viele Feinde gemacht. Ein Putschversuch
der Gruppe um Malenkow und Molotow scheiterte 1957.
Breschnew wurde von Chruschtschow in Anerkennung
loyaler Haltung 1959 als Vollmitglied ins Politbüro
berufen. Die etwa ein Dutzend Politbüro-Mitglieder
stellten den Kern der Macht in der Sowjetunion dar.
Einen gewissen Karriereknick musste Breschnew
erfahren, als er 1960 zum Vorsitzenden des Obersten
Sowjets ernannt wurde. Zwar war er damit formal das
sowjetische Staatsoberhaupt. Dafür hatte er aber das
machtpolitisch wesentlich wichtigere Amt des
ZK-Sekretärs aufgeben müssen. Nach dem Ausscheiden
seines Hauptrivalen Koslow konnte Breschnew seine
Position ab
1963 aber erneut stärken und galt 1964
als die Nr. 2 nach Chruschtschow.
Chruschtschow hatte sich durch seine Reformen und
insbesondere seine Annäherungspolitik in Richtung
USA sowie den Konfrontationskurs gegen China
zunehmend im Politbüro exponiert. Im Oktober 1964
wird er von seinem Protegé Breschnew, der sich die
Mehrheit in ZK und Politbüro gesichert hatte,
gestürzt. Neuer Parteichef wird Breschnew. Nach zwei
Jahren ist seine Position endgültig gefestigt. 1977
wurde er auch (wieder) Staatsoberhaupt.
Breschnews Herrschaftszeit war im Innern durch die
Sicherung der Parteimacht auf allen Ebenen der
Verwaltung und des sozialen Lebens gekennzeichnet.
In Teilen wurde zudem die von Chruschtschow
eingeleitete Entstalinisierung relativiert. Im
erweiterten Sinne schlug diese Haltung sich auch im
Verhältnis der Sowjetunion zu den „Bruderstaaten“
des Warschauer Pakts nieder. Das vom
tschechoslowakischen KP-Chef Dubček betriebene
Reform-Modell, einen demokratischen Sozialismus zu
etablieren, lässt Breschnew im Frühling 1968 von
Panzern niederwalzen. In der im November 1968 als
„Breschnew-Doktrin“ bekannten Verkündigung auf dem
Parteitag der polnischen Kommunisten machte
Breschnew klar, dass die Staaten des Ostblocks
lediglich beschränkte Souveränität hätten. Danach
hatte die Sowjetunion das Recht, in die inneren
Angelegenheiten der Bruderstaaten bei Gefährdung des
„wahren Sozialismus“ einzugreifen.
Im Verhältnis zum Westen war Breschnew oft
Pragmatiker. Auf der einen Seite unterstützte er in
den 1970er Jahren die insbesondere vom deutschen
Bundeskanzler Brandt forcierte Entspannungspolitik,
die durchaus auch politische und ökonomische
Vorteile für die Sowjetunion versprach. Folge war
eine kurze „Tauwetter“-Phase von Anfang bis Ende der
70er Jahre. Nicht zuletzt ist es Breschnew zu
verdanken, dass 1975 die für den Entspannungsprozess
wichtige KSZE-Schlussakte in Helsinki unterzeichnet
worden ist.
Auf der anderen Seite nutzte Breschnew die nach dem
Vietnam-Krieg aufgezeigte Schwächung der
weltpolitischen Position der USA, um eigene
Interessen in Afrika und Asien massiv zu betonen.
Insbesondere das desaströse sowjetische militärische
Engagement in Afghanistan 1979 wurde als negative
Machtpolitik wahrgenommen und bedeutete das
endgültige Ende des „Tauwetters“. Das Scheitern der
Abrüstungsgespräche (SALT II) und der Boykott der
Olympischen Spiele in Moskau 1980 durch westliche
Staaten schufen eine vom ab
1981 amtierenden
US-Präsidenten Ronald Reagan als Steilvorlage für
eine Belebung des Kalten Krieges genutzte Situation.
Der seit dem Mitte der 70er Jahre an Kreislauf- und
Herzbeschwerdern leidende Breschnew starb am
10.
November
1982 in Moskau an Herzversagen. Er hinterließ Frau
Viktoria, einen Sohn und eine Tochter.
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