Franz Liszt Leben
Obwohl der Aufenthalt in Wien nur anderthalb
Jahre gedauert hatte, fiel
es Franzl und seiner Mutter recht schwer, die Stadt zu verlassen. Adam
Liszt hingegen strahlte Zuversicht aus. Dennoch war es auch dieses Mal
eine Reise ins Ungewisse. Franzl würde sich nicht nur mit exzellenten,
musikalischen Fähigkeiten im Ausland präsentieren können, auch sein
Französisch war mittlerweile sehr gut gediehen. Er stand nun schon kurz
vor seinem zwölften Geburtstag. Voller unbekümmerter Neugier bestieg
er mit seinen Eltern am 20. September 1823 die Postkutsche.
„Franzl, wir werden lange unterwegs sein. Du solltest die Zeit nutzen
und deine Reiseeindrücke aufschreiben.“ Der Junge versprach es dem
Vater und lehnte sich an seine Mutter. Anna lächelte ihren Sohn an.
„Der Herr Czerny wird hocherfreut sein, wenn er eines Tages lesen wird,
was du alles erlebt hast und wie es dir in München gefallen hat.“ „Ich
werde in München spielen?“, fragte Franzl. „Ja, Franz“, mischte sich nun
der Vater ein. „Auch in Augsburg und in Stuttgart. Mit dem Schreiben“,
hierbei tippte er sich strahlend auf die linke Seite seines Rockes.
„wird
uns keine Tür verschlossen bleiben. Und in Paris wirst du dann auf
das Konservatorium gehen.“ Das berühmte Conservatoire de musique!
Franzl hatte schon viel von dieser bedeutenden Akademie gehört. Er
freute sich sehr, dass er dort studieren sollte. Und Adam Liszt spürte,
dass er gut daran getan hatte, Eisenstadt und damit die sichere Existenz
zu verlassen.
Nach sechs Tagen kam die Familie Liszt in München an. Franzls Vater
musste sich zunächst, wenn auch gezwungenermaßen, mit einer
Konzertpause abfinden. Ignaz Moscheles gastierte in der Stadt und
dessen Ruf als hervorragendster Klaviervirtuose Europas hätte Franzls
Auftreten wohl in einen unverdienten Schatten gestellt. Zudem war für
den 5. des Folgemonats der Beginn des Oktoberfestes angesetzt, auf
dem sich die Münchner und ihr König, Maximilian I. Joseph von Bayern,
den seine Untertanen liebevoll König Max nannten, mit einem großen
Pferderennen und anderen Belustigungen vergnügten. Die Stadt war
deshalb schon Tage vorher voller Menschen und da würde einem Konzert
keine große Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es galt abzuwarten und
einen günstigen Zeitpunkt zu finden.
Am 17. Oktober konnte Franzl endlich sein erstes Konzert in München
geben. Es wurde durch die Anwesenheit des Königs besonders glanzvoll,
wenngleich Adam Liszt enttäuscht war, dass das Publikum ansonsten
nicht so zahlreich erschienen war, wie er gehofft hatte. Dennoch gab es
enthusiastischen Beifall, besonders der Regent und die Prinzessinnen
klatschten sich die Hände wund. Aber gleich das zweite Konzert, das
wenige Tage später stattfand, übertraf alle Erwartungen. Es konnten gar
nicht so viele Zuschauer untergebracht werden, wie Einlass begehrten.
Die Kasse musste vorzeitig geschlossen werden, um den ohnehin
schon überfüllten Raum nicht zum Bersten zu bringen. Die Einnahmen
waren beträchtlich und die Begeisterung hatte zur Folge, dass Franzl
von allen Seiten mit den schmeichelhaftesten Einladungen überhäuft
wurde. Voller Stolz schrieb der Vater Czerny über diese Ereignisse. Er
vergaß auch nicht, die beiden Audienzen zu erwähnen, die ihnen der
König gewährte.
Auch für Franzl waren sie ein großartiges Erlebnis. Der König, der als
sehr gütig bezeichnet wurde, war tatsächlich ein warmherziger Monarch.
Und als er ihn beim ersten Besuch voller Bewunderung fragte: „Und du
Kleiner hast dich getraut, nach Moscheles aufzutreten?“, da hatte Franzl
selbstbewusst gestrahlt. Er konnte sich zwar nicht mehr genau erinnern,
was er dem König geantwortet hatte, weil er sehr aufgeregt war und alles
recht schnell ging, aber die Frage zeigte doch, dass der König Franzls
erstaunliches Können anerkannte, und das war für den Jungen die größte
Freude. Als der Regent bei der zweiten Begegnung ganz euphorisch
sagte: „Geh her, ich muss dich küssen“ und der Vater deshalb Tränen in
den Augen hatte, war Franzl ein wenig beschämt. Diese Rührung, die
sein Vater empfand, war ihm doch recht unangenehm und er drehte sich
weg. Dessen ungeachtet bekam Liszt ein Empfehlungsschreiben vom
König ausgehändigt, das ihm in der Folgezeit wieder neue Türen öffnen
würde, zumindest in Deutschland. Und in der Zeitung hieß es: „Ein neuer
Mozart ist uns erschienen!“ Franzl wurde mit Moscheles auf eine Stufe
gestellt und auch seine Improvisationen wurden in den höchsten Tönen
gelobt.
Nur
wenige Tage nach Franz Liszt zwölftem Geburtstag >>>
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