Das Literaturjahr 2005 -
Wenn sich ein Schriftsteller die
Bücherverbrennung im Dritten Reich zum Thema
macht und dabei eine spannende Geschichte erzählt,
kann daraus nur ein Bestseller werden. Das gelang
Markus Zusak mit dem spektakulären Einstieg in die
Literatur durch seinen Roman „Die Bücherdiebin“.
Darin geht es genau um das. Bücher werden gestohlen,
um sie dann später vor dem Autodafé durch die Nazis
zu retten. Der Schriftsteller entschied sich für
Werke, die fiktiv waren und die die junge
Protagonistin auslieh, stahl oder geschenkt bekam.
Sie erinnert sich bis ins hohe Alter an die schwere
Zeit, die ihr durch die Bücherwelt erleichtert
wurde.
Bei der Verleihung des Literaturnobelpreises mit
Anwärtern wie Philip Roth, Orthan Pamuk, Margaret
Atwood, Amos Oz, John Updike, Tomas Transströmer, Ko
Un oder Adonis verwunderte 2005 die trockene
Entscheidung für Harold Pinter, der den Preis
schließlich für seine Dramen erhielt. Kritiker
sprachen von einer trostlos langweiligen und fast
schon anachronistischen Entscheidung. Es galt, einen
Autor zu finden, der politisch genug engagiert war,
aber auch den in den vorangegangenen Jahren gelobten
Werken in ihrer Experimentierfreude und Verrücktheit
etwas Bodenständiges entgegenzusetzen.
Paul Auster hatte sich 2005 endlich tiefer mit dem
Thema seiner geliebten Schreibmaschine
auseinandergesetzt. Er, der als moderner
Schriftsteller dennoch den flimmernden Bildschirm
eines Computers ablehnte und stattdessen lieber
Schreib- und Farbbänder auf Vorrat einkaufte, in der
Hoffnung, sie würden lange genug ausreichen, um
seine Bücher auf der „Olympia“ zu verfassen, die ihm
kreativen Input verlieh, brachte ein kleines und
gelungenes, graphisch sehr schön gestaltetes Werk
heraus, das größtenteils die kunstvollen
Interpretationen seines Malerfreundes Samuel Messer
enthielt, der die Schreibmaschine kreativ in allen
möglichen Gemälden festhielt. Auch Darstellungen
Austers selbst waren im Buch enthalten, verfeinert
durch Austers Gedanken zur „Olympia“. So entstand
eine kurze Geschichte des Schreibens, die stark an „Naked
Lunch“ von William S. Burroughs erinnerte.
Mit ihrer Twilight-Tetralogie setze Stephanie Meyer
dem Vampir ein Denkmal, wobei sich ihr Werk weltweit
in Millionenauflage verkaufte. 2005 erschien der
erste Band "Twilight", in deutscher Übersetzung dann
mit dem Titel „Bis(s) zum Morgengrauen“. Die
Begeisterung der Leser und Fans war groß. Mit
Ungeduld wurde dann jedes Jahr der nächste Teil
erwartet.
Haruki Murakami veröffentlichte in diesem Jahr „Afterdark“.
Hier ging es um die Geschichte mehrerer Menschen,
die sich in einem bestimmten Zeitraum in Tokio
aufhielten. Das Geschehen wurde wie durch das Auge
einer Kamera betrachtet, wobei dann ab und zu ein
Zoom erfolgte. Der Schriftsteller setzte in diesem
Roman vor allen Dingen auf visuelle Effekte, fand
bei den Kritikern jedoch weniger Lob. So manch einer
sprach sogar von einer „missratenen Fingerübung“.
Vielleicht lag es auch daran, weil Murakami
versuchte, sich am amerikanischen Filmgenre zu
orientieren. Als Roman zwischen den großen Werken
„Kafka am Strand“ und „1Q84“ ist „Afterdark“ ein
guter Lückenfüller.
Der in
Großbritannien lebende Japaner Kazuo
Ishiguro brachte 2005 „Alles, was wir geben mussten“
heraus, ein faszinierendes Werk über das Klonen von
Menschen und die spannende Frage, inwieweit den
geklonten Menschen ein eigenes Dasein zugestanden
werden soll, wo sie doch eigentlich als
Organlieferanten geschaffen wurden. Das Werk ist
sehr philosophisch und tiefgründig, gleichzeitig in
seinem Aufbau auch angenehm unterhaltsam. Der Film,
der mit Mark Romanek und Keira Knightley nach der
gelungenen Romanvorlage gedreht wurde, reichte nicht
andeutungsweise an die Qualität der Story heran.
Von Uwe Tellkamp erschien der zweite Roman mit dem
Titel „Der Eisvogel“, der eine kunstvolle
Verknüpfung aus Zeitebenen, Stimmen, Erinnerungen
und Bildern war. Die Geschichte dieser
Veröffentlichung war gleichfalls eindrucksvoll, denn
Tellkamp bot den Roman verschiedenen Verlagen an und
wurde abgelehnt, bis sich ein Leipziger
Literaturzeitschriftenherausgeber für ihn beim
Rowohlt Verlag stark machte, wo das Buch dann
erscheinen konnte. Es war eine Art Vorreiter zum
Hauptwerk „Der Turm“, mit dem Tellkamp dann bekannt
wurde.
In den USA erschien 2005 „Irrsinn“ von Dean Koontz,
der seinen Protagonisten Sätze aus dem Werk von T.
S. Eliot in den Mund legte, die dieser in
schwierigen Situationen zitierte. Im Bereich der
fantastischen Literatur machte sich Koontz schnell
einen Namen und gehörte bald zu den erfolgreichsten
Schriftstellern der Welt. Bevor er mit dem eigenen
Namen signierte, schrieb er etliche Science-Fiction-
und Horrorromane unter verschiedenen Pseudonymen.
Eine Lesergemeinde gewann er durch seine Romanserien
aus mehreren Büchern. In „Irrsinn“ geht es um die
schwerwiegende Entscheidung über Leben und Tod
zweier Menschen, vor die ein einfacher Barkeeper
mehrfach durch einen Mörder gestellt wird. Bis zur
Klärung der Identität des Täters ist es ein langer
und beschwerlicher Weg mit vielen Toten.
Von dem niederländischen Schriftsteller Cees
Nooteboom, der für seine Reisebücher bekannt war,
erschien 2005 „Paradies verloren“, ein wunderbar
poetisches Werk, das sich an dem Gedicht von Milton
„Die Vertreibung aus dem Paradies“ orientierte. Es
ging um die moderne Suche nach dem Verlorenen, um
die äußerliche und innere Reise, aber auch um den
Blick auf primitive Völker und ihre kulturelle
Entwicklung.
Eine Glanzleistung war 2005 der Roman „Die
Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann. Den Inhalt
bildete eine fiktive Doppelbiografie des
Naturforschers
Alexander von Humboldt und des
Mathematikers
Carl Friedrich Gauß, wobei besonders die
liebevolle Gestaltung der Charaktere in den
Vordergrund rückte. Kehlmann als präziser Schreiber
und Kenner der deutschen Sprache bediente sich eines
ironischen Erzähltons, der den Leser vollständig
erreichte. Das Buch eroberte den ersten Platz der
Spiegel-Bestsellerliste und verkaufte sich weltweit
in mehr als sechs Millionen Exemplaren.
Buch Bestseller 2005 Deutschland
Frank Schätzing – Der Schwarm
Dan Brown – Sakrileg
Dan Brown – Diabolus
Donna Leon – Beweise, daß es böse ist
Diana Gabaldon – Ein Hauch von Schnee und Asche
Joanne K. Rowling – Harry Potter und der
Halbblutprinz
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