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Chronik 1954
Für Zeithistoriker gehören die französische
Niederlage im Indochina-Krieg, der Beginn des
Algerien-Kriegs und die Unterzeichnung des
Schlüssel-Dokuments („Communist Controll Act“) der
anti-kommunistischen Hatz in den USA auf
internationaler Ebene zu den herausragenden
Ereignissen des Jahres 1954. In Frankreichs brüchig
gewordenem indochinesischen Kolonialreich hatten
sich französische Fallschirmjäger und
Fremdenlegionäre in der Schlacht von Dien Bien Phu
(März bis Mai 1954) den Bauern-Soldaten des
kommunistischen Vietminh geschlagen geben müssen.
Auf der Genfer Konferenz vom 21. Juli 1954 wurde die
französische Kolonie Vietnam in die nördlich des 17.
Breitengrads liegende, unter der Führung von Ho Chi
Minh (1890–1969) stehende „Demokratische Republik
Vietnam“ und in das westlich dominierte Südvietnam
geteilt. Wenige Monate später sah sich Frankreich
erneut in einen Kolonialkrieg verwickelt. Am 1.
November hatte die algerische Befreiungsbewegung FNL
einen Aufstand begonnen, der erst 1962 mit der
Unabhängigkeit Algeriens endete. In den USA tobte
währenddessen unter der Federführung des
republikanischen Senators Joseph McCarthy
(1908–1957) ein Gesinnungskampf gegen tatsächliche
oder vermeintliche Kommunisten („Zweite rote
Gefahr“) und „unamerikanische Umtriebe“. Höhepunkt
der mit Verschwörungstheorien, Bespitzelungen und
Misstrauen gegenüber Kritik und Intellektuellen
einhergehenden McCarthy-Ära (1950 bis 1955) war das
1954 unterzeichnete Antikommunisten-Gesetz („Communist
Control Act“), das die kommunistische Bewegung in
den USA kriminalisierte.
Aus dem Blickwinkel der deutschen Bundesrepublik,
die zwar 1949 als selbständiger Staat entstanden
war, aber unter Besatzungsstatut (bis 1955) der
Westalliierten stand und lediglich eingeschränkte
Souveränität besaß, waren andere politische
Entwicklungen wichtiger. Die von Bundeskanzler
Konrad Adenauer (1876–1967, CDU) auf strikt
atlantischen Kurs eingeschworene BRD positionierte
sich erfolgreich als Musterschülerin des westlichen
Lagers, das sich mitten im Kalten Krieg gegen den
Sowjet-Block befand. Als Ergebnis der Londoner
Neunmächte-Konferenz und der Pariser Verträge im
Oktober 1954 wurde der Bundesrepublik Deutschland
für das Folgejahr Souveränität, Aufnahme in die NATO
und Wiederbewaffnung zugebilligt. Die zukünftige
Wiederaufstellung deutscher Streitkräfte stieß
sowohl im Inland („Ohne mich“-Bewegung) wie im
Ausland auf heftige Proteste.
In dem von Ost-West-Konflikt bestimmten politischen
Klima sorgte die „Otto-John-Affäre“ für massives
Aufsehen. Der als erster Präsident des Bundesamtes
für Verfassungsschutz oberster „Schlapphut“ der
jungen BRD, der Jurist Otto John (1909–1997), war im
Juli 1954 in Ost-Berlin aufgetaucht und hatte von
dort aus als offensichtlicher Überläufer gegen die
Adenauer-Politik Stellung genommen. 1955 kehrte John
in den Westen zurück und behauptete, 1954 in die DDR
verschleppt und dort zu seinen Stellungnahmen
gezwungen worden zu sein. Mit besonderem Interesse
wurde in der Bonner Republik im November 1954 der
Besuch des äthiopischen Kaisers Haile Selassie
(1892-1975) verfolgt, der das erste Staatsoberhaupt
war, das die BRD besuchte. Er wurde vom kurz vorher
zum zweiten Mal in sein Amt gewählten
Bundespräsidenten Theodor „Papa“ Heuss (1884–1963,
FDP) empfangen. Der Kaiser-Besuch galt vielen
Deutschen als Hinweis auf Wiederherstellung
internationaler Reputation.
Das aber auch für viele DDR-Bürger emotional
wichtigste Ereignis des Jahres aus deutscher Sicht
war zweifellos der Gewinn der
Fußballweltmeisterschaft durch die DFB-Auswahl. Die
Elf um Mannschaftskapitän Fritz Walter (1920-2002)
schoss beim „Wunder von Bern“ im Endspiel
Deutschland mit 3 : 2 gegen Ungarn in den ewigen
Fußball-Himmel.
Für die U-Musik, die in Deutschland von
Biederdeutsch-Hits wie Vico Torrianis „Granada“ oder
dem „Heideröslein“ der Combo „Friedel Hensch und die
Cypris“ beherrscht wurde, war 1954 das Jahr, in dem
sich der Rock ´n´ Roll aufmachte, die Welt der
Jungen zu erobern. US-Sänger Bill Haley (1925-1981)
veröffentlichte sein von den meisten Platten-Bossen
verschmähtes „Rock around the Clock“ und sein ebenso
noch unbekannter Landsmann
Elvis Presley (1935–1977)
ging mit „That´s Allright, Mama“ an den Markt. Beide
Rock-Stücke hatten zunächst lediglich
Achtungserfolge innerhalb der langsam wachsenden
Gemeinde von Freunden rauerer Musiktöne, wurden aber
im Jahr darauf zu Gigahits. „Rock around the Clock“
wurde durch den Film „Saat der Gewalt“ (1955)
weltweit bekannt und sorgte für waldbrandmäßige
Verbreitung des neuen Musikstils.
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