Das Sportjahr 1905 – Erste deutsche
Tourenwagen-Rallye
Das Jahr, in dem die Russische Revolution mit dem
Blutsonntag von Petersburg für Russland ein
politisches Desaster war, hatte dessen
ungeachtet auf sportlicher Ebene eine Menge zu
bieten.
Motorsport
Im deutschen Motorsport war es zwar kein
Rennfahrer, aber ein sportlicher interessierter
Mann, auf dessen Initiative hin die erste
Tourenwagen-Rallye zustande kam. Hubert von
Herkomer, war zu seiner Zeit bereits ein
namhafter Schriftsteller. Er war aus Bayern
gebürtig, war Maler, Musiker und Bildhauer, war
ein Theater- und Filmemacher – kurz, er war
musisch vielseitig.
Sein Name steht aber auch
für den Wegbereiter des Automobilsports in
Deutschland. Im Jahr 1905 regte Herkomer, der
selbst ein leidenschaftlicher Automobilist war,
ein Tourenwagen-Rennen an, das er auch
sponserte. Es war für Herkomer kein Wagnis,
diese Rallye populär zu machen, denn in seinem
Umfeld als Künstler befanden sich nicht nur
Zuschauer der Rallye, sondern auch Teilnehmer,
die aus dem Hoch- und Geldadel stammten. Diese
Herkomer-Konkurrenzen, wie die Rallyes in
deutschen Landen auch genannt wurden, machten
das Automobil so populär, dass es bald ein ganz
selbstverständliches Gefährt zu werden begann.
Im Jahr 1905 war es ja noch ein recht „junges“
Gefährt, doch das öffentliche Interesse wuchs
zusehends und man kann es durchaus mit dem
Aufsehen vergleichen, das heute ein
Formel-1-Rennen auslöst. Bis 1907 wurden die
Herkomer-Konkurrenzen ausgetragen. Sie waren
zugleich Zuverlässigkeitsprüfungen für die
Automobile. Der Universalkünstler Hubert von
Herkomer hatte selbst den Herkomer-Preis
kreiert, der aus purem Sterlingsilber gefertigt
war und den der Sieger der Rallye entgegennehmen
durfte. Die 40 kg schwere Trophäe, auf der das
Siegerbildnis zu sehen war, gilt bis in die
Gegenwart als der wertvollste private
Automobilpreis weltweit. Die Herkomer-Konkurrenz
ist weltweit die älteste Tourenwagen-Rallye.
In Frankreich fand im Jahr 1905 wieder der
Gordon-Bennett-Cup statt, bei dem im Vorjahr der
Franzose Léon Théry den Sieg davongetragen
hatte. Die Strecke, die 1905 ausgewählt worden
war, hatte eine Länge von 137 Kilometer, war
sehr hügelig und führte durch die Auvergne.
Wieder musste sie vier Mal durchfahren werden
und wieder war Théry siegreich. Die Plätze zwei
und drei belegten die italienischen Rennfahrer
Felice Nazzaro und Alessandro Cagno. Sie sorgten
mit Fiat für große Beachtung. Es war für alle
der letzte Gordon-Bennett-Cuo, denn jede Nation
durfte nur mit drei Fahrzeugen an den Start
gehen. Diese Beschränkungen entsprachen nicht
mehr den zunehmenden Anforderungen der
Automobilhersteller, zumal neben dem Cup nur
kleinere Rennen stattfanden, die für die
Hersteller von nicht allzu großem Interesse
waren.
Letztendlich war das Jahr 1905 die
Übergangssaison zur ersten Grand-Prix-Saison im
Folgejahr.
Das traditionelle Ardennenrennen, das im
belgischen Bastogne stattfand, gewann am 7.
August 1905 der französische Automobilrennfahrer
Victor Hémery, der mit Darracq seinen Durchbruch
erzielen konnte. Im selben Jahr wurde er auch
Sieger des Vanderbilt Cups, der in den
Vereinigten Staaten stattfand.
Ringen
Nachdem im Vorjahr Wien der Austragungsort der
Ringer-Weltmeisterschaften gewesen war, wurden
sie 1905 in Berlin veranstaltet. Sie fanden vom
8. bis zum 10. April 1905 statt und wurden nun
schon in drei Gewichtsklassen durchgeführt.
Waren es im Vorjahr nur die Klassen unter bzw.
über 75 Kilogramm, so gibt es 1905 die Klassen
bis 68 kg, dann die Klasse bis 80 kg und die
Klasse über 80 kg. Am griechisch-römischen
Ringer-Stil hatte sich nichts geändert. Mit
insgesamt acht Medaillen hatten die Athleten des
Deutschen Reiches fast alle Siege unter sich
ausgemacht. Die acht Medaillen waren drei Mal
Bronze, drei Mal Silber und zwei Mal Gold. Den
zweiten Rang des Medaillenspiegels erreichte
Dänemark mit einer Goldmedaille.
Radsport
Neben der Tour de France und der
UCI-Bahn-Weltmeisterschaft wurde im Jahr 1905
zum ersten Mal die Lombardei-Rundfahrt
ausgetragen. Sie ist ein italienisches
Eintagsrennen, das traditionsgemäß die Saison
beendet. Die Lombardei-Rundfahrt gehört im
Radsport zu den fünf sogenannten Monumenten, ist
aber das einzige Monument, das nicht im
Frühjahr, sondern im Oktober veranstaltet wird.
Es findet noch heute jährlich statt. Nur in den
Jahren 1943 und 1944 musste die Rundfahrt wegen
des Zweiten Weltkriegs ausfallen.
Die Lombardei-Rundfahrt führte ab 1905 stets von
Mailand nach Mailand. So wurde es bis 1961
unverändert gehandhabt. Anschließend gab es
wechselnde Streckenverläufe. An der Beliebtheit
der Rundfahrt hat sich indes nichts geändert.
Der Profi-Radrennfahrer Giovanni Gerbi
(1885-1954) wurde im Jahr 1905 Sieger der ersten
Lombardei-Rundfahrt. Er gehörte in Italien zu
den damals sehr populären Sportlern und für
seine rasanten Fahrkünste hatte er den
Spitznamen „Diavolo Rosso“ (Roter Teufel). Im
selben Jahr war außerdem italienischer
Stehermeister geworden.
Was sonst noch geschah
Die Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft, die 1905 in
der schwedischen Hauptstadt Stockholm
veranstaltet wurde und bei der Ulrich Salchow
den WM-Titel errang, war die letzte ihrer Art,
bei der es ausschließlich eine Herrenkonkurrenz
gab. Im Folgejahr gingen im Eiskunstlauf auch
die Damen aufs Eis.
In London wurde der Fußballverein FC Chelsea
gegründet und in Deutschland trug man das
Endspiel um die deutsche Meisterschaft aus, bei
dem der Berliner TuFC Union 92 gegen den
Karlsruher FV mit 2:0 im Köln-Weidenpescher Park
den Titel holte.
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