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1909
Das
Modejahr 1903 Mode – Ein gesunder Rücken war
unmodern
Schnelllebig war sie nicht – die Zeit am Beginn des
neuen Jahrhunderts, auch wenn der technische
Fortschritt auf dem Vormarsch war. Die
Damenbekleidung war modisch offenbar in einer
Sackgasse angekommen. Noch immer „erpresste“ das
Sans-Ventre-Korsett den Rücken und den Bauch der
Damen. Doch einige Frauen konnten sich der massiven,
öffentlichen Befürwortung des Reformkleides nicht
ganz entziehen und nahmen es wenigstens wahr. Das
„gerade Kreuz“, sich dafür zu entscheiden und es zu
tragen, hatten sie allerdings noch nicht. Gut Ding
wollte Weile haben. Das Interesse am gesunden
Rücken
war einfach noch zu gering. Da die Mode den Bauch
selbst bei schlanken Frauen verpönte, quetschten
sich die Damen weiterhin in ihr Korsett. Die Kleider
hatten zudem eine Länge, die durch die Schleppe das
Laufen sehr erschwerte. Es blieb Frau nichts anderes
übrig, als die Röcke zu raffen. Aber um welchen
Preis? Knöchel und Waden wurden sichtbar. Also
mussten besondere Strümpfe getragen werden, die die
Blicke auf sich zogen und durch verzierte, schmucke
Verarbeitung auffielen. Inkrustierte, mit
Auflegearbeiten versehene Strümpfe aus Seide wurden
unumgänglich. Die Damen trugen sie gern. Wenn schon
Bein gezeigt wurde, dann sollte dies modisch
abgemildert werden, denn die Zeit war prüde und
verschmähte nicht nur den Bauch, sondern auch die
Koketterie.
Zur Sans-Ventre-Garderobe trugen die Frauen in ihrer
künstlichen Schlankheit gefältelte Jabots aus feinen
Spitzenstoffen. Das bewirkte, dass der Bauch optisch
noch mehr verschwand. Kleider für den Tag und vor
allem für den Abend wurden ganz aus Spitze
gefertigt. Ein kurzer Mantel oder ein Bolero waren
dazu passend. Schwarz-weiße Kreationen galten als
sehr schick. Alle Varianten von Loch- und
Schnurstickereien kamen zur Geltung, Musselin- und
Charmeuse-Stoffe wurden verarbeitet. Kleine und
große Falten verzierten die Kleider, wobei die
Fältelung an der Hüfte ausgespart wurde, um die
zierliche Figur nicht zu beeinträchtigen. Den
größten Aufwand betrieben die Damen mit ihrer
Abendgarderobe. Eingelegte und aufgesetzte
Stoffteilchen – Applikationen und Inkrustationen –
wurden in grenzenloser Vielfalt aufgebracht.
Bordüren und Stoffblumen, Pailletten und
Faltenaufputz waren typisch für die Abendroben. Das
Dekolleté war tief ausgeschnitten. Die Ärmel konnten
zwangsläufig erst am äußeren Stoffrand angesetzt
werden. Hier war erstklassige Schneiderkunst
gefragt, damit das Oberteil nicht von
den Schultern
rutschte. Der einzige Schmuck zu solchem Gewand war
eine Halskette, die aus vielen Perlenreihen bestand.
Es waren zumeist französische Kreationen, die die
Damen mit Vorliebe trugen. Charles Frederick Worth –
er gilt als der Begründer der Haute Couture –
gehörte zu den bevorzugten Modeschöpfern. Auch die
Modelle von Jacques Doucet und seinem Schützling
Paul Poiret erfreuten sich großer Beliebtheit.
Poiret machte nicht nur durch seine Kleider auf sich
aufmerksam, sondern auch durch die wöchentlich
wechselnden Dekorationen seiner Schaufenster, die
von höchstem, kreativem Können zeugten.
In der Mode für den Tag nahm das Kostüm einen immer
größeren Stellenwert ein. Es war bequemer als die
Sans-Ventre-Kleider und bestach durch den der
Männermode entlehnten Stil, der an eine Uniform
erinnerte. Der Saum war knöchellang, die Taille
durch einen Gürtel betont. Auch dieses
Kleidungsstück war der schlanken Linie vorbehalten.
In modischer Hinsicht wurde auch der Mann wieder
berücksichtigt. Eine Empfehlung aus Paris setzte
sich durch: der Tagesanzug mit langem Schoß und
Taillennaht. Er war ausnehmend elegant, umso mehr,
wenn er mit einem Spazierstock komplettiert wurde.
Natürlich trug der Mann von Welt einen Hut,
vornehmlich einen Zylinder. Die Hemden der jüngeren
Generation hatten bereits einen gesteiften
Umlege-Kragen. Ältere Herren hielten am Vatermörder
fest. Dieser steife Stehkragen, der vorn offen war,
konnte separat an das Hemd geknöpft werden. Scharfe
Ecken, die diesem Kragen den Namen gaben, ragten bis
über das Kinn. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts
hielt sich dieser Kragen schon, obwohl er unbequem
war. Mann musste den Kopf damit hoch erhoben tragen,
damit die Ecken ihn nicht allzu sehr piesackten.
Dass viele Herren die Welt von oben herab
betrachteten, war allerdings nicht nur die Schuld
der Mode, sondern hing auch mit der Männer-Rolle in
der Gesellschaft zusammen.
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