Juweliere und Kunsthandwerker – erweiterte Schmuckherstellung


Das Jahrzehnt, in dem die „Titanic“ sank, in dem das Attentat in Sarajevo auf den österreichischen Thronfolger zum Ersten Weltkrieg führte und in dem die alte Gesellschaftsordnungen in Europa durcheinander gerieten, konnte modische Belange dennoch nicht verdrängen. Doch es veränderte sie. Auch die Art des Schmuckes erfuhr eine Entwicklung, die sich nach und nach vom Einfluss des Jugendstils zu befreien versuchte. Schmuck war für Damen ein Status-Beiwerk, das unverzichtbar war. Und noch musste es wertvoll sein. Doch dieser Maßstab begann schon zu bröckeln.
Waren es einst nur Juweliere, denen die Herstellung von Schmuck oblag, so kamen allmählich Kunsthandwerker verschiedener Couleur dazu, denn die Bandbreite der Materialien änderte sich. Die Ausläufer der Jugendstilornamente, die auf fantasievollen Ketten, Broschen und Anhänger zu erkennen waren, verlangten nicht nur echtes Gold oder Diamanten. Auch Halbedelsteine waren salonfähig geworden. Perlmutt, Email, Silber und sogar Eisen wurde zu Schmuck verarbeitet.
Die Zeit, die den Menschen viel Leid und Entbehrungen gebracht hatte und in der Frauen wahrlich wichtigere Dinge im Kopf hatten, als Schmuck und Mode, war doch gerade wegen ihre Schwere dazu angetan, mit kleinen Freuden etwas Farbe in das triste Dasein zu bringen. Umso willkommener war das Aufkommen von Modeschmuck, der zum Ende des Jahrzehnts schon weite Teile der weiblichen Bevölkerung in seinen Bann gezogen hatte. Das Wichtigste war die Bezahlbarkeit. Die Verwendung alternativer Grundmaterialien, die längst nicht so teuer waren wie Gold und Edelsteine, machte es möglich, dass sich auch Frauen aus einfachen Schichten einen modischen Aufheller in Form einer Brosche oder eines Armreifs leisten konnten. Doch abgesehen von den Grundstoffen war die Schmuckherstellung immer noch mit viel Akribie und Können verbunden. Daran änderte auch das neue Materialbewusstsein nichts.
In der Verarbeitung von Glas, bzw. Kristallglas, begann sich schon die österreichische Firma Swarovski einen Namen zu machen. Für das international berühmte Böhmische Kristall war diese Firma ein ernstzunehmender Konkurrent. Figuren, Vasen, aber auch Schmuck wurden in Wattens hergestellt, wo Swarovski 1910/1911 unter dem Namen „Glasfabrik D. Swarovski“ ein eigenes Unternehmen gegründet hatte. Die selbst entwickelte Glasschmelze der Firma gehört noch immer zu den bestgehüteten Betriebsgeheimnissen. Die Produkte waren wegen ihres feinen Schliffs sehr geschätzt. Das sind sie bis heute. Damals war diese Firma nach schweren Rückschlägen in ihrer Anfangsphase. Sie bot aber schon eine bezahlbare Alternative zum echten Perlenschmuck und zu Edelsteinen. In Swarovski-Steinen spiegelte sich das Licht und wurde in vielen Farbtönen zurückgeworfen. Damit boten die Steine dem Edelstein und dem Diamanten die Stirn. Auch andere, nicht so namhafte Firmen, beschäftigten sich mit der Herstellung von Schmuck aus Glas. Und Glasperlen fanden guten Absatz bei den Konsumenten, die sich niemals echte Materialien hätten leisten können. Gürtelschnallen aus Metall oder aus strassbesetzten Materialien waren ebenfalls ein Schmuck jener Zeit.
Typisch für den Schmuck, den die Männer für sich favorisierten, waren die Manschettenknöpfe und die Krawattennadeln. In den 1910er Jahren waren auch Taschenuhren mit einer goldenen oder einen silbernen Kette charakteristisch. Diese wurden schon zum Ende des Jahrzehnts von Armbanduhren abgelöst, weil diese bequemer waren. Die Taschenuhr blieb dennoch erhalten und sei wegen ihrer liebevollen Gravuren, die an wichtige Ereignisse erinnerten. Umso mehr, wenn der Träger aus dem Ersten Weltkrieg nicht zurückgekommen war. Schmücken war für den Mann auch noch der Stock, den er normalerweise nicht als Gehhilfe nutzte, sondern als modisches Zubehör. Der konnte mit einem edlen Knauf versehen sein. Hier sorgten Elfenbein, aufwändig bearbeitetes Silber oder andere Raffinessen für den Blickfang. Trug Mann zu einem schwarzen Mantel aus feinem Tuchstoff einen weißen Schal, so wurde dieser meist nicht nur auf einer Seite um den Hals gelegt, sondern konnte auch mit einer Ziernadel gehalten werden. Bei genauem Hinsehen erkannte man das Blitzen eines Brillanten. Auch Hosenträger konnten neben ihrem funktionalen Charakter schmückend sein. Erst Recht die Gürtel, die durch Schlaufen an der Hose gehalten wurden und deren Verschlussschnalle mitunter so fantasievoll verarbeitet war, dass sie die Blicke auf sich zog.
Auch wenn mancher das Jahrzehnt aus dem Gedächtnis hätte löschen mögen; das eine oder andere Schmuckstücke hatte fast jeder. Wurde es vererbt, dann erzählt es heute noch von der Freude an Glitzer und Glamour, die letztendlich jeder Generation – wenn auch auf andere Weise – eigen ist.

Das 20. Jahrhundert