Julius Streicher Lebenslauf

Julius Streicher kam als neuntes Kind einer Lehrerfamilie am 12. Februar 1885 in Fleinhausen bei Augsburg zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er ein Lehrerseminar. 1904 arbeitete er als Aushilfslehrer in Dörfern im bayerischen Schwaben. Ab dem Jahr 1905 erlangte er eine dauerhafte Anstellung als Volksschullehrer, die 1907 und 1908 durch einen einjährigen Freiwilligendienst beim Militär unterbrochen wurde. 1909 ließ sich Streicher nach Nürnberg versetzen. Dort heiratete er die Bäckertochter Kunigunde Roth. Mit ihr hatte er zwei Söhne. Nach ihrem Tod 1943 heiratete Julius Streicher im Mai 1945 seine Sekretärin Adele Trapp.
Ab dem Jahr 1911 betätigte sich Streicher in politischen Organisationen, unter anderem als Wahlkampfredner der Fortschrittlichen Partei. Während der gesamten Dauer des Ersten Weltkrieges kämpfte er in bayerischen Verbänden. Er erhielt das Eiserne Kreuz und andere Tapferkeitsauszeichnungen. Mit Kriegsende wurde er als Leutnant aus dem Militärdienst entlassen.
Streicher betätigte sich schnell wieder politisch in völkisch-militaristischen Gruppierungen. Er vertrat eine exaltiert ausgeprägt antisemitische Ideologie, der er sein gesamtes politisches Handeln unterordnete. Julius Streicher trat erfolgreich als Redner und Organisator auf. Für eine politische Führungsfigur fehlte ihm auch in den weiteren Jahren allerdings eine gesellschaftliche Vorstellung, die über seinen vulgären und sexistischen Antisemitismus hinausging. Zeit seines Lebens blieb er ein verantwortungsloser Populist und Hetzredner, der sich dermaßen in seine Ideen hereinsteigern konnte, dass selbst politische Mitstreiter vor seinen Verleumdungen nicht verschont blieben.
Ab Februar 1919 wirkte er im Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund mit. Im April wandte er sich der Deutschsozialistischen Partei (DSP), einer der vielen nationalistischen und antisemitischen Splitterparteien, zu. Für sie gab er ab 1920 die Wochenzeitschrift „Deutscher Sozialist“ heraus. Streicher entwickelte die Nürnberger Ortsgruppe zu einem Mittelpunkt der Partei und beförderte die Gründung weiterer lokaler Gruppen in ganz Deutschland. Damit versuchte er diese Partei als Konkurrenz zur NSDAP unter Adolf Hitler zu etablieren und eine Vorherrschaft im völkisch-nationalistischen politischen Spektrum zu erlangen. Streichers Versuch einer Vereinigung beider Organisationen scheiterte am Widerstand Hitlers, der befürchtete, an Einfluss zu verlieren.
Julius Streicher suchte sich andere Verbündete und wandte sich kurzzeitig der Deutschen Werkgemeinschaft (DW) des aus der NSDAP ausgeschlossenen Augsburger Studienrates Otto Dickel zu. Seine Zeitschrift stellte er unter dem neuen Namen „Deutscher Volkswille“ dieser Organisation zur Verfügung und organisierte im November 1921 eine Nürnberger Ortsgruppe. An der DSP, für die er nie eine offizielle Funktion ausübte, in der er aber mittels der Zeitschrift eine große Machtposition inne hatte, verlor er jegliches Interesse. Mit seinem radikalen Antisemitismus und seinem diktatorischen Auftreten überwarf er sich schnell mit der DW-Führung. Als sich abzeichnete, dass sich die straff organisierte NSDAP besser behauptete, trat Streicher im Herbst 1922 aus der DSP aus und unterstellte sich am 8. Oktober Hitler. Ihm folgten zahlreiche Mitglieder aus DSP und DW, die Deutschsozialistische Partei löste sich auf. Nur drei Tage später gründete er in Hersbruck seine erste NSDAP-Ortsgruppe, der am 20. Oktober eine weitere in Nürnberg folgte. Dieser Schritt Streichers und seiner Anhänger verdoppelte die Mitgliederzahl der NSDAP. Er selbst entschied sich jetzt endgültig, eine politische Karriere einzuschlagen.
Die von ihm organisierte Nürnberger Organisation der NSDAP entwickelte sich schnell zur größten außerhalb Altbayerns. Sie übernahm eine Brückenfunktion zur Ausbreitung der Partei nach Norddeutschland. Streicher beteiligte sich aktiv am Putschversuch der Hitler-Partei am 8. und 9. November 1923 in München. Die bayerischen Schulbehörden, die seine antisemitischen Ausfälle bisher immer gedeckt hatten, suspendierten ihn daraufhin vom Schuldienst – förmlich entlassen wurde Streicher erst 1928. Im Januar 1924 wurde er in Landsberg in Schutzhaft eingeliefert, aber schon im April dieses Jahres zog er als Abgeordneter für den Völkischen Block in den bayerischen Landtag ein. Das Mandat behielt er bis 1932.
Er engagierte sich in der am 30. Januar 1924 von Alfred Rosenberg gegründeten Großdeutschen Volksgemeinschaft (GVG), einer Ersatzorganisation für die verbotene NSDAP. Ihr Hauptziel war die Freilassung Hitlers und die Sicherstellung der richtigen Auslegung des Nationalsozialismus bzw. von „Geist und Wille Adolf Hitlers“. Streicher verdrängte gemeinsam mit Hermann Esser im Juli Rosenberg von der Führung und wurde Erster Vorsitzender der GVG. Seine Auftritte, bei denen er auch vor unflätigen Beschimpfungen anderer „völkischer“ Männer nicht zurückschreckte, stießen viele Anhänger der Bewegung ab. Bereits im August hatte sich der „Radau-Nazi“ Streicher mit seiner Landtagsfraktion überworfen und trat aus.
Mit der Neugründung der NSDAP unter Hitler am 27. Januar 1925 versammelten sich völkischen Splittergruppen wieder gemeinsam in der Partei. Hitler ernannte Julius Streicher zum Gauleiter von Franken. Dieser revanchierte sich, indem er es zu einem der mitgliederstärksten Gebiete der Organisation ausbaute und sich selbst den Namen „Frankenführer“ gab.
Bereits am 16. April 1923 erschien die erste Ausgabe seiner neuen und dezidiert antisemitischen Wochenzeitung „Der Stürmer“. Anlass für sein neues Projekt war seine Suche nach einer publizistischen Plattform für sein Machtstreben innerhalb der NSDAP. Darüber hinaus konzipierte er das Blatt zunächst als allgemeinpolitische lokale Wochenzeitung mit einer Auflage von etwa 3000 Exemplaren. Zunehmend trat aber die antisemitische Hetze in den Vordergrund und wurde nach wenigen Jahren nahezu alleiniger Gegenstand der Zeitung. Gleichzeitig weitete Streicher das Erscheinungsgebiet aus und konnte die Auflage erhöhen. Mehrfach musste er sich strafrechtlich für seine Publikationen verantworten.
Seinen Antisemitismus und seine Menschenfeindlichkeit verbreitete er mit fanatischer Wut und zugleich brutaler Primitivität. Frei erfundene Geschichten über angebliche Vergewaltigungen, Ritualmorde, internationale Verschwörungen des „Finanzjudentums“ oder des „bolschewistischen Weltjudentums“, Rassenschande und Denunziationen beherrschten die Seiten des Hetzblattes. Hass, Vorurteile und Neid verband er mit pornographischen Darstellungen und sexuellen Obsessionen. Regelmäßig forderte er seine Leser erfolgreich zu denunziatorischen Zuschriften auf. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 forderte Streicher immer offener die physische Vernichtung der Juden.
Die Auflage stieg von etwa 10 000 Exemplaren 1933 auf fast 500 000 nur drei Jahre später und bis zum Kriegsbeginn 1939 auf 700 000 Zeitungen wöchentlich. Streicher nutzte dabei moderne Vertriebs- und Werbemethoden, etwa die „Stürmer-Kästen“ – öffentliche Ausstellung der Zeitung auch in kleinen Orten in Glaskästen. Das Presseorgan blieb immer im Privatbesitz Julius Streichers und machte ihn zum Multimillionär.
Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde der „Frankenführer“ Leiter des „Zentralkomitees zur Abwehr der jüdischen Greuel- und Boykotthetze“, einer Organisation, die die antisemitischen Aktionen und Boykotte zentral im Reich steuern sollte. Er nutzte diese Funktion um speziell in Nürnberg besonders scharf gegen Juden und politische Gegner vorzugehen. Im „Stürmer“ startete er eine Kampagne, die den Boden für die Nürnberger Rassengesetze von 1935 vorbereitete. 1934 erhielt er den Ehrenrang eines SA-Gruppenführers.
Ein Jahr später begann sein Stern zu sinken. Seine Zeitung wurde wegen eines Ausfalls gegen einen NS-Funktionär kurzzeitig verboten. Selbst vielen Nationalsozialisten erschienen die Primitivität seines Auftretens und sein Lebenswandel gefährlich für das Ansehen der Partei. In Nürnberg selbst spaltete sich die NSDAP-Parteiorganisation. Aber erst als sich 1940 Hermann Göring den innerparteilichen Gegnern Streichers anschloss, wurde eine Untersuchungskommission vom obersten Parteigericht eingesetzt. Wegen Bereicherung, aggressivem Auftretens gegen führende Parteigenossen und sexuellen Obsessionen enthob man ihn von allen Parteiämtern und verbannte ihn aus Nürnberg.
Hitler aber, selbst ein begeisterter Leser des „Stürmer“, protegierte ihn weiter. Den Titel eines Gauleiters durfte er weiterhin führen und Verlag und Zeitung beließ er ihm ebenfalls. Von seinem Landgut Pleikershof bei Cadolzburg aus betrieb er auch in den letzten Jahren der NS-Diktatur seine Hetzkampagnen.
Nach der Niederlage des Nationalsozialismus floh Streicher zunächst in die österreichischen Alpen, wurde dort aber von amerikanischen Soldaten aufgespürt und verhaftet. Der Internationale Militärgerichtshof verurteilte in den „Nürnberger Prozessen“ Julius Streicher, der seinen Antisemitismus auch während des Prozesses offen zur Schau trug, als einen entscheidenden Wegbereiter des Holocaust zum Tode. Am 16. Oktober 1946 wurde das Urteil durch Erhängen vollstreckt.
Julius Streicher Seiten, Steckbrief etc.
n.n.v.