Hanns Martin Schleyer Lebenslauf
Am
5. September 1977 wurde der bundesdeutsche
Arbeitergeberverbandspräsident Hanns Martin
Schleyer in Köln von Mitgliedern der
linksextremistischen Terrororganisation „Rote
Armee Fraktion“ („Baader-Meinhof-Bande“)
entführt. Dabei wurden sein Fahrer Heinz Marcisz
und die drei Schleyer als Personenschützer
zugeteilten Polizisten Reinhold Brändle, Roland
Pieler und Helmut Ulmer ermordet.
Die Entführer verlangten von der Bundesregierung
im Gegenzug für Schleyers Leben die Freilassung
einer Reihe inhaftierter RAF-Mitglieder. Der
Forderung der RAF-Terroristen wurde am 13.
Oktober
1977 durch die Entführung der
Lufthansa-Maschine „Landshut“ durch ein
palästinensisches Terrorkommando der „Volksfront
für die Befreiung Palästinas“ (PFLP)
unterstützt. Die von Kanzler Helmut Schmidt
geführte Bundesregierung weigerte sich, den
Forderungen von RAF und PFLP zu entsprechen.
Nach der Befreiung der „Landshut“-Geiseln durch
eine Aktion der deutschen Grenzschutzeinheit GSG
9 am 18. Oktober begingen drei inhaftierte
RAF-Angehörige (
Andreas Baader,
Gudrun Ensslin,
Jan-Carl-Raspe) im Hochsicherheitsgefängnis
Stuttgart-Stammheim Suizid. Als Reaktion darauf
wurde der 62-jährige Schleyer von seinen
Entführern in der Nacht vom 18. zum 19. Oktober
an einem unbekannten Ort in der Region um die
ostfranzösische Stadt Mülhausen erschossen. Die
Schleyer- und die „Landshut“-Entführung und
deren blutigen Begleitumstände stellten den
Höhepunkt und Abschluss der als „Deutscher
Herbst“ in die Geschichtsbücher eingegangenen
Ausnahmesituation dar, die die Bundesrepublik
1977 in eine ihrer schwersten innenpolitischen
Krisen gestürzt hatte.
Hanns Martin Schleyer galt den RAF-Terroristen
als Verkörperung der von ihnen als
„kapitalistisch-faschistisches Schweinesystem“
bezeichneten Gesellschafts- und
Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik. Dabei war
nicht nur Schleyers Stellung als Präsident der
BDA („Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände“) und des BDI
(„Bundesverband der Deutschen Industrie“)
ausschlaggebend für diesen Hass, sondern auch
die Nazi-Vergangenheit des Entführungsopfers.
Schleyer war am
1. Mai 1915 als Sohn des
Gerichtsassessors Ernst Schleyer und dessen
Ehefrau Helene im badischen
15.000-Einwohner-Städtchen Offenburg geboren
worden. Vier Jahre später wurde Schwester Ursula
geboren. Ernst Schleyer (1882 - 1959) war streng
nationalkonservativ eingestellt und erreichte am
Ende seiner Richter-Laufbahn die Position eines
Landgerichtsdirektors. Sohn Hanns Martin machte
1933 Abitur am Gymnasium Rastatt. Er war
Mitglied einer Schülerverbindung gewesen und
1931 in die Hitlerjugend eingetreten. Am 1. Juli
1933 folgte der Eintritt in die SS. 1937 wurde
Schleyer NS-Parteimitglied. Vom
1933 bis 1938
studierte er bis zum erfolgreich abgelegten
ersten juristischen Staatsexamen Jura in
Heidelberg. In dieser Zeit engagierte Schleyer
sich aktiv als Studentenfunktionär. 1934 wurde
er Mitglied in der ältesten Heidelberger
Studentenverbindung, dem pflichtschlagenden
Corps Suevia. Bereits im Jahr darauf verließ
Schleyer das Corps wieder, weil sich die
Verbindung sträubte, jüdische Alte Herren
auszuschließen. 1938 wurde Schleyer Leiter des
Studentenwerkes an der Universität von
Innsbruck, das seit dem „Anschluss“ zum
Deutschen Reich gehörte. In Innsbruck erlangte
Schleyer 1939 mit einer kirchenrechtlichen
Arbeit den Doktorgrad. Im selben Jahr heiratete
er Waltrude Ketterer (1916 – 2008),
Krankengymnastin
und Tochter des Arztes, und mehrjährigen Chefs
des SA-Sanitätswesens Emil Ketterer. Das Ehepaar
Schleyer bekam zwischen 1944 und 1954 vier
Söhne. Der Älteste, Hanns-Eberhard Schleyer,
nahm von 1978 bis 1988 als rheinland-pfälzischer
Staatssekretär und Staatskanzleichef führende
politische Funktionen ein.
Am Anfang des Zweiten Weltkriegs leistete Hanns
Martin Schleyer 1940 Kriegsdienst in einer
Gebirgsjägereinheit in Frankreich. Aufgrund
einer Kriegsverletzung wurde er
dienstuntauglich. Im Sommer 1941 wurde ihm die
Leitung des Studentenwerks der Karls-Universität
im besetzten Prag („Protektorat Böhmen und
Mähren“) übertragen. 1943 wechselte er als
Sachbearbeiter zum „Zentralverband der Industrie
für Böhmen und Mähren“ und stieg hier
schließlich zum persönlichen Sekretär des
Verbandspräsidenten auf.
Anfang Mai 1945 gelang Schleyer die Flucht aus
Prag nach
Konstanz, wo seine Eltern lebten. Hier
wurde er im Juli 1945 von französischem Militär
verhaftet. Wegen seiner SS-Angehörigkeit
(Letzter Rang: Untersturmführer) blieb er bis
1948 in Internierungshaft. Beim anschließenden
Entnazifizierungsverfahren wurde er als
„Mitläufer“ eingestuft.
Von 1949 bis 1951 arbeitete der
verbandserfahrene Schleyer als
Außenwirtschaftsreferent bei der Industrie- und
Handelskammer Baden-Baden und wechselte dann in
die Führungsetage des Automobilkonzerns
Daimler-Benz-AG in Stuttgart. 1959 hatte er die
Position des für das Personalwesen
verantwortlichen Vorstandsmitglieds erreicht.
Schleyer galt unternehmensintern wegen seines
paternalistischen-kommunikativen Führungsstils
als jovial und kompromissbereit. Neben seiner
Daimler-Benz-Tätigkeit widmete sich Schleyer,
der lange als Kandidat für den Posten des
Vorstandsvorsitzenden seines Unternehmens im
Gespräch war, der Verbandsarbeit. Als
Vorsitzender des baden-württembergischen
Metallindustrieverbandes (1962 – 1968) schuf
sich der privat als gesellig und freundlich
geltende Schleyer bei Tarifkämpfen den
nachhaltenden Ruf, ein „scharfer Hund“ zu sein.
1963 setzte er zum ersten Mal seit 1929 in
Deutschland eine Aussperrung durch. 1973 wurde
Daimler-Benz-Vorstandsmitglied Schleyer zum
BDA-Präsidenten gewählt und wurde seitdem in der
Presse häufig, die wahren Machtverhältnisse in
der deutschen Wirtschaftshierarchie
simplifizierend, als „Boss der Bosse“ tituliert.
Im Januar 1977 übernahm Schleyer zusätzlich das
Amt des BDI-Präsidenten.
Hans Martin Schleyer ist auf dem Stuttgarter
Ostfilderfriedhof am
25.
Oktober. 1977 im Rahmen
eines Staatsakts beigesetzt worden. Zahlreiche
Straßen und Gebäude, wie die
Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart, wurden
nach ihm benannt.
Schleyer ist medial vor allem wegen seiner
Bedeutung im Zusammenhang mit dem „Deutschen
Herbst“ berücksichtigt worden. So zum Beispiel
in dem von Heinrich Breloer 1997 in Szene
gesetzten TV-Zweiteiler „Todesspiel“. Als wohl
wichtigstes Buch zum Leben Schleyers hat die
2004 in München erschienene Biographie von Lutz
Hachmeister „Schleyer. Eine deutsche Geschichte“
besonders ausführlich auf die Lebensstationen
des späteren Terror-Mordopfers in der NS-Zeit
hingewiesen.
Hanns Martin Schleyer
Seiten, Steckbrief etc.