Geschichte der Zeichentrickfilms

Ist von Zeichentrickfilmen die Rede, kommt einem sofort Walt Disney in den Sinn. Aber Bilder, die das Laufen lernten, sind älter als der Erfinder von Bambi, Micky Maus & Co. Die einfachste und älteste Form ist sicher das so genannte Daumenkino. Auch das funktioniert nach den Grundprinzipien des Zeichentrickfilms, der eine spezielle Form der Animation ist, die aus vielen einzelnen, jahrzehntelang ausschließlich per Hand gezeichneten, szenischen Bildern besteht, die in schneller Abfolge nacheinander gezeigt werden. Dabei ändern sich die Bildinhalte von Bild zu Bild minimal, so dass beim Abspielen der Eindruck von fließenden Bewegungen entsteht. Heutzutage werden die einzelnen Bildsequenzen allerdings fast nur noch mit speziellen Computerprogrammen entworfen und produziert.
Die ersten professionell gezeichneten Filme stammten aus der Feder des Franzosen Émile Reynaud. Er erfand das so genannte Praxinoskop, auch „Zaubertrommel“ genannt. Dies war eine Weiterentwicklung des Zoetrops, der so genannten „Wundertrommel“, die durch mechanisches Drehen eine begrenzte Anzahl bewegter Bilder erzeugte sowie eine Vorläufertechnik der Kinematographie. Beim Praxinoskop ließen sich durch eine spezielle Anordnung von Spiegeln die Dunkelpausen zwischen den einzelnen Bildern ausblenden. Die erreichte Projektionsdauer lag bei rund 15 Minuten.
Um das Jahr 1877 stellte Reynaud seine ersten animierten Bilder einem größeren Publikum vor. Als eigentliches Geburtsjahr des Zeichentrickfilms gilt jedoch das Jahr 1906, als der Amerikaner J. Stuart Blackton seinen ersten komplett animierten Film „Houmorous Phases of Funny Faces“ präsentierte. 1908 veröffentlichte der Franzose Émile Cohl seine ersten Zeichentrickfilme in Europa. Er zeichnete die Bildsequenzen direkt auf Filmstreifen. Besonders beliebt waren die Zeichentrickfilme des Karikaturisten Winsor McCay. Dieser setzte 1911 seine Comic-Serie „Little Nemo“ in einen Kurzfilm um und schuf 1914 den ersten Comic-Star des Zeichentrick-Genres - „Gertie the Dinosaur“. Der erste Zeichentrickfilm in Spielfilmlänge „El Apóstol“ entstand 1917 in Argentinien.
Andere Comic-Zeichner folgten McCays Beispiel. Überall auf der Welt entstanden Anfang der 1920er Jahre spezielle Zeichentrick-Studios. Unter anderem die von Max Fleischer mit „Betty Boop“ und „Popeye“, von Pat Sullivan mit „Felix the Cat“, der zum ersten vollanimierten Stummfilmstar wurde, und natürlich von Walt Disney mit „Micky Maus“. Damals wurde auch das arbeitsteilige Produktionssystem im Team erfunden, das den vorher allein arbeitenden Zeichner ablöste und nach dem noch heute gearbeitet wird. 1928 präsentierten dann Walt Disney und Ub Iwerks den ersten Ton-Zeichentrickfilm mit „Steamboat Willie“ und auch „Micky Maus“ wurde im gleichen Jahr geboren. Sechs Jahre später folgte „Donald Duck“.
Waren es anfangs bereits bekannte Comic-Figuren aus Zeitungen und Büchern, die in Bewegtbilder umgesetzt wurden, folgten Ende der 1920er Jahre extra für die Leinwandkarriere entworfene Charakter, die erst im Nachhinein auch als Print-Comic-Figuren vermarktet wurden.
Ende der 1930er Jahre entstanden dann die ersten langen Zeichentrickfilme, die eine vollständige Geschichte umsetzten, wie „Snow White and the Seven Dwarfs“ (1937) oder „Gulliver’s Travel“ (1939). Es war die Zeit, als die Disney Studios begannen, für lange Zeit das Genre Zeichentrickfilm zu dominieren. Neben den niedlichen Figuren von Walt Disney gab es aber auch anarchischere Charaktere und Figuren, beispielsweise aus den MGM- und Warner Brothers-Studios. Unter anderem Tex Avery mit  seinen Filmen oder William Hanna und Joseph Barbera mit „Tom und Jerry“. Siebenmal konnten Kater Tom und die Maus Jerry einen Oscar einheimsen, darüber hinaus erhielten sie sechs weitere Male eine Nominierung und wurden damit zur Animationsserie mit den häufigsten Auszeichnungen.
Doch im Mainstream, der lange Jahre Disneys fast alleiniges Refugium war, tat sich seit der Weiterentwicklung des Zeichentrickfilms auf Computer einiges. Lange Zeit hatte hier Jahr für Jahr die „Ars Electronica“ für immer neue Highlights gesorgt. Dann hatten sich innovative Studios wie Pixar und Dreamworks den neuen Computermöglichkeiten angenommen und neue Maßstäbe gesetzt.
Und so haben der „König der Löwen“, „Bambi“, „Die Schöne und das Biest“ nach Jahrzehnten der Alleinherrschaft plötzlich ein Heer von Konkurrenten bekommen: sei es Shrek, Esel und Kater, sei es Ratatouille, Kung Fu Panda, die Helden aus Madagascar oder die vielen anderen Bewohner des bunten Zeichentrickfilm-Universums. Und auch wenn Disney Pixar inzwischen aufgekauft hat - so kommt es immer noch Jahr für Jahr zum Kampf zwischen Disney und Dreamworks um den erfolgreichsten Zeichentrickfilm des Jahres.
Nachdem die Mainstream-Produktionen immer aufwendiger wurden und der Computer mit 3D-Animationen die früheren 2D-Darstellungen ablösten, entwickelte sich im Fernsehen eine Bewegung „back to the roots“ - mit vereinfachter Optik und kürzeren Geschichten, wie beispielsweise „The Flintstones“ oder „Die Simpsons“, die ein ganz eigenes Publikum ansprechen.
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