Architektonische Epochen

Nach dem Ende der Antike fiel Mitteleuropa für einige Jahrhunderte in das „dunkle Mittelalter“. Die von den antiken Zivilisationen der Römer und Griechen überlieferten architektonischen Prinzipien wurden umgewandelt und mit den germanischen Vorstellungen vermischt. Erst im 11. Jahrhundert lässt sich aber für Mitteleuropa ein eigener architektonischer Stil nachweisen, nicht, weil es ihn vorher nicht gegeben hätte, sondern weil nur wenige Baudenkmäler überhaupt überliefert sind, um Aussagen über diese Epochen tätigen zu können.
Das Mittelalter war eine streng hierarchisierte und starre Gesellschaft, was sich auch in der Architektur niederschlägt. Erst mit dem Aufgeben dieses Weltbildes emanzipierte sich die Architektur und bildete vielfältige Strömungen aus, die sich heute in einer Vielzahl von Schulen manifestiert. Im Folgenden findet sich ein kleiner Überblick über die wichtigsten architektonischen Epochen.

Beginn bis zum Ende des Mittelalters (500 - 1550)

Die Vorromanik ist keine eigene Epoche, sondern versammelt alle architektonischen Entwicklungen aus der Zeit ab ca. 500 bis 1000. Im deutschen Raum umfasst sie damit die Merowinger-, Karolinger- und Ottonen-Zeit. Hier sind unterschiedliche Architekturformen vertreten, die alle noch von den antiken Vorstellungen der Römer und Griechen beeinflusst wurden. Aus dieser Zeit haben sich aber nur wenige Baudenkmäler wirklich erhalten, so dass eine Beurteilung sehr schwer ist. Beispiele sind: der Aachener Dom oder die Torhalle des Klosters Lorsch.
Die Vorromanik ist eine Übergangsepoche von der Antike zur klassischen, mittelalterlichen Architektur. Ihr folgt dann die Romanik, die erste eigenständige architektonische Entwicklung in Europa. Die Architektur war immer noch der antiken Tradition verpflichtet und nahm viele Elemente aus der römischen Kunst wie die Rundbögen oder die Säulenformen in sich auf. Die Architektur stand im Zeichen der Kirche und des Christentums. Sie sollte die Großartigkeit des Christentums nach außen hin sichtbar machen und Gott in sakraler Bauweise preisen. Diesen Anspruch verdeutlicht die folgende Epoche noch mehr.
Die in Italien entstandene Gotik breitete sich ab 1150 in Europa aus, erreichte Deutschland aber erst um 1220. Während der Gotik wuchsen die Kathedralen in die Höhe, da die Baumeister nun verstanden, wie sie die Kräfte durch das Strebewerk ableiten konnten. Besonders markant sind die hohen Spitzbogen und die Fenster, die das Innere der Gebäude lichtdurchfluten. Während die Gotik noch in der christlichen Vorstellungswelt verhaftet war, kam in Italien eine neue Mode auf. Das Studium antiker, nichtchristlicher Schriften, die Entdeckung Amerikas, neue technische Entwicklungen – all dies wirkte sich auch auf die Architektur aus. In den wohlhabenden italienischen Stadtstaaten bildete sich die Renaissance, die sich rasch in Europa verbreitete. Um 1500 lässt sie sich auch in Deutschland nachweisen. Zu den bedeutendsten deutschsprachigen Architekten gehören Hans Krumpper (Maximilianische Residenz, München), Christoph Gumpp der Ältere wie Jüngere (Innsbruck) und Niklaus Geisler in Luzern. Die Renaissance ist eine Rückbesinnung auf die Antike und in der Architektur werden antike Formen übernommen, aber auch lokale architektonische Formen umgewandelt, um sie zu antikisieren.

Architektur in der Neuzeit (1600- 1950)

Die Macht der Fürsten schlug sich im ebenfalls in Italien entstandenen Barock nieder. Form und Funktion wurden überladen und lösten sich vollends von der antiken Vorstellung. Deutschland wurde 1650 vom Barock erfasst. Ein herausragendes Beispiel ist die Kirche Il Gesu in Rom, in der alle Elemente des Barocks bereits verdeutlicht sind. Johann Balthasar Neumann war sicher der bedeutendste Vertreter des Barocks. Er gestaltete die Würzburger Residenz. Der Barock zeichnete sich vor allem auch durch die Vermischung von Architektur, Skulptur und funktionalen Elementen aus. Sie wurden als Harmonie empfunden. Skulpturen waren nun nicht mehr nur Schmuck des Gebäudes, sondern Bestandteil desselben. Der Barock ist vor allem in Kirchen und Schlössern zu finden, um die fürstliche Pracht herauszustellen. Den berauschenden Formen des Absolutismus standen ab Mitte des 18. Jahrhunderts die klaren Formen des Klassizismus entgegen. Man könnte sagen, die Architektur wurde bürgerlich. Begonnen hat der Klassizismus durch ein bahnbrechendes Werk von Johann Joachim Winckelmann über die griechische Kunst.
In der Romantik kam es zu einer Neuaufnahme der mediterranen Kultur in die geistige Welt (Hölderlins Arkadien oder Goethes Italienreise). Erneut wurde in der Architektur die Antike zum Vorbild genommen, diesmal vor allem der griechische Tempel, der als Huldigung an die Vernunft gesehen wurde. Die Münchener Glyptothek ist ein weiteres Beispiel, auch hier sind Kunstdarstellung und Architektur gemeinsam in Symbiose verschmolzen. Der Historismus knüpfte eng an den Klassizismus an, ging aber von dem Grundsatz antiker Architekturvorstellungen ab. Er nahm Anreize aus den vorhergehenden Epochen auf, die von den Klassizisten als zu profan empfunden wurden. Dadurch entstand ein Wirrwarr architektonischer Elemente. So kamen romanische neben klassizistischen, Gotik neben Renaissance vor. Der Historismus, der ab 1755 in Europa Verbreitung fand, hat seinen Höhepunkt in der Gründerzeit des Deutschen Kaiserreiches und wird deswegen häufig auch als Gründerzeitarchitektur bezeichnet. Er zeichnete sich durch ein fast anarchisches Nebeneinander aller Stilelemente vergangener Epochen aus. Dieser Stil-Pluralismus schlug sich nun in der Architektur insgesamt nieder. Es fanden sich nicht mehr nur eine Schule oder Strömung, sondern viele. Die Architektur des 20. Jahrhunderts wurde von zahlreichen Strömungen geprägt.

Architekur in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts

In Deutschland gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei große divergierende Strömungen. Einmal die Reformarchitektur, die ein Zurück in die geordnete Welt des Stils anstrebte, nachdem der Historismus sich aus allen Stilepochen bedient hatte. Die Reformarchitektur forderte eine Rückbesinnung auf die alten Ordnungen, aber auch auf traditionelle Baukunst. Sie verlangte eine einheimische Architektur. Im Gegensatz dazu steht der seit 1895 entstandene Jugendstil. Er zeichnete sich durch filigrane, organische Bauweise aus, geschwungene Linien und auch orientalisierende Formen sind vordergründig. Besonders schöne Beispiele finden sich in Darmstadt.
Mit dem Abebben des Jugendstils um 1920 herum, wandelte sich die Architektur. 1919 gründete Walter Gropius das Bauhaus. Es sollte in expressionistischer Manier die Architektur des 20. Jahrhunderts maßgebend beeinflussen. Während des Dritten Reiches war die Architektur funktional, aber gigantomanisch wie z.B. das Seebad in Prora oder das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg.

Moderne Architektur seit 1950

Nach den Schrecken des Nationalsozialismus erfuhr die Architektur eine Ernüchterung. Man kehrte zu klassizistischen Ansätzen zurück, aber auch zum Funktionalismus. Strenge und Schlichtheit waren vorherrschend. Dies änderte sich in den 1960er Jahren, vor allem auch durch die Entwicklung moderner Werkstoffe. Die ab 1970er Jahren einsetzende Postmoderne verbindet ebenfalls verschiedene Stilrichtungen. Besonders markant ist ihre Abkehr von Funktion und Form. Es wird mit Formen experimentiert. Vor allem in den USA. Auch in Asien hat die Postmoderne großartige Gebäude hervorgebracht. In Deutschland ist das Deutsche Architekturmuseum ein bedeutendes Beispiel.
Der Dekonstruktivismus setzte dies in den 1980er Jahren fort. Form und Funktion wurden getrennt und aufgelöst, Gebäudeteile sind an überraschenden Orten präsent und elaborierte Fassaden, tief strukturiert herrschen vor.
Die Strömungen gegenwärtiger Architekten werden unter Zeitgenössischer Architektur zusammengefasst und sind sehr heterogen. Ihre historische und kunstgeschichtliche Bedeutung indes muss die Nachwelt erst formulieren.
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