Politik 1974 – Guillaume-Affäre, Kanzler Willy Brandt trat zurück

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Politik 1974

Im Jahr 1974 war es vor allem die Guillaume-Affäre, die Schlagzeilen machte. Am 24. April war der persönliche Referent des Bundeskanzlers Willy Brandt wegen Spionage für die DDR verhaftet worden. Günter Guillaume war 1956 als Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit aus der DDR in den Westen gekommen. Er hatte von einem SPD-Ortsverein in Frankfurt am Main bis in den innersten Machtbereich der Bundesregierung gearbeitet. Guillaume hatte als persönlicher Referent Brandts Zugang zu vielen Geheimdokumenten im Bundeskanzleramt und war auch auf Urlaubsreisen des Bundeskanzlers dabei. Er gehörte zum vertrautesten Kreis von Willy Brandt. Bereits im Vorjahr hatte der bundesdeutsche Nachrichtendienst den Referenten im Auge gehabt, ließen ihn aber noch einige Zeit auf seinem Posten.
Nach der Verhaftung Guillaumes trat Willy Brandt von seinem Amt des Bundeskanzlers zurück. Er übernahm die Verantwortung für Fahrlässigkeiten in Bezug auf die Agentenaffäre und betonte, dass ein Bundeskanzler nicht erpressbar sein dürfte. Er schlug Helmut Schmidt zu seinem Nachfolger vor. Guillaume wurde im Folgejahr verurteilt. Er bekam eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren.

Helmut Schmidt wird Bundeskanzler

Die Nachfolge von Willy Brandt trat dann tatsächlich Helmut Schmidt an. Er wurde am 16. Mai vom Deutschen Bundestag zum Bundeskanzler gewählt. In der Brandt-Regierung war Schmidt ab 1969 zunächst als Verteidigungsminister tätig, dann als Wirtschafts- und Finanzminister. Schmidt führte als Brandt-Nachfolger die Entspannungs- und Ostpolitik weiter. Erst 1979 geriet in der Nachrüstungsdebatte in einen merklichen Gegensatz zu seinem Vorgänger.
Vizekanzler von Helmut Schmidt wurde Hans-Dietrich Genscher, die sozial-liberale Koalition blieb weiterhin bestehen.
Tags zuvor war Walter Scheel von der Bundesversammlung zum Bundespräsidenten gewählt worden, womit er die Nachfolge von Gustav Heinemann antrat.
Einen derart bedeutsamen Wechsel in den Führungskreisen der DDR gab es nicht. Lediglich der Posten des Vorsitzenden der Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) wurde mit Egon Krenz besetzt, der schon zu Jahresbeginn gewählt worden war.
Die beiden deutschen Staaten hatten im März ein Protokoll zur Errichtung „Ständiger Vertretungen“ unterzeichnet. Dies nahmen am 2. Mai ihre Arbeit auf, jeweils in der DDR-Hauptstadt Ost-Berlin und in Bonn.

Die Regierung Schmidt

Im Jahr 1974 war die Bundesrepublik Westdeutschland politisch von einer Koalitionsregierung unter der Führung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt geprägt.
Die Regierungsparteien waren:
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
Helmut Schmidt war Bundeskanzler und zugleich Parteivorsitzender der SPD.
Freie Demokratische Partei (FDP)
Die FDP war der Koalitionspartner und stellte mehrere Minister in der Regierung.
Die Schlüsselmitglieder der Regierung in dieser Zeit waren:
Helmut Schmidt: Bundeskanzler
Walter Scheel: Bundespräsident (bis Juni 1974, dann folgte ihm Karl Carstens)
Hans-Dietrich Genscher: Bundesminister des Auswärtigen (FDP)
Helmut Kohl: Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (CDU)
Gerhard Jahn: Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (SPD)
Georg Leber: Bundesminister für Verkehr (SPD)
Egon Franke: Bundesminister für Innerdeutsche Beziehungen (SPD)

RAF-Häftlinge im Hungerstreik

Auch im Jahr 1974 machten die RAF-Häftlinge Schlagzeilen. In verschiedenen Haftanstalten der Bundesrepublik waren einige von ihnen in den Hungerstreik getreten. Als der RAF-Häftling Holger Meins an den Folgen des Hungerstreiks gestorben war, gab es in mehreren Städten der BRD Protestaktionen und Anschläge. Auch außerhalb der Haftanstalten machte die RAF von sich reden. Im November wurde der Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann von der terroristischen Organisation „Bewegung 2. Juni“ in West-Berlin ermordet.
Und die RAF-Mitglieder Ulrike Meinhof und Horst Mahler waren am 29. November zu acht bzw. 14 Jahren Haft verurteilt worden.

Flensburg sammelt Punkte

Das zunehmende Verkehrsaufkommen in der Bundesrepublik und die damit verbundenen Verkehrsvergehen sollten nun eingedämmt werden. Das Kraftfahrtbundesamt Flensburg hatte im Mai damit begonnen, Strafpunkte in der Verkehrssünderkartei aufzuzeichnen.
Außerdem war in der BRD die Volljährigkeit von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt worden. Damit wurden Frauen von bisher 16 nun erst ab 18 Jahren für heiratsfähig erklärt.
In der DDR gab es neue Banknoten. Am 14. September wurden dort Banknoten mit der Bezeichnung „Mark der DDR“ ausgegeben. Außerdem wurde die DDR-Verfassung durch einen Beschluss der Volkskammer im selben Monat geändert: Der Begriff „deutsche Nation“ wurde aus dem Verfassungs-Text gestrichen.
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