DDR Chronik 1968 - Der Prager Frühling schürte Hoffnungen

Das Jahr 1968 war ein besonders geschichtsträchtiges Jahr. Geprägt von den Ereignissen des Prager Frühlings hatte sich auch in der DDR eine innerliche Veränderung vollzogen, zumindest in den Köpfen der Menschen. Denn gegen die Wahrheiten, die die internationalen Meldungen füllten (Vietnamkrieg u. ä.), half die Abgrenzung nicht viel. Und an den Ereignissen in der CSSR nahmen die Menschen in der DDR lebhaft Anteil. Als zu Beginn des Jahres in der Tschechoslowakei ein sogenannter „Dritter Weg“ angestrebt wurde und das ZK der KPC Alexander Dubcek zum neuen Parteichef gewählt hatte, keimte Hoffnungen auf, nicht nur in der CSSR. Hoffnungen nach Reformen, nach mehr freiheitlicher Gedankenäußerung und weniger diktatorische Politik.
Was im sozialistischen Nachbarland anfangs noch „unbedenklich“ für die DDR-Führung schien, wurde mehr und mehr zu einer angeblichen „Gefahr“ für den sich vollendenden Sozialismus. Bald wurde die tschechoslowakische Bruderpartei öffentlich von der SED kritisiert, angegriffen und „verdammt“. Klar, dass die West-Presse den Prager Frühling befürwortete und ebenso klar, dass diese dann seitens der DDR für ihre Angriffe auf die sozialistische Verfassung verteufelt wurde. Jedenfalls wühlten die Ereignisse in der CSSR die DDR-Regierung auf, die sich alarmiert sah und besorgt war um die eigene Bevölkerung, die sich Hoffnung machte. Worauf? Auf mehr Freizügigkeit, auf mehr Wohlstand und auf mehr echte Freiheit und Demokratie, vor allem auch auf ein bisschen „Farbe“ im sozialistischen Alltag. Zumal der Prager Frühling als eine Reform von oben begonnen hatte und sogar vom sowjetischen Parteichef Leonid Breschnew abgesegnet worden war.
Zunächst machte der Prager Frühling das Land für DDR-Bürger attraktiver, um dorthin zu reisen und nach Herzenslust einzukaufen, auch wenn die Reiseformalitäten aufwändig waren, der Umtausch tschechischer Kronen eingeschränkt war. Die Hauptstadt Prag war im Sommer 1968 ein regelrechtes Mekka geworden. Freiheit war spürbar, die jedoch nicht lange anhielt.
Und wie sie in der DDR zu verstehen war, zeigte unter anderem die neue Verfassung, die durch einen Volksentscheid mit 94,5 Prozent Zustimmung angenommen worden war. Darin war die DDR als sozialistischer Staat definiert worden. Die führende Rolle der SED war festgeschrieben. Wenige Tage nach der Annahme war die neue Verfassung in Kraft getreten. Viel Raum für Reformen ließ sie nicht. Und woher die 94,5 Prozent Ja-Sager kamen, blieb ebenfalls unklar.
Unklar blieb auch, was genau bei dem Treffen einer DDR-Delegation des ZK der SED und Walter Ulbricht mit Alexander Dubcek und dem ZK der tschechischen KP im August in Karlsbad besprochen wurde. Ein Badeaufenthalt in dem Kurort war es gewiss nicht. Noch im selben Monat marschierten die Truppen des Warschauer Pakts in die CSSR ein und schlugen den Prager Frühling blutig nieder. Und in der DDR wurde dies mit einem „Aufruf zur Sicherung der sozialistischen Entwicklung in der CSSR“ vom ZK der SED beantwortet.
Viele Menschen in der DDR empfanden die blutige Niederschlagung des Aufstandes in der CSSR als empörend und machten ihrem Protest öffentlich Luft, was sie unweigerlich ins offene Messer der Staatssicherheit laufen ließ. Andere lernten, sich anzupassen.
Was blieb, waren unter anderem Lieder wie das von Wolf Biermann „Du lass dich nicht verhärten in dieser härten Zeit“, das nach und nach den Status einer heimlichen Hymne in der DDR erhielt, der anderen DDR, die sich nach Freiheit und Buntheit sehnte.
Im Oktober brachten die Olympischen Spiele in Mexiko dann noch einmal „Erfolgswind“ in die Schlagzeilen der DDR. Das Nationale Olympische Komitee (NOK) der DDR war gleichberechtigtes Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOK) geworden und konnte bei den Spielen mehr Medaillen abräumen als die BRD. Beide deutsche Mannschaften waren getrennt angetreten. Für die DDR waren diese sportlichen Erfolge eine Prestigefrage, auf die sie immer wieder hinwiesen, egal, wie sich die Menschen im Land fühlten. Die Sportler hatten ohnehin eine Sonderstellung und wurden entsprechend von höchster Stelle gehegt und gepflegt.
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