Filmjahr 1931  – Chaplins größter Triumph, „Dracula“ und „M“

Die Weltwirtschaftskrise erreichte im Deutschen Reich ihren Höhepunkt. Hohe Mieten, Notstandsküchen und zahlreiche Geschäftsauflösungen waren die Folge, die die einfachen Menschen natürlich am härtesten trafen. Wie böse das Vorzeichen war, dass zum Jahresbeginn die NSDAP-Reichsleitung in das Braune Haus in München einzog, ahnten sicher nur wenige Menschen. Doch für eine Ablenkung waren sie gerade in jener schweren Zeit dankbar. Und die bot ihnen unter anderem das Kino.
Gleich zu Beginn des Jahres hatte in den USA ein Film seine Uraufführung, in dem Charlie Chaplin (1889-1977) erneut seine bekannteste Film-Figur aufgriff, den Tramp. Der Film hieß „Lichter der Großstadt“ („City Lights“) und auch in dieser Tragikomödie hatte Chaplin wieder alle Fäden selbst in der Hand bis auf die Kamera, die führte Roland Totheroh (1890-1967), mit dem Chaplin schon mehrfach zusammen gearbeitet hatte. Diesmal produzierte Chaplin sogar eigens für diesen Film eine eigene Tonspur. Er hatte bereits 1928 mit den Arbeiten an dem Film begonnen. Doch er sträubte sich lange gegen den „Sprechfilm“, der längst etabliert war. Er war der Ansicht, dass die Sprache seine pantomimische Komik zerstören würde. Er fand einen Kompromiss. Er drehte „Lichter der Großstadt“ im Stummfilm-Stil, aber dennoch mit Ton. Dieser Anachronismus barg ein hohes Risiko, denn allgemein wurde der Stummfilm von dem mit dem Tonfilm vertrauten Publikum als altmodisch abgetan. Doch das Publikum nahm den Film an. Er wurde zu Chaplins bis dahin größtem Triumph. Mit der Rolle des blinden Mädchens gab Virginia Cherill (1908-1996) ihr Filmdebüt.
Ebenfalls aus den USA kam ein ganz anderer Film und zwar die erste offizielle Verfilmung des Schauerromans des irischen Schriftstellers Bram Stokers (1847-1912) – „Dracula“. Das Bühnenstück war 1927 mit großem Erfolg uraufgeführt worden. Doch mit der Verfilmung war Carl Laemmle (1867-1939) noch zögerlich gewesen, da er nicht als Studiochef der „Universal Studios“ nicht sicher war, ob der Stoff ins Studio-Konzept passte. Hauptsächlich produzierte „Universal“ nämlich Unterhaltungsfilme und zudem hatten auch die großen Studios bis dahin eine Verfilmung abgelehnt. Doch als Carl Laemmle jr. (1908-1979) im Jahr 1929 mit 21 Jahren Studiochef wurde, kam es zu dem Beschluss, den „Dracula“-Roman zu verfilmen. Als Regisseur wurde Tod Browning (1880 od. 1882-1962) verpflichtet. Der eigentliche Garant für einen erfolgreichen Film wäre Lon Chaney (1883-1930) gewesen, der aber kurz vor Drehbeginn verstarb. Laemmle jr. wollte keineswegs Bela Lugosi (1882-1956) für die Rolle engagieren, obwohl Lugosi sie bereits 265 Mal erfolgreich am Broadway gespielt hatte. Also teilte er dessen Agenten mit, dass kein Interesse an Lugosis Besetzung als Dracula bestünde. Letztendlich wurden dann doch Probeaufnahmen mit ihm gemacht. Lugosi selbst wollte die Rolle unbedingt spielen und gab sich mit einer sehr geringen Gage zufrieden. Durch den Film „Dracula“ wurde Lugosi zu einem gefeierten Filmstar, zum Horrorstar Hollywoods. Diesen Platz musste er sich später mit Boris Karloff (1887-1969) teilen, dem ebensolcher Ruhm als Frankenstein beschieden war. Lugosi hatte das Angebot abgelehnt, weil er nicht mit einer Maske vor der Kamera spielen wollte. Die weibliche Hauptrolle in „Dracula“ spielte Helen Chandler (1906-1965).
Dem deutschen Regisseur Fritz Lang (1890-1976) im Jahr 1931 eines der bedeutendsten Werke der deutschen Filmgeschichte mit dem Film „M“. Der Film war brillant besetzt. In der Hauptrolle war Peter Lorre (1904-1964) zu sehen. In weiteren Rollen spielten u. a. Rosa Valetti (1876-1937), Gustaf Gründgens (1899-1963), Paul Kemp (1896-1953) und Theo Lingen (1903-1978). „M“ war eine der ersten deutschen Tonfilmproduktionen, die in jenem Jahr 1931 die Möglichkeiten des neuen Mediums vollkommen ausschöpften. Im Jahr 1994 wurde von der Stiftung Deutsche Kinemathek „M“ als das wichtigste Werk der deutschen Filmgeschichte bezeichnet.
In Berlin hatte zum Jahresende noch ein Film Premiere, der ein ganz anderes Thema zum Inhalt hatte. Nach dem gleichnamigen Roman von Erich Kästner (1899-1974) wurde der Ufa-Spielfilm „Emil und die Detektive“ uraufgeführt. Kästner war zu Beginn der Produktion sehr unzufrieden mit dem Drehbuch, das Günter Stapenhorst (1883-1976) geschrieben hatte. Doch nachdem der junge Regisseur Samuel Wilder (1906-2002) es einfühlsam umgeschrieben hatte, war Kästner überzeugt von dem Film. Samuel Wilder wurde später unter Billy Wilder weltberühmt.

Photoplay Award
Der diesjährige Photoplay Award ging an den mit bereits 3 Oscars ausgezeichneten Film "Pioniere des wilden Westens" ("Cimarron") von Regisseur Wesley Ruggles.

Uraufführungen
Am 12. Februar des Jahres wurde Tod Brownings "Dracula" (mit Bela Lugosi) uraufgeführt. Damit wurde der Dracula-Roman von Bram Stokers erstmals offiziell verfilmt. Am 11. Mai fand dann die Uraufführung von Fritz Langs "M - Eine Stadt sucht einen Mörder" mit Peter Lorre in der Hauptrolle statt. Heute wird der Film als eines der bedeutendsten deutschen Werke in der Filmgeschichte angesehen und erhielt im Jahre 1994 nach einer Umfrage der Stiftung Deutsche Kinemathek sogar den Stellenwert das wichtigste deutsche Werk der Filmgeschichte überhaupt zu sein.

Filme die im Jahr 1931 an den Start gingen:
"Alam Ara" (Ardeshir Irani) mit Zubeida und Master Vithal.
"À nous la liberté" von René Clair.
"Arrowsmith" (John Ford) mit Ronald Colman.
"Bad Girl" von Frank Borzage.
"Berge in Flammen" von Luis Trenker.
"Berlin - Alexanderplatz" (Piel Jutzi) mit Heinrich George und Berhard Minetti.
"The Champ" (King Vidor) mit Wallace Beery und Jackie Cooper.
"La Chienne" (Jean Renoir) mit Michel Simon.
"Cimarron" (Wesley Ruggles) mit Richard Dix und Irene Dunne.
"The Criminal Code" (Howard Hawks) mit Walter Huston.
"Danton" (Hans Behrendt) mit Fritz Kortner, Gustaf Gründgens und Alexander Granach.
"Devotion" (Robert Milton) mit Leslie Howard und Ann Harding.
"Dracula" (Tod Browning) mit Bela Lugosi und Helen Chandler.
"Dr. Jekyll und Mr. Hyde" (Rouben Mamoulian) mit Fredric March.
"Die Dreigroschenoper" (Georg Wilhelm Pabst) mit Rudolf Forster und Carola Neher.
"Emil und die Detektive" von Gerhard Lamprecht.
"Five Star Final" (Mervyn LeRoy) mit Edward G. Robinson.
"Frankenstein" (James Whale) mit Boris Karloff.
"A Free Soul" (Clarence Brown) mit Norma Shearer und Leslie Howard.
"The Front Page" (Lewis Milestone) mit Adolphe Menjou und Pat O'Brien.
"Der Hauptmann von Köpenick" von Richard Oswald.
"Kameradschaft" (Georg Wilhelm Pabst) mit Alexander Granach.
"Der kleine Caesar" (Mervyn LeRoy) mit Edward G. Robinson.
"Der Kongreß tanzt" (Erik Charell) mit Lilian Harvey und Willy Fritsch.
"Lichter der Großstadt" von Charlie Chaplin.
"M - Eine Stadt sucht einen Mörder" (Fritz Lang) mit Peter Lorre.
"Der Malteser Falke" (Roy Del Ruth) mit Bebe Daniels und Ricardo Cortez.
"Der Mann, der seinen Mörder sucht" (Robert Siodmak) mit Heinz Rühmann.
"Marius" von Alexander Korda und Marcel Pagnol.
"Die Marx-Brothers auf See" (Norman Z. McLeod) mit den Marx-Brothers.
"Mata Hari" mit Greta Garbo und Ramon Novarro.
"Meine Frau, die Hochstaplerin" (Kurt Gerron) mit Heinz Rühmann.
"The Miracle Woman" (Frank Capra) mit Barbara Stanwyck.
"Der öffentliche Feind" (William A. Wellman) mit James Cagney und Jean Harlow.
"The Phantom of Paris" (John S. Robertson) mit John Gilbert.
"Platinum Blonde" (Frank Capra) mit Loretta Young und Jean Harlow.
"Rich and Strange" von Alfred Hitchcock.
"Scandal Sheet" (John Cromwell) mit George Bancroft.
"Skippy" (Norman Taurog) mit Jackie Cooper.
"Smart Money" (Alfred E. Green) mit Edward G. Robinson und James Cagney.
"The Smiling Lieutenant" (Ernst Lubitsch) mit Maurice Chevalier und Claudette Colbert.
"The Star Witness" (William A. Wellman) mit Walter Huston.
"Street Scene" von King Vidor.
"Svengali" (Archie Mayo) mit John Barrymore und Donald Crisp.
"Tabu" von Friedrich Wilhelm Murnau.
"Waterloo Bridge" (James Whale) mit Mae Clarke und Kent Douglass.
"Der Zinker" (Carl Lamac / Mac Fric) mit Lissy Arna und Karl Ludwig Diehl.
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