Filmchronik 1926 - Massenhysterie und Trauer um Rudolph Valentino

Das für hunderttausende, vornehmlich weibliche Fans schrecklichste Ereignis des Filmjahrs 1926 war der Tod des für viele Zeitgenossen größten Leinwand-Verführers der Stummfilm-Ära. Mit nur 31 Jahren starb Rudolph Valentino am 23. August 1926 in einem New Yorker Krankenhaus. Er war einige Tage vorher mit einem Blinddarmdurchbruch eingeliefert worden und ins Koma gefallen. Eine zusätzliche Lungenentzündung führte schließlich zum Tode und zu Massenhysterien. Der zumeist perfekt pomadisierte US-Topstar mit den traurigen Augen galt als eines der ersten männlichen Sex-Symbole der Filmgeschichte. In seinem Todesjahr hatte er seiner Filmografie, zu der Kassenschlager wie „Die Kameliendame“ (1921) und „Der Scheich“ (1921) zählten, den romantischen Schmachtklassiker „Der Sohn des Scheichs“ hinzugefügt.
Ähnlich dramatisch wie bei dieser tragischen Wüstensohngeschichte ging es beim Misserfolg des Jahres zu. Der mit gewohnt stoischem Gesichtsausdruck agierende Buster Keaton brillierte zwar als „Johnny Gray“ in „The General“, einer der teuersten Stummfilm-Komödien-Produktionen überhaupt, doch Publikum und Kritik der damaligen Zeit stuften den Film allerdings als bestenfalls mittelmäßig ein. Der Flop des in den Jahren des Amerikanischen Bürgerkriegs spielenden „Generals“ leitete den allmählichen Niedergang von Keatons Karriere als Leinwandstar ein. Spätere Filmkritiker-Generationen bewerteten „The General“ dagegen als eine der bedeutendsten Stummfilmkomödien der Kinogeschichte.
Ein weitaus größerer zeitgenössischer US-Lacherfolg wurde der von Frank Capra inszenierte Schenkelklopfer „The Strong Man“, dem bekanntesten Film des Hauptdarstellers Harry Langdon. Das Markenzeichen des schmächtigen Langdon war die Darstellung von überzogen ängstlichen Verlierertypen, die schließlich aber überraschenderweise über sich hinauswachsen und es den Rohlingen dieser Welt, wie in „The Strong Man“, so richtig zeigten.
1926 kam auch Robert J. Flaherty nach „Nanook“ (1922) wichtigster Dokumentar-Film in die Lichtspielhäuser. Nach fast drei Jahren Dreharbeit begeisterte er das Publikum mit „Moana“, einer von Ethnologen, die den Film für zu romantisch-verklärend hielten, kritisierten Darstellung von Samoa-Insulanern.

Epos Faust und der Beginn des Tonfilms

Als wichtigste deutsche Film-Neuerscheinung galt das schwerblütige Epos „Faust – Eine Volkssage“. Damit lieferte Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, der einen Hollywood-Vertrag in der Tasche hatte, seine letzte Produktion auf deutschem Boden ab. Das Meisterstück schlug die Zuschauer nicht zuletzt wegen der kongenialen Darstellungskunst der Hauptdarsteller Gösta Ekman („Faust“) und Emil Jannings („Mephisto“) in den Bann. Zum Erfolg des düsteren Films trugen auch wesentlich die atmosphärisch Bedrohung und Enge aufbauenden spitzgiebligen Häuser und treppenartigen Gassen der Filmkulissen bei, deren suggestiven Stimmungsmalerei sich kaum ein Kinobesucher entziehen konnte.
Zu den großen Filmen des Jahres gehörte auch das Werk „Die Mutter“ des sowjetischen Regisseurs Wsewolod Pudowkin. In eindringlichen Bildern voller Pathos stellte Pudowkin die Geschichte der Revolution von 1905 dar. Aber nicht, wie sonst bei UdSSR-Produktionen in der Regel üblich, als kollektives Monumentalgemälde. Stattdessen erzählte er aus dem Blickwinkel einer persönlich wirkenden Familiengeschichte, bei der die um Neutralität bemühte Mutter zwischen revolutionärem Sohn und reaktionärem Vater zu vermitteln versucht. Am Ende stirbt der Sohn für die gerechte Sache und die jetzt auch überzeugte Mutter übernimmt von ihm die rote Fahne.
1926 war auch mit dem Film "The Jazz Singer" die Geburtsstunde des Tonfilms.
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