1910
1911
1912
1913
1914
1915
1916
1917
1918
1919
Das Musikjahr 1914 - Bayreuth verlor sein
Wagner-Monopol
Das Jahr 1914 hat traurige Berühmtheit durch den
Ausbruch des Ersten Weltkriegs erlangt - musikalisch
ist dagegen eher viel Außergewöhnliches zu
berichten. Es waren, wie schon in den Jahren zuvor,
erneut Opern und Operetten, die die musikalische
Szene des Jahres 1914 beherrschten - zumindest die
erste Hälfte.
Eine Besonderheit war damals sicherlich, dass - nach
Ablauf von 30 Jahren des Urheberrechtsschutzes -
Bayreuth das Monopol auf die Aufführung von Richard
Wagners „Parsifal“ verlor. Infolgedessen konnte
diese Oper nun auch von allen anderen Theatern
inszeniert werden.
Nennenswerte musikalische Premieren des Jahres waren
darüber hinaus unter anderem „Der Kuss“, eine
Operette von Ludwig Roschlitzer, die am 31. Januar
vom Wiener Carltheater uraufgeführt wurde, gefolgt
von „Endlich allein“ aus der Feder des
Operettenkönigs Franz Lehár. Die Operette hatte am
10. Februar am Theater an der Wien Premiere.
In Berlin wurde vier Tage darauf die Operette
„Jung-England“ von Leo Fall uraufgeführt, in der es
um Frauenemanzipation und eine „Indische Erzählung“
mit „Schleiertanz“ ging. Die Operette spielt im
kolonialen England und verbreitete durch ihre
Instrumentalisierung mit Schellentrommel, Harfe und
Mandoline mit einem Hauch von fernöstlichem Flair.
Der musikalische Faschings-Ohrenschmaus des Jahres
1914 drehte sich dagegen ganz bodenständig um ein
regionales Leibgericht der Karnevals-Hochburg Köln,
wie Nostalgie-Postkarten dokumentieren: „Samstags
muss ich min Hämmchen han, schön mager nit zo fett,
eh’r gonn ich nit nohm Bett“. Der Text stammte von
Ludwig Schmitz, die Musik von Emil Neumann und war
bereits 1913 erstmals veröffentlicht worden. Beim „Hämmchen“
handelte es sich übrigens um eine Schweinshaxe
beziehungsweise ein Eisbein.
In österreichischen Wien stand danach am 1. April
die Premiere von Franz Schmidts „Notre Dame“ auf dem
Spielplan, eine spätromantische Oper, die auf Victor
Hugos Roman „Der Glöckner von Notre Dame“ basiert
und im Paris des 15. Jahrhunderts spielte. Das
Libretto hatte Schmidt zusammen mit Leopold Wilk
verfasst.
Am 10. Mai des Jahres wurde die Oper „Die
Marketenderin“ des deutschen Komponisten Engelbert
Humperdinck in Köln uraufgeführt. Und in Paris
feierten die späteren französischen Kriegsgegner
fünf Tage später die Premiere von „Mârouf, savetier
du Caire“, eine Oper des Komponisten Henri Rabaud.
Am 11. Juni wurde in Leipzig die Oper „Don Juans
letztes Abenteuer“ des Komponisten Paul Graener
uraufgeführt und am 27. Juni 1914 - am Vortag des
Attentats von Sarajewo - beendete der russische
Komponist Igor Strawinsky die Instrumentierung
seiner „Deux Poèmes de Paul Verlaine“. Danach war
für die Musikgeschichte erst einmal eine längere
Pause angesagt.
Den Dirigentenstab übernahm nun zunächst die Politik
und danach, ab dem 4. August des Jahres, das Militär
- mit Militärmusik und Soldatenlieder.
Beispielsweise schrieben der Österreicher Fritz
Löhner-Beda, damals ein bekannter Librettist und
Schlagertexter und sein Landsmann Artur Marcel Werau
das Soldatenlied „Rosa, wir fahr’n nach Lodz“, das
im Jahr darauf veröffentlicht wurde. Mit Rosa war
dabei allerdings keine Herzallerliebste gemeint,
sondern ein schwerer Mörser, der damals an der Front
eingesetzt wurde. Die Urfassung des Liedes geht
vermutlich auf ein altes Landsknechtlied aus dem
Dreißjährigen Krieg zurück. In den 1970er Jahren
wurde das Lied in der Version „Theo, wir fahr’n nach
Lodz“ von Vicki Leandros ein weiteres Mal, und
diesmal völlig unmilitärisch, erneut zum Evergreen.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es 1914
verständlicherweise nur noch wenige musikalische
Highlights. So gab einer der größten Tenöre seiner
Zeit, der Italiener Beniamino Gigli, am 15. Oktober
1914 sein Operndebüt in der italienischen Stadt
Rovigo. Gigli sang damals den Enzo in „La Gioconda“
von Amilcare Ponchielli. Und am Wiener Johann
Strauss Theater wurde am 9. November die Operette
„Rund um die Liebe“ von Oscar Straus, dem
Komponisten des „Walzertraums“, uraufgeführt.
<<
Musikjahr 1913
|
Musikjahr 1915 >>