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Sportjahr 1904 – Die Olympiade wurde kaum beachtet


Während im Deutschen Reich Sozialdemokraten und die Anhänger Kaiser Wilhelms II. um die Machtansprüche rangen, wurden im selben Jahr in St. Louis (US-Bundesstaat Missouri) die III. Olympischen Sommerspiele im Rahmen der Weltausstellung ausgetragen. Sie dauerten vom 1. Juli bis zum 23. November 1904. Die vorangegangenen Spiele waren bisher nur ein Anhängsel zu der Weltausstellung gewesen und in den USA kam die weite Anreise der Athleten hinzu. Es waren nicht viele Staaten, die ihre Sportler zu dieser Olympiade schickten.
In manchen Disziplinen waren die US-Amerikaner gewissermaßen unter sich. Ein erwähnenswertes Novum ist jedoch die Errungenschaft, die bis heute üblich ist – die Goldmedaillen für die Erstplatzierten. Vordem waren sie lediglich mit einer Silbermedaille bedacht worden, die Zweitplatzierten bekamen eine Bronzemedaille. Seit dem Jahr 1904 gab es also ebenso die Goldmedaillen.
Aus Europa waren sieben Länder mit ihren Sportlern vertreten – Großbritannien, Frankreich, Österreich, Ungarn, die Schweiz, Griechenland und das Deutsche Reich, das 17 Athleten ins Rennen schickte. So wenige Sportler es waren, so wenige Zuschauer frequentierten auch die Tribünen. Die Olympiade fand noch kaum Beachtung als wichtiges Sportereignis, im Gegensatz zu heutigen Sportveranstaltungen. In unterschiedlichen Disziplinen waren ausschließlich die US-amerikanischen Sportler, die mit Erfolgen glänzten. Die Weltausstellung hatte 19,7 Millionen Besucher, aber nur ein geringer Teil nahm die Olympiade zur Kenntnis. In den Medien wurde sie ebenfalls sehr stiefmütterlich behandelt oder sogar ignoriert. Nicht einmal die Tatsache, dass zum ersten und letzten Mal Sackhüpfen, Tonnenspringen und Tabakweitspucken als olympische Sportart zugelassen waren, machte diese Olympiade attraktiver.

Fußball – Gründung des Weltfußballverbandes
Es wurde schon emsig Fußball gespielt, es wurden Vereine gegründet und der Fußball war auf dem besten Weg, immer populärer zu werden. Von historischer Bedeutung war im Fußball die Gründung der Fédération International de Football, heute besser bekannt als Weltverband FIFA am 21. Mai 1904. Seinen Sitz hatte der in Paris gegründete Verband im schweizerischen Zürich. Der FIFA oblag es in den späteren Jahren, Meisterschaften zu organisieren bis hin zur ersten Fußball-WM im Jahr 1930. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten 1904 die Fußballverbände der Schweiz, Dänemarks, Frankreichs, der Niederlande, Belgiens und Schwedens. Noch am Gründungstag trat der Deutsche Fußball-Bund der FIFA bei und zwar telegrafisch. Weitere Verbände kamen im Laufe der Zeit dazu und 1908 fand der Internationale Fußballwettbewerb im Rahmen der Olympischen Sommerspiele in London statt. Einige Austritte aus der FIFA gab es während des Ersten Weltkrieges.
In Portugal wurde am 28. Februar 1904 der Fußballverein Benfica Lissabon und im brasilianischen Rio de Janeiro wurde am 18. September 1904 der America Football Club gegründet. In Österreich löste man die Österreichische Fußball-Union auf, um am 18. März 1904 in Wien den Österreichischen Fußball-Verband ins Leben zu rufen. Fußballmeister der Schweiz wurde in jenem Jahr der FC ST. Gallen. Bei den Briten war es die Mannschaft von Sheffield Wednesday, die den englischen Meistertitel gewann. In Italien wurde Juventus Turin mit 1:0 von Genua 1893 besiegt und gewann damit am 27. März 1904 seine sechste Italien-Meisterschaft. Ein deutscher Fußballmeister wurde nicht ermittelt, weil das Finale der deutschen Meisterschaft wegen eines grundlegenden Streits über den Austragungsort abgesagt werden musste. Das Final hätten der VfB Leipzig und Britannia 92 Berlin gegeneinander ausgefochten.




Radsport
Die zweite Auflage der Tour de France fand vom 2. bis 24. Juli 1904 statt. Sie wurde auf der Vorjahresstrecke durchgeführt. Als Sieger fuhr der französische Radrennsportler Henry Cornet ins Ziel.
Die Gründung der Tour de France im Jahr 1903 basierte auf dem Geschäftsinn der Sportzeitung „L’Auto“, die sich damit eine Auflagensteigerung erhoffte und ihren Konkurrenten „Le Vélo“ ausschalten wollte, von dem sich „L’Auto“ abgespalten hatte. Im Jahr der zweiten Tour de France war das Ende der Konkurrenzzeitung „Le Vélo“ schließlich nicht mehr aufzuhalten. Sie erschien zum letzten Mal und „L’Auto“ hatte sich durchgesetzt. Der Chefredakteur Henri Desgrange fungierte bis zu seinem Tod 1940 als Tour-Direktor.
Auch die Briten hatten ihr großes Radrennen. Im Jahr 1904 fanden die 5. UCI-Bahn-Weltmeisterschaften auf der offenen Radrennbahn am Crystal Palace in London statt. Diese Wettbewerbe am 3., 8. und 10. September 1904 wurden von 15.000 Zuschauern begeistert verfolgt.

Motorsport
Die Autorennen, die im Jahr 1904 ausgetragen wurden, führten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten zu einer Internationalisierung des Motorsports. Allerdings fiel das Stadt-zu-Stadt-Rennen aus. Es war nach dem Rennen von Paris nach Madrid im Vorjahr verboten worden, weil mehrere Personen dabei ums Leben gekommen waren. Von nun an wurden Rundstrecken gefahren.
Im Jahr 1904 war Deutschland der Austragungsort für den Gordon-Bennett-Cup, für den der 128 km lange Rundkurs bei Homburg durch den Taunus am 17. Juni 1904 vier Mal durchfahren wurde. Kaiser Wilhelm II. gehörte zu den prominenten Zuschauern. Für ihn war extra eine Kaisertribüne an der Saalburg gebaut worden, die einen großen Teil der Kosten verschlang, so dass das Rennen in wirtschaftlicher Hinsicht kein Erfolg war. Für die 18 Autos mit ihren Fahrern war es dennoch ein großartiger Wettkampf. Der französische Automobilrennfahrer Léon Théry gewann das Rennen.

Außerdem in Deutschland und anderswo
Die Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften fanden statt und wurden in sechs Disziplinen ausgetragen, zu denen die Läufe über 100 m, 400 m und 1500m gehörten, ebenso wie ein 110-m-Hürdenlauf. Außerdem wurde um die besten Leichtathleten in den Disziplinen Hochsprung und Diskuswurf gerungen.
Die Deutschen Schwimmmeisterschaften wurden in 100 m Freistil, in 1500 m Freistil und in 100 m Rücken ausgetragen.
In Berlin fand vom 23. bis 24. Februar 1904 die 9. Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft statt, bei der der schwedische Eiskunstläufer Ulrich Salchow seinen vierten WM-Titel gewinnen konnte.
Ebenfalls 1904, aber bereits am 16. und 17. Januar, war im schweizerischen Davos die Eiskunstlauf-Europameisterschaft veranstaltet worden. Erstmals seit 1901 war es wieder möglich, einen derartigen Wettbewerb durchzuführen. In den Jahren 1902 und 1903 hatten wegen Eismangels keine Europameisterschaften stattfinden können. Den Titel hatte sich hier bereits der Schwede Ulrich Salchow geholt.
Zum ersten Mal gab es eine Weltmeisterschaft im Ringen. Sie wurde vom 23. bis zum 26. Mai 1904 in Wien veranstaltet. Gerungen wurde ausschließlich im damals zeitgemäßen griechisch-römischen Stil. Es gab zwei Gewichtsklassen, eine unter und eine über 75 Kilogramm. In der Klasse über 75 Kilogramm brillierte Österreich auf den ersten sechs Plätzen. In der Klasse unter 75 Kilogramm holte der schwedische Ringer Severin Ahlqvist die Goldmedaille und Hans Schneider aus dem Deutschen Reich belegte den zweiten Platz. Der dritte Platz ging wiederum an Österreich, die sich insgesamt am erfolgreichsten „durchgerungen“ hatten.
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