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Das Sportjahr 1902 - Die erste Ibrox-Katastrophe


Ringen
Gerade diese Sportart, in der ein intensiver Ganzkörpereinsatz gefragt ist, wurde zum Beginn der Jahrhundertwende immer populärer. Das war nicht verwunderlich, denn schließlich gehörte Ringen schon in der Antike zu den olympischen Disziplinen und war auch bei der ersten Olympiade der Neuzeit, die 1896 in Athen ausgetragen wurde, wieder mit dabei.
Als in dieser Disziplin jedoch im Jahr 1900 bei den Olympischen Spielen keine Ringer-Wettkämpfe stattgefunden hatten, war die Rede von einer Einmaligkeit in der olympischen Sportgeschichte. Ringen blieb aber beliebt, wenngleich das Ringen erst in den 1880er Jahren in Deutschland eine immer größere Anhängerschar bekam. Ausschlaggebend dafür war der Sieg des gebürtigen Hamburgers Carl Abs (1851-1895), der im Mai 1884 gegen William Muldoon (1852-1933) den ersten Profi-Weltmeistertitel gewann. Die Hanseaten und letztendlich das ganze sportbegeisterte Deutschland waren hingerissen und nahmen von da an zunehmend Anteil am Ringen.
Der im estländischen Dorpat geborene Ringer Georg Hackenschmidt (1878-1968), der im Jahr zuvor die Bezeichnung „Russischer Löwe“ bekam, als er nach kurzer Zeit seinen Gegner, den Belgier Constant Le Boucher (1877-1961) besiegt hatte und damit zum inoffizielle Weltmeister gekürt wurde, konnte seinen Titel am 1. Januar 1902 in Paris erfolgreich verteidigen. Allerdings war ihm nach einem dreistündigen Revanche-Kampf nur ein Unentschieden gelungen. Die Regelung, dass nur ein Schultersieg für den Gewinn entscheidend sein sollte, wurde zu diesem Zeitpunkt erst getroffen. Hackenschmidt konnte seinen Weltmeistertitel also behalten.
Im Jahr 1902 gab es auch eine so genannte Inoffizielle Europameisterschaft im Ringen. Sie fand am 4. Januar 1902 in Den Haag statt. Hier konnte der Däne Hans-Heinrich Egeberg (1877-Todesjahr unbekannt) den ersten Platz belegen, gefolgt von zwei Niederländern. Im selben Jahr war Egeberg zum zweiten Mal auch Dänischer Meister geworden.
Der Stil im Ringen war zu jener Zeit ausschließlich der griechisch-römische Stil.

Schwimmen
Der Brite John Arthur Jarvis (1872-1933) vom Leicester Swimming Club galt als überragendes Talent im Schwimmen. Wassersport jeder Art war seine Berufung, vor allem aber auch die stete Weiterentwicklung der einzelnen Schwimmstile.
Er konnte bereits im Jahr 1900 bei den 2. Olympischen Spielen der Neuzeit in Paris zwei Goldmedaillen gewinnen. Er schwamm über 1000 Meter und über 4000 Meter und holte sich über diese Distanzen jeweils einen Olympia-Sieg. In diesem Jahr trat er in Wien beim Internationalen Schwimm-Meeting mit einem neuen Schwimmstil an und gewann den Wettkampf am 8. August 1902. Jarvis war allen anderen Konkurrenten mit großem Abstand davongeschwommen.
Gemeinsam mit dem damaligen Weltklasse-Schwimmer, seinem Landsmann Joey Nutall (1869-1942), der seit 1888 in der Profiliga schwamm, hatte er einen besonderen Beinschlag entwickelt, der als Jarvis-Nutall-Kick bezeichnet wurde. Jarvis vervollkommnete diesen Stil mit einem Hand-Überschlag und gewann 1902 mit dieser Art des Schwimmens auch den „Kaiserpreis“in Berlin.
Zu jener Zeit bezeichnet man diese Freistil-Schwimmart, die größere Geschwindigkeiten als das Brustschwimmen zuließ, als „Crawl“-Stil.
Jarvis hatte im Jahr 1902 bereits ein Buch veröffentlicht („The Art of Swimming“), in dem er sich theoretisch mit den Schwimmarten befasste. Er machte sich auch einen Namen durch seine Aktivitäten in der Weiterentwicklung der Wasserrettungs-Techniken.
Lange nach seinem Tod wurde Jarvis ein Platz in der Ruhmeshalle des Internationalen Schwimmsports zuteil.


Skisport
Berge laden zum Skifahren ein. Das war nicht immer so. Lange herrschte Ruhe in den Alpen, bis etwa um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in der Schweiz die Wintersportmöglichkeiten entdeckt wurden. Das war der Beginn des alpinen Skisports. Die steilen Abfahrten erforderten Mut und Können, aber vor allem gute Skier. Und – sie waren eine Herausforderung.
Ab etwa 1870 begann in den Gebirgsgegenden die Gründung von Skivereinen. In Deutschland wurden sogar erste Skirennen veranstaltet. Der Sport, den die Norweger schon lange kannten, hatte seinen Weg in die europäischen Bergregionen gefunden.
In der Schweiz wurde im Jahr 1893 der erste Skiverein gegründet und 1901 begann eine richtige Wintersportsaison, die von englischen Gästen absolviert wurde. Schon 1902 – wobei diese Jahresangabe ein eventuell differieren kann – fand das „Erste Schweizerische Skirennen“ statt. Hier, auf dem Gurten, dem Hausberg vor den Toren Berns, konnte der aus Sachsen stammende Heinrich von Dieskau am 16. Februar 1902 als Sieger hervorgehen.

Automobilsport
Guido Adami war ein italienischer Ingenieur, der sich mit dem Entwerfen von Automotoren befasste, aber auch selbst Rennen fuhr. Die kleine Autofirma Adami & C. in Florenz wurde von ihm im Jahre 1901 gegründet. Sie war anfangs eine Reparaturwerkstatt, aus der schließlich die Firma hervorging. Das einzige Modell, das bei Adami & C. jemals produziert wurde, war der „Adami Rodini“, ein Wagen mit einem 10-PS-Motor, für den Adami als Konstrukteur selbst verantwortlich zeichnete. Im selben Jahr gewann er damit den Italiencup.
Im Folgejahr 1902 stellte Adami seinen Rondini auf dem „Turiner Autosalon“ (Salone dell’automobile di Torino) vor, einer damals schon weltweit beachteten Ausstellung für Autos, die offiziell im April des Jahres 1900 erstmals veranstaltet worden war und als Fahrzeugmesse vor allem den italienischen Autoherstellern ebenso wie den Karosseriebauern diente, um neue Fahrzeuge, Prototypen und Ideen öffentlich zu machen. Diese Ausstellung findet heute noch statt, wird aber inzwischen auch von internationalen Herstellern genutzt.
Als der rennfahrende Konstrukteur Guido Adami 1902 seinen Rondini vorstellte, gewann er auf dieser Messe eine Goldmedaille.
Adamis kleine Firma hatte dennoch nur einen kurzen Fortbestand. Es gab sie noch bis 1906 und der Rondini war das einzige produzierte Modell.

Fußball - Die Ibrox-Katastrophe
Das Heimatstadion des schottischen Fußballclubs Glasgow Rangers, der 1873 gegründet wurde, war der Ibrox Park. Diese Spielstätte wurde erst 1997 in „Ibrox Stadium“ umbenannt.
Als das Stadion neu war, die Rangers dort 1887 zu ihrem ersten Spiel antraten, hatten 15.000 Zuschauer Platz. Wenige Jahre später, im Jahr 1899 zog man um und an der neuen Stelle und nach einer finanzschweren Investition konnten nun 75.000 Menschen den Spielen beiwohnen.
Diese berühmte Glasgower Fußballstätte, die heute von der UEFA mit „fünf Sternen“ bedacht ist, kam 1902 durch ein tragisches Ereignis erstmals in die Schlagzeilen. Die Rede ist von der ersten Ibrox-Katastrophe.
Es war ein Prestige-Spiel, das damals zwischen Englang und Schottland ausgetragen wurde. Das Stadion war ausverkauft und auch auf der neugebauten, hölzernen Tribüne, die mit Stahlgittern verstärkt worden war, war kein Platz mehr frei. Die Regengüsse des Vortages hatte ganz sicher dazu beigetragen, dass das Unglück geschah. Die neue West-Tribüne hielt der enormen Last der Besucher nicht stand. Sie brach zusammen. Die Menschen stürzten fast zwölf Meter unrettbar in die Tiefe. Mehr als 500 Verletzte und 25 Tote waren zu beklagen. Es waren zu jenem Zeitpunkt 51 Spielminuten vergangen. Beide Vereine waren sich einig und das Spiel wurde für ungültig erklärt. Wenige Tage später war eine Wiederholung dieses Unglücksspiels angesetzt. Diesmal fand es in Birmingham statt, im Aston Lower Grounds, dem Heimstadion des Fußballvereins Aston Villa. Heute heißt das Elitestadion Villa Park. Die Einnahmen aus dem Wiederholungsspiel gingen ausnahmslos an die Angehörigen der Opfer der Ibrox-Katastrophe.
Nach diesem Unglück wurde die Platzkapazität umgehend auf 25.000 anstatt der bisherigen 75.000 verringert. Anschließend wurde das Stadion nach neuen Plänen umgebaut. Es wurde ein ovales Stadion daraus mit einem Fassungsvermögen für 63.000 Menschen. Als der Erste Weltkrieg vorüber war, wurde die Kapazität noch einmal auf 80.000 erhöht. Die Spiele der Glasgow Rangers zogen allerdings so viele Besucher in ihren Bann, dass das Stadion nicht selten überfüllt war, sich oft sogar bis zu 120.000 Zuschauer darin drängelten. Die nächsten Unglücke blieben nicht aus. 1961 und 1971 war das Stadion wegen erneuter Katastrophen mit Toten und Verletzten in aller Munde. Nach 1971 wurde dann eine vollständige Renovierung und Sanierung des Stadions vorgenommen.
Heute hat das Ibrox-Stadium 52.082 ausschließlich Sitzplätze und entspricht allen modernen Sicherheitsstandards. Dass es sich offiziell „Fünfsterne-Stadion“ nennen darf, zeigt immerhin, dass aus den Fehlern gelernt wurde.

Fußball – Vereinsgründung
Der Fußballsport, der sich bereits über Europa ausgebreitet hatte, fand auch zum Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Anhänger in Spanien. Bis zum Jahr 1897 hatte es aber nur einen kleinen Verein gegeben („Football Sky“), der diesen modernen Sport betrieb, der aus England gekommen war. In jenem Jahr trennten sich einige Spieler von ihrem Verein. Sie nannten sich fortan „Madrid Foot Ball Club“ und spielten mehr oder minder organisiert auf Plätzen, die sich gerade anboten. Das waren meist Hinterhöfe oder Wiesen. Diese Spieler, zu denen sich schnell mehr gesellten, legten damit die Grundlagen für einen der größten und renommiertesten Fußballclubs der Welt – Real Madrid.
Den Namen kennt heute jeder. Die Namen der Gründungspioniere dieses weltberühmten Fußballvereins sind im Dunkel der Geschichte verschwunden. Nur Insider wissen, es waren José de Gorostizaga, Manuel Mendía, Antonio Neyra, Afolfo Meléndez, Julián Palacios und die Brüder Juan und Carlos Padrós, die den 6. März 1902 als offiziellen Geburtstag dieses Vereins ermöglichten, denn an diesem Tag ließen sie ihre Fußballvereinigung „Madrid Foot Ball Club“ amtlich registrieren.
Drei Tage später, am 9. März 1902, sahen die spanischen Zuschauer in Madrid das erste Spiel. Zwei Mannschaften des Clubs waren angetreten und die besten von ihnen sollte in die erste Mannschaft übernommen werden.
Am 22. März 1902 wurden die Regeln für einen richtigen Spielverlauf öffentlich bekannt gegeben, die Mister Arthur Johnson zu Papier gebracht hatte, der auch gleichsam als erster Trainer fungierte. Der Engländer brachte System in den spanischen Fußball und bereits am 13. Mai 1902 wurde ein Spiel zwischen Madrid und Barcelona ausgetragen.
Die Reihe der eingespielten Siege und Pokale wurde im Laufe der Jahre immer länger. Was 1902 begann, wurde zwei Jahre später schon die offizielle Landesvertretung Spaniens im Fußball und sollte nach mehr als 100 Jahren einen der berühmtesten Namen inne haben.

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