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Das Sportjahr 1901 - Muskelspiele waren gern gesehen


Wintersport
Die „Nordiska spelen“, die Nordischen Spiele, gelten als Vorläufer der Olympischen Winterspiele. Sie wurden in diesem Jahr vom 9. Februar bis zum 17. Februar erstmalig veranstaltet. Austragungsort war die schwedische Hauptstadt Stockholm. Initiator und Mitorganisator war Oberst Viktor Gustaf Balck (1844-1928), der sich nicht nur in militärsportlichem Bereich, sondern auch für Massensport engagierte, der bis dato in Skandinavien noch keine herausragende Bedeutung in der breiten Öffentlichkeit hatte.
Balck leitete die „Schwedische Zentralorganisation zur Förderung des Sports“ (SCFIF – Sveriges Centralförening för idrottens främjande“), von der die Nordischen Spiele ausgerichtet wurden. Außerdem gehörte Balck, der selbst aktiver Sportler und Trainer war, als enger Vertrauter in den Kreis um den Sportenthusiasten Pierre de Coubertin ((1863-1937) und wurde auch von diesem als eines der Gründungsmitglieder des Internationalen Olympischen Komitees berufen, das bereits am 23. Juni 1894 gegründet worden war. Von seinen Landsleuten wurde der seit 1892 zudem als Präsident der Internationalen Eislauf-Union agierende Gustav Balck auch als der „Vater des schwedischen Sports“ benannt.
Die Sportarten, die bei den Nordischen Spielen ausgetragen wurden, waren einerseits die typischen Wintersportarten, andererseits wurden aber auch Wettkämpfe in ungewöhnlichen Disziplinen veranstaltet wie beispielsweise Fechten, Schwimmen, Motorrad- und Autorennen und auch Ballonfahren.
Die Idee zu diesen Nordischen Sportspielen hatte im Jahr 1899 der schwedische Augenarzt und Professor Erik Johan Widmark (1850-1909). Er war nicht nur ein medizinisch sehr angesehener Mann, sondern auch ein großer Sportenthusiast. Im selben Jahr der ersten Nordischen Spiele plante man auch schon die nächste Veranstaltung dieser Art für das Jahr 1903. Die sollte in Kristiania stattfinden, das damals noch zu Schweden gehörte, heute Oslo heißt und zu Norwegen gehört.

Eine neue Sportart
Am 14. September im Jahre 1893 trug der amerikanische Kunstradfahrer Nick Kaufmann (1861-1943) das erste Radball-Spiel, das er zwei Jahre zuvor selbst erfunden hatte, gegen seinen Landsmann John Featherly aus. Es hatte in Rochester (Bundesstaat New York) stattgefunden und wurde auf Hochrädern (American-Star-Bicycle) und mit einem Poloball gespielt.
Der Erfindung von Kaufmann liegt eine Anekdote zugrunde, die besagt, dass die Idee zu dem Spiel entstand, als ein Hund vor seinem Rad umherlief und ihn am Fahren hinderte, so dass ihm nichts anderes übrig geblieben war, als den Hund vorsichtig zur Seite zu schubsen und zwar mit dem Vorderrad. Anstelle eines Hundes wurde dann ein Ball zum Spielobjekt. Die Idee zum Radball war geboren.
Das neue Spiel wurde unter den Kunstradlern in Amerika in kürzester Zeit populär. Es fand bald auch seinen Weg nach Europa. Der 10. März 1901 gilt als der offizielle Tag der Einführung des Radball-Spiels in Europa, bzw. in Deutschland. Es waren zwei Berliner, die Brüder Paul und Otto Lüders, die als Kunstradfahrer dem Verein „Sport Berolina“ angehörten und das neue Sportspiel vorstellten. Von da an ließen sie keine Gelegenheit aus, spielten auf Parkett oder Rasen, wie es sich ergab. Ideal für das Spiel, das zwei gegen zwei gespielt wurde, war ein harter Boden, den die Brüder in den Sälen von Gasthöfen oder in Turnhallen vorfanden. Sie hatten nicht nur ein begeistertes Publikum, sondern auch sehr interessierte Sportskollegen und bald war Radball in aller Munde.
Jahre später wurde Radball sogar eine Weltmeisterschafts-Disziplin.

Radsport
Seit 1893 finden UCI-Bahn-Weltmeisterschaften statt, jedoch waren in den Jahren 1893 bis 1899 Vorläuferorganisationen für die Ausrichtung der Meisterschaften verantwortlich. Der UCI, der Radsport-Weltverband war erst seit dem Jahr 1900 für diese Wettkämpfe zuständig.
1901 fanden demnach die 2. Bahn-Weltmeisterschaften statt. Austragungsort war die Radrennbahn in Berlin-Friedenau. Sie begannen am 7. Juli und dauerten bis zum 14. Juli. In den beiden Disziplinen Fliegerrennen über 2 Kilometer und Steherrennen über 100 Kilometer starteten jeweils Amateure in zwei Rennen sowie Profifahrer in ebenfalls zwei Rennen. Diese Meisterschaften zogen ungefähr 20.000 Zuschauer in ihren Bann.
Herausragend war der aus dem bayerischen Raum stammende Profifahrer im Steherrennen Thaddäus Robl (1877-1910), der bei dieser Weltmeisterschaft seinen ersten Titel einfuhr und damit seine Siegeskarriere begann. Robl wurde zum Bahnrad-Star des Deutschen Reiches und sorgte stets für einen enormen Zuschauerandrang. Mit ihm begann diese Sportart rasant an Beliebtheit zu gewinnen. Seinen ersten Weltmeistertitel im Fliegerrennen (Sprint) holte sich der dänische Radrenn-Profi Thorvald Ellegaard (1877-1954), der als einer der bedeutendsten Sportler Dänemarks bekannt war. Ellegaard war von 1895 bis 1898 noch als Amateur gefahren. Im Jahr 1901 gewann er zusätzlich zum Bahn-Weltmeistertitel der Profis den Sprint-Klassiker Grand Prix de Paris.


Bodybuilding
Der aus dem ostpreußischen Königsberg stammende Eugen Sandow (1867-1925) machte sich einen großen Namen im Kraftsport. Er sorgte dafür, dass speziell das Bodybuilding einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde. Seinem Engagement und seiner Organisation ist der erste Wettbewerb in dieser Sportart – „The Great Competition“ – zu danken, der am 14. September 1901 in der ausverkauften Prinz-Albert-Hall in London ausgetragen wurde. Drei Jahre hatten die Vorwettbewerbe gedauert, bis endlich 1901 der erste große Wettkampf stattfinden konnte.
Vordem war Sandow, der mit bürgerlichem Namen Friedrich Wilhelm Müller hieß, ein landesweit bekannter so genannter Strongman oder auch Jahrmarktskünstler, der mit seinen Kraft-Attraktionen das Publikum begeisterte. Ob es eine Legende oder die Wahrheit ist, weiß man nicht sicher, aber überliefert ist, dass Sandow ein Pferd mit den Armen in die Höhe gestemmt haben soll. Es blieb für Sandow nicht bei den Jahrmarktskunststücken, er wurde schnell ein bewunderter und geachteter Athlet, der unter seinem Künstlernamen „Eugen Sandow“ in ganz Europa auftrat und an dessen Trainingsplänen sich auch heute noch Bodybuilder orientieren. Sandow war es auch, der die ersten Trainingsstätten einrichtete und den Kraftsport damit „zivilisierte“.
Im Jahre 1894 war bereits ein Kurzfilm entstanden, der als „Sandow No. 1“ veröffentlicht worden war und in dem Eugen Sandow das Spiel seiner Muskeln in den unterschiedlichen Posen zeigen konnte.
An dem von ihm veranstalteten Wettbewerb „The Great Competition“ nahmen zwölf Kraftsportler teil, denen ein lukratives Preisgeld winkte. Die Bronzestatue, die damals dem Drittplatzierten überreicht wurde, bekommt zu Ehren von Eugen Sandow seit 1977 jeweils der Gewinner des Mr. Olympia-Wettbewerbes, des Internationalen Bodybuilding-Wettkampfes, zu seinem Titel dazu.

Leichtathletik
Der sprunggewaltige Leichtathlet aus Irland, Peter O’Connor (1874-1957), gilt als erster Weitsprung-Weltrekordler, wurde aber für seinen Rekordsprung von einer Weite von 7,61 Metern erst 1912 von der IAAF (International Amateur Athletics Federation) in die offizielle Liste der Weltrekorde aufgenommen. Der im irischen Ashtown aufgewachsene O’Connor gehörte seit 1896 der Gaelic Athletic Association an. Jahrelang war er der herausragendste Leichtathlet des Vereinigten Königreiches von Großbritannien.
O’Connors erster Weitsprung-Weltrekordsprung betrug 1901 grandiose 7,51 Meter. Er steigerte sich im selben Jahr zunächst auf 7,54 Meter und dann überbot er seinen eigenen Rekord noch einmal und zwar in Großbritannien am 5. August 1901, auf 7,61 Meter. In Dublin konnte er sein Ergebnis noch einmal untermauern, er sprang in Dublin am 4. September dieselbe Weite.
Diesen Weltrekord machte O’Connor knapp zwanzig Jahre lang niemand streitig. Als irischer Landesrekord überbot Carlos O’Connell diese Weite sogar erst 1990 mit einem Sprung von 7,63 Metern.

Eiskunstlaufen
Am 10. und 11. Februar fand in Stockholm die 6. Eiskunstlauf-Weltmeisterschaft statt. Der Wettkampf wurde zwischen dem Schweden Ulrich Salchow (1877-1949) und dem deutschen Eiskunstläufer Gilbert Fuchs (1871-1952) ausgetragen. Bis zu diesem Jahr – die erste WM hatte 1896 in St. Petersburg stattgefunden – wurde nur eine Herrenkonkurrenz veranstaltet. Die Frauen waren jedoch nicht offiziell von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen. Bei der diesjährigen WM gab es nur zwei Teilnehmer – Salchow und Fuchs, jedoch sechs Juroren.
Als Weltmeister ging Salchow aus dem Wettkampf hervor, der bei der Europameisterschaft im selben Jahr Dritter geworden war und in den Vorjahren zweimal den Vize-WM-Titel gewann. Diese Leistung konnte er in den Jahren darauf noch mehrmals wiederholen. Er galt deshalb zu Beginn des 20. Jahrhunderts als der erfolgreichste Eiskunstläufer überhaupt.
Bis heute ist Salchows Name in der Geschichte des Eiskunstlaufs ein Begriff. Den Sprung, der seinen Namen trägt, erfand er allerdings erst 1909. Heute gehört der Salchow(-Sprung), den der Schwede als einfachen sprang, zu den elementarsten Sprüngen in dieser Disziplin und wird inzwischen auch als Doppel- Dreifach- und mitunter sogar schon als Vierfachsprung vollführt.

Schwimmsport im Deutschen Reich
Im Jahr 1901 fanden die 18. Deutschen Schwimmmeisterschaften statt. Über 1500 m Freistil gewann Emil Rausch (1882-1954) in diesem Jahr (und in den Folgejahren ebenfalls) den Deutschen Meistertitel. Rausch hatte dem Schwimmverein „Poseidon Berlin“ angehört und war auf nationaler Ebene im Freistil über 1500 Meter mehrmals hintereinander siegreich. Er sollte drei Jahre später Deutschlands erster Schwimm-Olympiasieger werden, der im Freistil Gold holte, und zwar einmal auf der Distanz über 880 Yards und einmal über Distanz einer Meile.
Die Leistungen von Rausch gingen in die Sportgeschichte ein und ihm selbst wurde schließlich 1968 ein Platz in der „Ruhmeshalle des Internationalen Schwimmsports“ zuteil.

Automobilrennen
Im Sommer 1901 machte ein für die damalige Zeit spektakuläres Autorennen Schlagzeilen – das Rennen Paris-Berlin. Es fand vom 27. bis 29. Juni statt und war über drei Tagesetappen verteilt. Gestartet wurde in Paris. Diese erste Etappe endete in Aachen. Die zweite Etappe ging von Aachen nach Hannover und schließlich führte die dritte Etappe von Hannover nach Berlin. Dieses Rennen war ein sehr bedeutendes, weil 110 Autos unterschiedlicher Gewichtsklassen und 10 Motorräder auf der 1105 Kilometer lange Strecke um die Plätze rangen, eine vergleichsweise stolze Beteiligung, nachdem der Grand Prix in der Saison des Vorjahres recht eindruckslos gewesen war.
Der Franzose Henri Forunier (1871-1919) vom Team Mors gewann das Rennen. Ihm folgte auf dem zweiten Platz sein Landsmann Leonce Girardot vom Team Panhard & Lavassor. Girardot hatte einen Rückstand von 1:05,32.
In der Zeit der Jahrhundertwende galt Girardot als Spitzenklasse-Fahrer und doch ging er in die Annalen des Autorennsports als „ewiger Zeiter“ ein. Auch sein Rennstall war ein ausgezeichneter. Panhard & Levassor waren zu jener Zeit die führende Marke bei der Automobilherstellung. Nach mehreren Rennen in den Vorjahren hatte Giradot 1901 bei der Gordon-Bennet-Trophy endlich einen ersten Platz belegen können. Allerdings war dieser Sieg nicht so herausragend, wie er sich ihn vielleicht gewünscht hätte, denn er war der Einzige, der überhaupt ins Ziel kam.
Forunier, der Sieger des Rennens Paris-Berlin, hatte seine Motorsportkarriere mit einem Zweirad begonnen, fuhr auch Tricycles, die bei den damaligen Rennen zugelassen waren, bevor er in diesem Jahr zu Mors kam und gleich zum erfolgreichsten Fahrer aufstieg. Er hatte nicht nur das Paris-Berlin-Rennen (15:33,06) gewonnen, sondern auch das Rennen Paris-Bordeaux (6:10,44). Seine Fahrzeiten waren, um den Jargon der damaligen Zeit zu benutzen, „Fabelzeiten“.

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