Chronik 1876 - Deutsche Mark, Indianerreservate, erste Bayreuther Festspiele

Mit dem Deutschen Münzgesetz von 1873 war die Mark in Umlauf gebracht worden. Sie ersetzte in allen deutschen Bundesstaaten die unterschiedlichen acht Landeswährungen mit 119 verschiedenen Münzsorten. Taler, Kreuzer, Gulden und viele andere Geldstücke waren im Umlauf gewesen. Ab Jahresbeginn 1876 war die Mark in Gold das einzige gesetzliche Zahlungsmittel. Eine Ausnahme bildeten das österreichische Zwei-Taler-Stück und der silberne Vereinstaler, der genau einem Wert von drei Mark entsprach. Mit dieser Neuordnung der Währung rückten die deutschen Länder wieder ein wenig mehr zusammen. Ganz anders sah es in den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Dessen unrühmliche Geschichte der Vertreibung der Ureinwohner hatte längst begonnen. Zu Beginn des Jahres 1876 kam auch noch eine Regierungsorder dazu, die den Indianern Reservate zuwies, in denen sie fortan ihr Leben fristen konnten. Ihre große Freiheit war dahin, denn die weißen Amerikaner beanspruchten das Indianer-Land für sich. So, als hätten sie einen Recht darauf. Die Indianer ließen sich diese Vertreibung nicht widerstandslos gefallen. Es kam zu blutigen Schlachten, die teilweise von den Indianern gewonnen wurden, ihnen aber auf lange Sicht keine neue Freiheit einbrachten. Eine der berühmtesten Schlachten war die „Schlacht am Little Bighorn River“ am 25. Juni 1876. Die Sioux und die Cheyenne mit ihren Führern Sitting Bull (um 1831-1890) und Crazy Horse (um 1839-1877) besiegten das siebte US-amerikanische Kavallerieregiment, das von George Armstrong Custer (1839-1876) geführt worden war, der in jener Schlacht ums Leben kam. Nachdem die Indianer-Krieger, die in der Überzahl waren, den Truppenteil von Custer zurückgedrängt hatten, stellten sie ihn beim Rückzug und töteten Custer und alle seine Männer ausnahmslos. Beim Eintreffen der Verstärkung blieb den US-amerikanischen Soldaten nur noch die Bergung der Leichen. Die „Schlacht am Little Bighorn River“ war nicht die Schlacht, die die Indianer gegen die weißen Männer ausfochten. Trotz einiger Sieger der Indianer wurden sie aber letztendlich alle niedergeschlagen und in Reservate gesteckt. Es blieb ihnen nur die Anpassung und viele von ihnen konvertierten sogar zum Christentum – um des lieben Friedens Willen. Die USA gliederten 1876 Colorado als 38. Bundesstaat in ihre Vereinigung ein und im November desselben Jahres fanden wieder Präsidentschaftswahlen statt. Sie gelten als die knappsten und umstrittensten in der Geschichte der USA. Der Republikaner Rutherford B. Hayes (1822-1893) gewann die Wahl mit einer Stimmermehrheit von nur einer Wahlmännerstimme vor dem Demokraten Samuel J. Tilden (1814-1886). In Deutschland, konkret in Bayreuth, fanden im August 1876 zum ersten Mal die Richard-Wagner-Festspiele statt, die auch als Bayreuther Festspiele bekannt wurden. Von jenem Jahr an wurde dieses Musiktheaterfestival mit Unterbrechungen alljährlich veranstaltet. Es war und ist ausschließlich den zehn letzten Opern Richard Wagners (1813-1883) gewidmet. Eigens für diese Aufführungen war das Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth errichtet worden, das der Architekt Otto Brückwald (1841-1917) nach den Vorstellungen des Komponisten realisierte. Eröffnet wurden die Festspiele mit dem kompletten „Ring des Nibelungen“. Wagner selbst hatte bei den Inszenierungen Regie geführt. Zu den Zuschauern gehörten renommierte Musiker und bedeutende Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens. Von Kaiser Wilhelm I. (1797-1888) über Franz Liszt (1811-1886), Anton Bruckner (1824-1896) und bis hin zu dem russischen Literaten Lew Tolstoi (1828-1910) war alles vertreten, was Rang und Namen hatte. Auch Friedrich Nietzsche (1844-1900) und der Architekt Gottfried Semper (1803-1879) waren gekommen, um dem großen Ereignis beizuwohnen. Der Bayernkönig Ludwig II. (845-1886) hatte die Generalproben besucht. Er kehrte erst zum dritten und letzten Aufführungszyklus zurück, entzog sich aber allen öffentlichen Huldigungen.
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Ereignisse & Schlagzeilen 1876
1. Januar
Die Mark wird als Einheitswährung in allen deutschen Bundesstaaten eingeführt.
5. Januar
Uraufführung der Operette Fatinitza von Franz von Suppé am Carltheater in Wien
15. Januar
Als erste Zeitschrift in Afrikaans erscheint Die Afrikaansche Patriot, herausgegeben von der Genootskap van Regte Afrikaners in der südafrikanischen Stadt Paarl.
16. Januar
Uraufführung der romantischen Oper Die Hochländer von Franz von Holstein in Mannheim
31. Januar

In den USA werden die Ureinwohner von der Regierung in die Indianerreservate beordert.
Im Februar
Das Unternehmen Henkel wird von Fritz Henkel gegründet.
13. Februar
Uraufführung der Oper Angelo von César Cui in Moskau
Im März
Die Stadt Chokand, Kokand, wird vom russischen General Michail Dimitrijewitsch Skobelew erobert und das Khanat Kokand aufgelöst.
5. März
Eugenio Torelli Viollier gründet in Mailand die Tageszeitung Corriere della Sera.
7. März
Alexander Graham Bell erhält ein US-Patent auf die Erfindung des Telefons.
22. März
In Berlin wird die Nationalgalerie eröffnet.
Im April
Renoir malt das Gemälde Bal au moulin de la Galette.
1. April
Benno Orenstein und Arthur Koppel gründen ein Maschinenbau-Unternehmen, das sich als Orenstein & Koppel einen Namen macht.
3. April
In Portugal wird die erste Republikanische Partei gegründet.
13. April
Das Osmanische Reich erklärt seinen Staatsbankrott. Der finanzielle Ruin hatte sich bereits ein halbes Jahr zuvor abgezeichnet, als am 6. Oktober 1875 die Zinszahlungen für seine Auslandsschulden auf die Hälfte herabgesetzt wurden.
29. April
Queen Victoria wird durch einen englischen Parlamentsbeschluss der Titel "Kaiserin von Indien" zuerkannt.
Im Mai
Gründung des Philadelphia Museum of Art
Im Mai
Der Roman Die Abenteuer des Tom Sawyer von Mark Twain erscheint.
2. Mai
Der Bulgarische Aprilaufstand bricht mit einigen Tagen Verzögerung los. Die Bevölkerung will sich aus der osmanischen Herrschaft befreien.
6. Mai
In Thessaloniki werden der deutsche und der französische Konsul von fanatischen Muslimen bei einem Tumult getötet.
9. Mai
Nikolaus Otto nimmt seinen ersten Viertaktmotor in Betrieb.
24. Mai
Die englische Challenger-Expedition kehrt mit einer Fülle wissenschaftlichen Materials nach Portsmouth zurück.
Im Juni
Erste Durchführung einer Strumaresektion durch Emil Theodor Kocher.
17. Juni
Ein Überraschungsangriff von 1.500 Lakota- und Cheyenne-Kriegern in der Schlacht am Rosebud Creek auf etwa 1.000 Soldaten der US-Army unter Befehl des Generals George Crook bringt den vom Häuptling Crazy Horse geführten Indianern Erfolg.
25. Juni
Schlacht am Little Bighorn River (Montana)
Das siebte US-amerikanische Kavallerieregiment unter George A. Custer wurde von Indianern der Sioux und Cheyenne unter ihren Führern Sitting Bull und Crazy Horse geschlagen.
4. Juli
Das Museum of Fine Arts, Boston wird eröffnet.
3. Juli
Erste der Marienerscheinungen in Marpingen 1876/1877
8. Juli
Mit der mündlich vereinbarten Konvention von Reichstadt werden sich die Großmächte Österreich-Ungarn und das Russische Reich in der Orientalischen Frage einig. Unter anderem wird auf dem Balkan die Einflusssphäre der beiden Mächte mit fast völligem Einvernehmen abgegrenzt.
9. Juli
Der Eisenbahnunfall von Ashtabula wird zum bis dahin schwersten Zugunglück in den Vereinigten Staaten. Beim Passieren einer zusammenbrechenden Brücke stürzt ein mit etwa 150 Reisenden besetzter Personenzug in den Ashtabula River. 92 Menschen sterben, 64 Verletzte werden geborgen.
16. Juli
Édouard Jean-Marie Stephan sichtet im Sternbild Leier die Galaxie NGC 6657.
1. August
Colorado wird 38. Bundesstaat der USA.
2. August
In Deadwood (South Dakota) erschießt Jack McCall hinterrücks den Westernhelden „Wild Bill“ Hickok beim Draw Poker im Saloon No 10. Sein vor dem Tod gehaltenes Blatt wird unter Spielern als Dead Man’s Hand bekannt.
13. August
In Bayreuth finden die ersten Richard-Wagner-Festspiele statt. Richard Wagner selbst inszeniert erstmals den kompletten Ring des Nibelungen in einer zusammenhängenden Aufführung.
16. August
Uraufführung der Oper Siegfried von Richard Wagner im Bayreuther Festspielhaus
27. August
Ernst Wilhelm Leberecht Tempel entdeckt im Sternbild Walfisch die elliptische Galaxie NGC 113.
Im September
Friedrich Nobbe veröffentlicht sein Handbuch der Samenkunde, das zu den bedeutendsten Werken der wissenschaftlichen Landbauliteratur gehört.
Im Oktober
Gründung der unitarischen Religionsgemeinschaft Freier Protestanten in Rheinhessen
24. Oktober
Uraufführung der komischen Oper Der Seekadett von Richard Genée am Theater an der Wien in Wien
25. Oktober
Édouard Jean-Marie Stephan erblickt im Sternbild Pegasus die Galaxie mit der späteren Bezeichnung NGC 7777.
1. November
Der Freundschaftsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Tonga wird unterzeichnet.
1. November
Der Nordseekanal in den Niederlanden wird von König Wilhelm III. feierlich eröffnet.
7. November
Uraufführung der Oper Der Kuss von Bedřich Smetana
17. November
Die Galaxie NGC 202 wird von Édouard Jean-Marie Stephan im Sternbild Fische aufgespürt.
22. November
Édouard Jean-Marie Stephan bemerkt im Sternbild Andromeda die Galaxie NGC 846.
1. Dezember
Berlin verfügt über das erste städtische Rohrpostnetz, das auch der Öffentlichkeit zugänglich ist.
6. Dezember
Uraufführung der Oper Wakula der Schmied (zweite Fassung als „Die Pantöffelchen“, Orig.
Tscherewitschki Wakula) von Pjotr Iljitsch Tschaikowski an der Hofoper in Sankt Petersburg
11. Dezember
Édouard Jean-Marie Stephan entdeckt im Sternbild Andromeda die Galaxie NGC 812.
23. Dezember
Die Osmanische Verfassung tritt in Kraft.